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Mehr Planungssicherheit ist dringend notwendig

Die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg (HAW) fordern vom Land die rückläufige Finanzierung der vergangenen Jahre durch zusätzlich 1.000 Euro im Jahr pro Studentin und Student zumindest teilweise zu kompensieren. Nur so können sie ihrer wichtigen Rolle in Baden-Württemberg gerecht werden und sich den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen erfolgreich stellen. Auch an der HTWG Konstanz teilt man diese Auffassung.

Schon vor über einem Jahr haben die HAW in Baden-Württemberg gegenüber dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) Alarm geschlagen, erhebliche Finanzierungslücken thematisiert und wiederholt auf die negativen Folgen der aktuellen Finanzierungsmechanismen hingewiesen. Diese würden die Ausgangslagen der verschiedenen Hochschularten ignorieren und insbesondere für die Hochschulen zu erheblichen Nachteilen führen, die die ambitionierten hochschulpolitischen Ziele des Landes durch die Entwicklung zusätzlicher, attraktiver und zukunftsorientierter Studienangebote maßgeblich getragen haben. Das zentrale Ziel des Hochschulfinanzierungsvertrages von 2015 (HoFV), die Grundfinanzierung aller Hochschulen um jährlich drei Prozent zu steigern, nützte denjenigen Hochschulen - und das sind vor allem die HAW - wenig, die stark gewachsen waren und deren Finanzierung gerade deshalb ohnehin auf den tönernen Füßen knapp bemessener und zeitlich befristeter Programme basierte.

15 Prozent weniger Finanzmittel

Das Ergebnis: Einer erheblich angewachsenen Studierendenzahl, vielen befristeten Stellenverhältnissen und einem starken Aufgabenzuwachs an den HAW stehen inflationsbereinigt auf Seite der Finanzierung im Vergleich zu 2007 jährlich rund 1.000 Euro weniger pro Studentin und Student gegenüber. Das entspricht einem Rückgang von etwa 15 Prozent. Hinzu kommt die schmerzhafte Kürzung der Bundesmittel um 700 Euro pro zusätzlicher Studienanfänger*in aus dem Ausbauprogramm kurz nach Unterzeichnung des HoFV. Davon wurden die ausbaustarken HAW ganz besonders hart getroffen. Infolgedessen hat sich die Wettbewerbssituation der HAW in Baden-Württemberg auch gegenüber einigen anderen Bundesländern deutlich verschlechtert.

Zum selben Ergebnis einer Finanzierungslücke von 1.000 Euro (pro Studierendenjahr) sind mittlerweile auch andere Hochschularten im Land gekommen und stimmen nun, mit Beginn der Verhandlungen zur Nachfolgeregelung des HoFV, in diese Forderung mit ein.

„Unser Dilemma wird schon im Koalitionsvertrag der Landesregierung thematisiert und anerkannt – leider jedoch bisher ohne Konsequenzen“, betont der Vorsitzende der HAW-Rektorenkonferenz (HAW BW e.V.), Bastian Kaiser. „Inzwischen bestätigen auch die Rechnungen anderer unsere Sorgen und auch das MWK kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Ein erfolgreicher Abschluss der aktuellen Finanzierungsverhandlungen im Sinne unserer Forderungen ist für die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschulen ein absolutes `Muss´!“

Kaiser betont: Die HAW benötigen die Gelder, um ihre Funktionssicherheit zu gewährleisten, das Studienplatzangebot auf dem derzeitigen hohen Niveau zu halten, die Belastungen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verantworten, die Qualität weiterhin zu sichern sowie ihrer wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Rolle angemessen gerecht werden zu können.

