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Bereit für die Digitalisierung von KMU

Eine Messehalle mit Besucher*innen.

Wie können sich kleine und mittlere Unternehmen auf die Digitalisierung vorbereiten? Das Forschungslab KMUdigital untersucht dies. Jüngst stellte es sich beim Ostschweizer Technologiesymposium vor.

Die Digitalisierung ist in vollem Gange. Die Internationale Bodensee-Hochschule begleitet mit ihrem IBH-Lab «KMUdigital» kleine und mittlere Betriebe in eine neue Realität – mit dem vereinten Know-how von zehn Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen. Das Management dieses IBH-Labs liegt bei der HTWG. Nun beginnt der Transfer von ersten Erkenntnissen, um Unternehmen der Bodenseeregion in eine erfolgreiche Position zu bringen.
«Es gibt viel Handlungsbedarf für die erfolgreiche Digitalisierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Bodenseeregion», sagt Christopher Köhler von der Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen. Er ist einer der Projektbeteiligten des IBH-Labs KMUdigital. Die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ist der Verbund von 30 Hochschulen rund um den Bodensee und initiierte 2017 die drei IBH-Labs «Active & Assisted Living», «Seamless Learning» und «KMUdigital», gefördert mit zehn Millionen Euro durch das Interreg-V-Programm «Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein». Das IBH-Lab KMUdigital unterstützt KMU der Bodenseeregion bei der Bewältigung, Umsetzung und Implementierung der rasant fortschreitenden industriellen Digitalisierung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich dafür mit Unternehmen in länderübergreifenden Einzelprojekten vernetzt. Die Projektpartner des IBH-Labs KMUdigital präsentierten sich letzte Woche am Ostschweizer Technologie-Symposium: Die ersten drei Einzelprojekte warten bereits mit Ergebnissen auf, drei neue Projekte wurden Anfang 2018 ins Leben gerufen.

Eine digitale Agenda für die Region

Christopher Köhler engagiert sich in dem Einzelprojekt «Digitale Agenda Bodensee»: Welche politischen, rechtlichen und organisationalen Rahmenbedingungen brauchen KMU, um in der digitalen Zukunft bestehen zu können? «Eine erste Analyse zeigt, dass beispielsweise das Glasfasernetz – insbesondere im ländlichen Raum – ausgebaut werden muss. Zudem fehlt der 5G-Standard als nächste Generation des mobilen Internets», so Köhler. Eine wichtige Rolle spielen auch der Datenschutz und die Frage des Verhältnisses zwischen menschlicher und maschineller Zusammenarbeit. Das Projektteam präsentiert seine Analyse in Form eines «Grünbuchs», am Donnerstag, den 18. Oktober 2018, öffentlich an der Zeppelin Universität, um es mit KMU-Praktikerinnen und -Praktikern zu diskutieren. «Zum Ende des Projektes veröffentlichen wir unsere Ergebnisse mit Handlungsempfehlungen in einem ‚Weißbuch‘ und adressieren dieses an politische Entscheidungsträger», führt Köhler aus. Nebst der ZU beteiligen sich die Hochschule Konstanz Technik Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) und die Fachhochschule St. Gallen (FHS) an dem Projekt.

KMU Schritt für Schritt begleiten

Eine zweite Projektgruppe veröffentlicht 2019 den «DigitalisierungsNavigator» - einen Leitfaden für Industrieunternehmen mit vielen Praxisbeispielen, mit dem KMU ihre eigene Digitalisierungsstrategie entwickeln können. «Der Marktdruck zur Digitalisierung ist enorm», weiss Christian Thiel, Professor an der FHS St.Gallen. Die gemeinsame Untersuchung mit der HTWG Konstanz, der Innerstaatlichen Hochschule für Technik Buchs (NTB) und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigt: Während einige KMU bereits weitgehend digitalisiert sind, stehen andere noch komplett im analogen Zeitalter. «Vielen KMU ist nicht bewusst, dass schon bald zahlreiche Geschäftsmodelle überflüssig werden», sagt Thiel. Der Leitfaden zeigt ihnen auf, welche Schritte sie nun gehen können.

