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Professorin auf Zeit. Einblicke in Gastprofessur mit Dagmar Korintenberg

23.08.2023

Über das Professorinnenprogramm lehrte Dagmar Korintenberg zwei Semester im Studiengang Kommunikationsdesign. Das Ziel des Förderprogramms ist es, den Frauenanteil bei den Professuren an deutschen Hochschulen zu erhöhen. Nicht nur der Studiengang KD, auch der Bereich Diversity der HTWG hat von Korintenbergs Engagement als Gastprofessorin sehr profitiert.

Je höher die Karrierestufe, desto geringer ist der Frauenanteil. Dieses branchenübergreifende Phänomen hat einen Namen: „Leaky Pipeline“. Um dem Phänomen an deutschen Hochschulen entgegenzuwirken, fördern Bund und Länder durch das Professorinnenprogramm den Anteil von Frauen in wissenschaftlichen Spitzenpositionen. Jährlich wird aus den Fördermitteln eine zweisemestrige Gastprofessur halben Deputats finanziert, um bevorzugt Frauen auf dem Weg zur Professur zu fördern, Strukturen zu verändern und Vorbilder für Studentinnen zu schaffen – insbesondere in Fakultäten, in denen Wissenschaftlerinnen nach dem Kaskadenmodell unterrepräsentiert sind.

Im Wintersemester 2022/23 und Sommersemester 2023 ermöglichte das Professorinnenprogramm Dagmar Korintenberg als Gastprofessorin an die HTWG nach Konstanz einzuladen. Zwei Semester lehrte die Designerin und gelernte Goldschmiedin im Studiengang Kommunikationsdesign an der Fakultät Architektur und Gestaltung.

Sowohl im Bachelor als auch im Masterstudiengang entwickelte Korintenberg spannende Lehrkonzepte und Veranstaltungsformate. Immer mit dabei: engagierte Student*innen, die mitgestalteten und sich einbrachten.

Die Highlights

Im Masterstudiengang setzten sich Studierende unter Leitung von Dagmar Korintenberg und Prof. Karin Kaiser z.B. mit „Neuen Formen des Portraitierens“ auseinander. Im Fokus standen Menschen mit marginalisierten Gruppenzugehörigkeiten und das schwierige Verhältnis zwischen Sichtbarkeit und Reproduktion von Konventionen und traditionellen Blicktraditionen. Im Kurs sollten durch eigene Gestaltungsthesen neue Formen des Portraitierens erforscht und methodisch entwickelt werden.

Der Bachelorkurs „Sehen und gesehen werden – Teilhabe visuell gestalten“ beschäftigte sich mit Inklusion und der Gestaltung barrierefreier Möglichkeiten, an gesellschaftlichen Prozessen teilzuhaben und die diese mitzugestalten. Im Austausch mit Pro Retina e.V. Konstanz und dem Künstler und Inklusionsberater Dirk Sorge (Berlin) entstanden Gestaltungsprojekte in unterschiedlichen Medien. Es ging aber auch hier, ähnlich wie im Masterprojekt, um das Sichtbarmachung unterschiedlichster Menschen sowie Fähigkeiten und Bedürfnisse.

Eine herausragende Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis bot die Vortrags- und Vernetzungsreihe „Constellations*“, die mit Unterstützung des Team Gleich stattfand. Das Ziel: Reflektieren über Vielfalt in professionellen Strukturen mit dem direkten Austausch verbinden. Neben Impulsen spannender Gestalter*innen wie Coco Lobinger und Lilot Kammermeier von Flint*ype und Nadine Friedel kamen z.B. Ladies*, Wine** & Design aus Stuttgart zu Besuch. Begleitet vom Wein der Winzerin Theresa Deufel aus Lindau und mit nichtalkoholischen Getränken fand ein inspirierender Austausch über Vielfalt und strukturellen Wandel in der Kreativbranche statt.

