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Geschichten von Toleranz und Hilfsbereitschaft überzeugen Jury

Olivia Morawiec, links, und Raphael Kunert, rechts, stehen auf einer Bühne und zeigen lachend ihre Urkunden.

Die Reise nach Berlin hat sich für die Studierenden der HTWG gelohnt: Raphael Kunert und Olivia Morawiec konnten den von der indonesischen Botschaft ausgeschriebenen Redewettbewerb klar für sich entscheiden.

Die Botschaft lädt jedes Jahr alle interessierten Nicht-Muttersprachler in die Hauptstadt ein, eine Rede oder eine Erzählung auf Indonesisch vorzutragen, um sowohl mit Sprachfertigkeit und rhetorischen Mitteln als auch mit inhaltlichen Ideen die Jury zu überzeugen.

Die HTWG-Studierenden können sich nun über eine einwöchige Reise nach Indonesien freuen, bei der sie nicht nur die Gewinner des Redewettbewerbs aus anderen Ländern kennenlernen, sondern auch den Feierlichkeiten am indonesischen Nationalfeiertag im Regierungspalast in Jakarta beiwohnen dürfen.

Kunert und Morawiec studieren im 7. Semester bzw. 8. Semester Wirtschaftssprachen Asien und Management Südost- und Südasien an der Hochschule Konstanz. Seit Beginn ihres Studiums lernen sie Indonesisch. Es war für sie die erste Teilnahme an dem Redewettbewerb, bei dem HTWG-Studierende schon fast traditionell zu den Titelanwärtern gehören.

Spinnen und Schlangen, Geld und Gold

„Wir haben spät von dem Wettbewerb erfahren, deshalb hatten wir nur eine Woche Zeit, uns vorzubereiten“, erzählt Olivia Morawiec. Beim Redewettbewerb können sich die Teilnehmenden entscheiden, ob sie eine Geschichte aus dem reichen Schatz der indonesischen Volkserzählungen und –märchen theatralisch nacherzählen wollen oder eine eigene Rede zu einem vorher durch die Botschaft festgelegten Thema vorbereiten. Zehn Minuten Zeit haben die Teilnehmenden, Publikum und Jury zu überzeugen. Eine besondere Herausforderung: Auch die Frau des indonesischen Botschafters saß in der Jury.

Olivia Morawiec hat sich für die Nacherzählung der Geschichte von „Bawang Merah and Bawang Putih“ entschieden. „Wörtlich übersetzt heißt das ‚rote Zwiebel und weiße Zwiebel‘“, erläutert sie. „Die in Indonesien sehr populäre Geschichte ist eine Mischung aus Frau Holle und Aschenputtel und hat wie unsere deutschen Märchen eine Moral: Sei gut, gerecht und hilfsbereit.“

Innerhalb von wenigen Tagen musste die Studentin die Geschichte für die dramatische Darbietung aufbereiten. Tatkräftige Unterstützung hatte sie dabei von Andi Nurhaina, Sprachlektorin für Indonesisch an der HTWG. „Ich war sicher vier oder fünf Mal bei ihr zu Hause und habe mit ihr den Text geübt“, sagt Morawiec.

Um die Erzählung bühnenreif zu machen, fügte die Studentin viele Dialoge ein und suchte sich passende Requisiten, ein geeignetes Kostüm. „Mit einem Kopftuch habe ich die böse Stiefmutter verkörpert, außerdem hatte ich zwei Kürbisse dabei. In einem waren giftige Tiere, Spinnen und Plastikschlangen, im anderen Geld und Gold. Das habe ich dann auf der Bühne herumgeschmissen“, erzählt die Morawiec. „Ich habe versucht, die Geschichte mit so vielen spielerischen Mitteln wie möglich zu erzählen. Ich glaube, das hat dem Publikum gefallen.“ Bei den Wettbewerbsbeiträgen bewertet die Jury sowohl Redefluss und Aussprache, aber auch das in Mimik und Gestik gezeigte non-verbale Ausdrucksvermögen.

Die Sprache sei aber nicht die größte Herausforderung gewesen, so die Studentin. Darin seien sie und ihr Kommilitone bereits geübt, denn beide haben bereits während ihres Studiums ein Jahr in Jogjakarta verbracht. Schwieriger sei es ihr gefallen, in die Rolle zu schlüpfen. „Ich war nie im Schultheater und fand es wahnsinnig schwierig, auf der Bühne zu schreien, zu gestikulieren. Aber je öfter ich geübt habe, desto mehr Spaß hat es gemacht.“

Wie tolerant sind die Indonesier?

Ihr Kommilitone Raphael Kunert wiederum hat die Jury mit seiner freien Rede überzeugt. Vorgegeben war lediglich das Thema: Toleranz. Auf eine witzige, ironische Art erörterte Kunert, ob Indonesier tolerant sind oder nicht. „Zunächst bin ich auf allgemeine Dinge eingegangen. Weil es in Indonesien viele Ethnien und Kulturen gibt, müssen sie ja in gewissem Maß tolerant sein“, erzählt er. Dann habe er über eine persönliche Erfahrung gesprochen, die er während seines Auslandsjahrs beim Hari Raya Idulfitri-Fests machte.

„Das Hari Raya Idulfitri-Fest ist das große muslimische Fest nach der Fastenzeit. Mein ehemaliger Mitbewohner ist Indonesier und hat mich eingeladen, mit ihm und seiner Familie daran teilzunehmen. Damit wollte ich vermitteln, dass Indonesier tolerant sind, weil sie mich eingeladen und mir ihre Religion und ihre Kultur nähergebracht haben, obwohl es ja nicht meine Religion, meine Tradition ist. Aber dann habe ich das Publikum geschockt, indem ich sagte, dass Indonesier für mich doch nicht tolerant sind – weil mich die Leute bei diesem Fest non-stop gezwungen haben, etwas zu essen“, lacht er. „Und als ich nach einem Tag dachte, das Fest sei zu Ende, ging es am nächsten Tag genauso weiter. Meine Schlussfolgerung war, dass ich diese Art der Intoleranz aber gern hinnehme.“

Auch Kunert wurde von seiner Sprachlehrerin Andi Nurhaina unterstützt: „Meine Rede habe ich selbst geschrieben, aber Ibu Andi hat mir geholfen, dass die Witze auf den Punkt kommen.“

Ironie in einer Fremdsprache anwenden – keine einfache Aufgabe. „Ich hatte schon Bedenken, ob das klappt, ob das Publikum bei meinem eingebauten Joke lacht oder nicht. Als sie gelacht haben, war das eine Erleichterung für mich. Ich stand auf der Bühne und musste selber lachen.“ Auch für ihn bestand die größte Herausforderung darin, vor Publikum aufzutreten. „Ich war davor total nervös, ich habe so etwas noch nie in meinem Leben gemacht“, erzählt er.

Die Erfahrung sei aber durchweg positiv gewesen – darin sind sich beide einig. „Es war gut, sich auf die neue Erfahrung einzulassen, aus der eigenen Komfortzone herauszukommen. Sich auch mal etwas zu trauen“, resümiert Kunert.