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Digitalisierung betrifft auch das Handwerk

Eine Frau mit VR-Brille auf dem Kopf und Steuerungssystem in der Hand von hinten fotografiert vor einem Bildschirm.

Schreiner, Sanitär- und Heizungstechniker, Schweißer – auch traditionelle Handwerksberufe sind von der Digitalisierung betroffen. Nur: Was ist Spielerei? Was eine echte Hilfe? Was dringend notwendig? Die Handwerkskammer Konstanz lud ihre Mitgliedsbetriebe zum Besuch in der Modellfabrik Bodensee Industrie 4.0 an der HTWG ein, um sich diesen Fragen zu stellen.

„Was vor 15 Jahren technisch möglich, aber nicht wirtschaftlich war, ist heute durchaus sinnvoll“, betonte Prof. Dr. Carsten Schleyer, Professor für Wertschöpfungssysteme. Er empfahl den Handerkern: „Sie müssen Geld verdienen – und dem Ziel entsprechend ableiten, was für Sie sinnvoll ist.“

Prof. Dr. Carsten Schleyer und Prof. Dr. Marcus Kurth, Professor für Automatisierung, haben die Modellfabrik Industrie 4.0 an der HTWG aufgebaut. Sie hat nicht zum Ziel, die Produktion in den großen, global agierenden Firmen der Zukunft vorauszusehen. Sondern: „Wir wollen kleinen und mittleren Unternehmen dabei helfen, wie sie die Möglichkeiten, die die Digitalisierung schon jetzt für sie eröffnet, gewinnbringend nutzen können“, erläuterte Prof. Kurth. Also gerade auch den Handwerksbetrieben der Region. Und so waren Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz unterschiedlichen Gewerken gekommen, um an der Führung unter dem Titel „Smart gedacht – die Produktion der Zukunft“ teilzunehmen.

Die Modellfabrik zeigt in verschiedenen, auf die Kunden individuell zugeschnittenen Programmen, wie die digitale Kette von der Entwicklung eines Produktes über die Produktion bis zum Vertrieb aussehen kann. Zum Beispiel ist eine virtuelle Fabrikplanung per Touch-Pad möglich. Die Fabrikplaner können einen virtuellen Gang durch ihre Fabrik unternehmen und in der 3D-Ansicht testen, ob und wie die Abläufe optimiert werden können.
In der eigentlichen Modellfabrik sind ganze Montageabfolgen prüfbar – ganz haptisch bei der Produktion von Getrieben oder eines Modellautos. Dem standen die Vertreterinnen und Vertreter des Handwerks teils noch verhalten gegenüber. Vorteilen in der effektiven Produktion gegenüber sahen sie Bedenken seitens der Kunden. Die Betreiber einer großen Schreinerei berichteten, dass ihre Produktion bereits stark digitalisiert arbeite. Doch die Kunden seien noch nicht gewohnt, mit den Möglichkeiten der Digitalisierung umzugehen. Sie schilderten ihre Erfahrung, dass Auftraggeber, die beispielsweise eine bestellte Küche bereits virtuell betrachten konnten, eher enttäuscht waren, als das reale Werk aufgebaut worden ist. „Die Emotionen, die Vorfreude und Spannung darauf, wie das Möbelstück oder der Parkett wohl wirken werden, gehen verloren“, berichteten sie.

Seitens der Handwerkskammer ist die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung intensiv: „Wir sehen große Chancen bereits in der Aus- und Weiterbildung zum Beispiel durch den Einsatz virtueller Realität“, sagte Dennis Schäuble, der den Besuch auf dem HTWG-Campus initiiert hatte.
Schon jetzt erarbeiten die Mitarbeiter der Modellfabrik im Auftrag des Deutschen Verbandes für Schweißen und verwandte Verfahren e.V. ein Trainingsprogramm. Mit Hilfe der VR-Brille und Controllern können Auszubildende Schweißnähte virtuell üben – ohne Verletzungsgefahr. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Lernkurve steiler ist, wenn die ersten Schritte in neuen Bewegungsabläufen virtuell eingeübt werden“, berichtete Prof. Kurth. Die Bereitschaft, Fehler zu machen, sei zunächst höher als in der Realität. Die Fehler, die Lernende in der virtuellen Realität gemacht haben, würden sie jedoch bei der realen Anwendung kaum mehr machen. Das virtuelle Training biete viele weitere Vorteile: Die Auszubildenden müssen zum Beispiel als Lackierer nicht unnötig mit umweltschädlichen Stoffen arbeiten, die auszubildende Firma spart Kosten, indem Verschleiß eingespart wird.

Der Besuch zeigte viele Möglichkeiten, wie Modellfabrik und Handwerk weiter zusammenarbeiten könnten. Und vor allem eines: Auch Handwerksbetriebe müssen sich mit der Digitalisierung beschäftigen. (aw)

„Zukunft im Blick“

Unter dem Motto „Zukunft im Blick“ widmet sich die Veranstaltungsreihe der Handwerkskammer Konstanz auch in diesem Jahr den Themen, die Landesregierung und Handwerkskammern im
Projekt „Handwerk 2025“ als die großen Herausforderungen für das Handwerk identifiziert haben, nämlich Personal, Strategie und Digitalisierung. Weitere Veranstaltungen in der Reihe unter www.hwk-konstanz.de/zukunft

Weitere Informationen zur Modellfabrik Bodensee.