Die digitalisierte Produktion simulieren

Ein drittes Projektteam, «i4Production», stellt KMU Produktions-Know-how zur Verfügung. Die HTWG Konstanz, die Fachhochschule Vorarlberg (FHV), die NTB Buchs und RhySearch, das Forschungs- und Innovationszentrum Rheintal, betreiben gemeinsam eine länderübergreifende Musterfabrik mit digitalisierten Produktionsprozessen und Lieferketten. «Welche Vorteile entstehen dadurch? Wie werden Partner eingebunden? Wo warten Probleme? KMU können mit unserer Simulation solche Prozesse durchspielen», erklärt NTB-Prorektor Andreas Ettemeyer.

Revolution von Nahrungsketten

Neu gestartet ist das Einzelprojekt «Digitale Landwirtschaft Bodensee». Dabei werden Musterprozesse für Brokkoli, Blumenkohl und Romensco analysiert und verbessert – von der Ernte bis ins Ladenregal: pflücken, waschen, wiegen, schneiden, abpacken und so weiter. Welche Technologien helfen dabei? Lukas Scherer, Professor an der FHS St.Gallen, denkt dabei an Ernteroboter, sogenannte Exoskelette, die Feldarbeiter entlasten und jedes Gemüse betreffend Grösse, Gewicht, Nährgehalt und Qualität prüfen. «Sie melden auch, wann wo welches Gemüse erntereif ist», so Scherer. Von der Wetterprognose über den Traktor bis zur Nachfrage im Ladenregal ist dank Sensoren alles digital vernetzt. «Das verhindert beispielweise, dass zu viel Gemüse auf den Markt gelangt, und so die Preise verfallen.» Das Projektteam von der FHS St.Gallen, der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg (DHBW) und der NTB Buchs beabsichtigt eine Online-Plattform zu entwickeln, die als Service- und Informationsdrehscheibe den verschiedenen Akteuren des Wertschöpfungsnetzes zur Verfügung steht.

Daten-getriebene Dienstleistungen, statt nur Produkte

Neue Services und Produkte auf der Basis von Daten und Analytik – darum geht es im neuen Projekt «Data Science für KMU»: Statt Fahrzeuge werden durchgeführte Transporte angeboten. Statt Produktionsmaschinen werden garantierte Stückzahlen «verkauft». Hersteller rüsten ihre Produkte mit Sensoren aus und übernehmen automatisch ihren Service, wenn Probleme auftauchen oder eine bessere Einstellung möglich ist. «Dafür müssen KMU mit Daten umgehen können», sagt Jürg Meierhofer von der ZHAW. Während Großkonzerne dafür einfach neue Abteilungen aufbauen, könnten KMU mit solchen Daten-getriebenen Services technologisch abgehängt werden. Jürg Meierhofer kann sich aber vorstellen, dass sich für die KMU in der Bodenseeregion gerade in dieser Situation neue, spannende Möglichkeiten bieten, um gemeinsam Know-how aufzubauen und Datenplattformen zu betreiben.

Die digitale Transformation managen

Wie schaffen KMU den disruptiven Wandel? Wie optimieren sie ihr Kerngeschäft und setzen gleichzeitig zukunftsfähige Innovationen um? Dafür entwickelt ein Projektteam der HTWG Konstanz, Universität St. Gallen und ZU in Friedrichshafen ein Handbuch für KMU. «Viele Geschäftsmodelle sind jetzt schon bedroht. Es geht darum, Chancen und Risiken dieses Wandels zu erkennen», erklärt Christoph Müller, Professor an der Universität St.Gallen. Wie bindet man die richtigen Experten für Innovationen ein? Welche Führungsstile eignen sich für die digitale Transformation von Unternehmen? In dem Einzelprojekt «Digital Transformation Guide» werden solche Fragen in Workshops mit KMU erarbeitet und die Erkenntnisse daraus in einem Handbuch zur Verfügung gestellt.

Alle Einzelprojekte des IBH-Labs KMUdigital eint der Ansatz, in enger Zusammenarbeit mit KMU interdisziplinär anwendungsorientierte Digitalisierungsstrategien und Lösungsansätze zu entwickeln, damit KMU der Vierländerregion Bodensee auch in der digitalen Transformation wettbewerbsfähig bleiben.

Digital Summit an der HTWG: Am Freitag, den 21. September 2018, haben Unternehmen auf der Innovationskonferenz «BODENSEE SUMMIT digital» die Möglichkeit, sich über die Erkenntnisse des IBH-Labs KMUdigital zu informieren und sich in Workshops und Challenge your Peers Sessions praxisorientiertes Wissen anzueignen.


Weitere Informationen unter:
www.kmu-digital.eu  
www.bodenseehochschule/ibh-labs
www.bodensee-summit.com