 

Zum Abschied baten wir Dagmar Korintenberg selbst um ein Résumé ihrer Zeit an der HTWG.

 

Wie haben Sie Ihre Zeit bei uns als Gastprofessorin erlebt?
D.K.: Nach 10 Jahren Erfahrung als Lehrbeauftragte machte es nochmals einen großen Unterschied als Professorin zu agieren. Die Professur bietet viel mehr Möglichkeiten und Gestaltungsspielraum. Spannend war, die Hochschule in all ihre Facetten kennenzulernen und Zeit zu haben, neue Formate zu entwickeln und umzusetzen, wie z. B. die Vortrags- und Vernetzungsveranstaltung Constellations*.

Was haben Sie an der HTWG gelernt?
D.K.:Ich hatte viele Erlebnisse, die mich bereichert haben, u.a. in der Zusammenarbeit mit den Mitgliedern von Pro Retina e.V.. Zu sehen, wie die Studierenden in diesem Kontakt neue Perspektiven auf Gestaltung und gemeinschaftliche Prozesse gewonnen haben, war eine sehr schöne Erfahrung.

Was davon ist für Ihre Arbeit besonders wichtig?
D.K.:Sowohl in der Lehre als auch in meiner gestalterischen Arbeit ist ein zentrales Element, gemeinschaftliche Prozesse zu erforschen, zu entwickeln und umzusetzen. Die Tätigkeit als Gastprofessorin hat mir hier vielfältige Einsichten und Möglichkeiten eröffnet: Ich hatte die Gelegenheit, neue Strukturen kennenzulernen, wie wir Hochschule gestalten können, nach innen gemeinsam im Kollegium und mit den Studierenden – aber auch nach außen um Netzwerke und Möglichkeitsräume zu schaffen. Auch die Selbstverwaltung und Gremienarbeit war hier für mich ein absoluter Mehrwert.

Was war das schönste Erlebnis?
D.K.: Eigentlich war die gesamte Gastprofessur ein Highlight. Ich hatte gleich einen sehr guten Start dadurch, dass ich so herzlich willkommen geheißen wurde. Auch das offene und wertschätzende Miteinander sowohl im Kollegium als auch mit den Studierenden war eine absolute Bereicherung. So konnte ich viele meiner Vorstellungen von Lehre umsetzen und durch den spannenden Austausch auch einige ganz neue Ansätze entwickeln.

Hat Sie etwas besonders beeindruckt?
D.K.: Beeindruckend war für mich zu erleben, wie sich die Studierende mit komplexen Themen wie der Verbindung von Diversity und Gestaltung auseinandergesetzt haben – wie sie damit gerungen, gemeinsam mit anderen einen Fokus gefunden haben und an den Herausforderung gewachsen sind. Aus einem Prozess heraus Lösungen zu entwickeln und zu erkennen, dass wir als Gestalter*innen handlungsfähig sind in den komplexen Herausforderungen unserer Welt, kann stärken und helfen Resilienz zu entwickeln.

Welche Herausforderungen gab es?
D.K.: Der Schienenersatzverkehr zwischen Konstanz und Stuttgart war für mich als Bahnfahrerin immer wieder eine Herausforderung.

Hat die Gastprofessur Ihre Erwartungen erfüllt?
D.K.: Insgesamt hat das Jahr als Gastprofessorin meine Erwartungen übertroffen.

Ihr ganz persönlicher Mehrwert der Gastprofessur in einem Satz:
D.K.: Ich habe jetzt eine große Gewissheit, dass die Arbeit als Professorin für mich äußerst bereichernd und sinnstiftend ist, dass ich hier Möglichkeitsräume gestalten und vielfältigste Verbindungen schaffen kann zwischen relevanten Themen, Menschen und Institutionen.


Wir danken Dagmar Korintenberg für ihr Engagement an der HTWG und wünschen ihr für die Zukunft alles Gute.

Fotos: Corinna Gratzl