Auch die HTWG-Konstanz leidet unter diesem Dilemma, mit weniger Mittel in der Lehre mehr leisten zu müssen. Die sehr intensive Betreuung der Studierenden, seit jeher eine ihrer Stärken, droht ihre hohe Qualität einzubüßen. Das ist nur ein Beispiel. HTWG-Präsident Prof. Dr.-Ing. Carsten Manz benennt weitere Bereiche, in denen dringend mehr investiert werden muss: „Als Hochschule, die sich klar strategisch in Richtung Innovationsförderung, Interdisziplinarität, Internationalität und Vernetzung bei einem hohen Qualitätsanspruch positioniert hat, gilt es, die nötige Grundlage für eine zukunftsgerechte Ressourcenzuweisung zu realisieren. Programmmittel sind hier nur wenig hilfreich, wenn eine nachhaltige Zukunftsgestaltung im Vordergrund stehen soll. Eine reine Umschichtung von Mitteln auf Zukunftsthemen sichert nicht das Kerngeschäft. Die Beschäftigten der Hochschule werden häufig unnötig verunsichert, da bedingt durch ausgesprochene Befristungen eine Planungssicherheit nicht in gewünschtem Maße gegeben ist. Daueraufgaben, die sich über Jahre herauskristallisiert haben, sollten zukünftig auch im Stellenplan zu finden sein“.

Hochschulräte stärken den HAW den Rücken

In ihrer jährlichen Klausurtagung haben die Rektorinnen, Rektoren, Kanzlerinnen und Kanzler ihre Forderungen konkretisiert und diese mit Mitgliedern ihrer Aufsichtsräte (Hochschulräte) erörtert. Viele Hochschulrätinnen und Hochschulräte kommen aus Unternehmen im Land. Sie kennen und schätzen die Bedeutung der HAW deshalb aus verschiedenen Perspektiven. Eine besondere Bedeutung haben für sie auch die Innovationspotentiale der HAW-Forschung und ihre Transferleistungen, die gerade der mittelständischen Wirtschaft den Rücken stärken.

Die Mitglieder der Hochschulräte haben den HAW ausdrücklich den Rücken gestärkt: Sie unterstützen deren Forderungen mit Nachdruck, werden diese flankieren und zusätzlich stärken. Die Forderungen seien angesichts der aktuellen Lage an den Hochschulen dringend geboten und mindestens angemessen. Schließlich, so die Mitglieder, gehe es bei den zusätzlichen Forderungen aller Hochschularten zusammen genommen gerade mal um etwa 0,7 Prozent des Jahreshaushaltes von Baden-Württemberg – einem Bundesland, das zurecht immer wieder die Bedeutung der Bildung und die Probleme des Fachkräftemangels hervorhebe. Diese Einsicht müsse sich auch in einer verantwortlichen Finanzierung der anwendungsorientierten, arbeitsmarktnahen Hochschularten widerspiegeln.

Über ein Drittel der Studierenden in Baden-Württemberg sind an HAW eingeschrieben – darunter jede zweite zukünftige Ingenieur*in und Ökonom*in und mehr als zwei Drittel der ebenfalls so dringend benötigten Fachkräfte in sozialen Berufen. Während die Bedeutung der HAW in anderen Ländern offenbar erkannt wurde und durch zukunftsorientierte, deutlich gesteigerte Finanzierungsmodelle sowie strategische und strukturelle Entscheidungen und Gesetzesnovellierungen gestärkt wird, droht Baden-Württemberg hier den Anschluss zu verlieren.

„Nie waren die Möglichkeiten der HAW so groß und vielfältig, wie sie eigentlich heute sein könnten“, stellt Winfried Lieber, langjähriges Vorstandsmitglied der Rektorenkonferenz und seit über 20 Jahren Rektor der Hochschule Offenburg fest. „Um diese jedoch nutzen zu können, muss das Land den Rahmen schaffen, die Finanzierung deutlich erhöhen und planungssicher machen. Die Bundesregierung hat in ihrer Vereinbarung mit den Ländern deutliche Zeichen gesetzt. Jetzt ist es auch an Baden-Württemberg, diese Signale an die Hochschulen weiterzugeben und damit seiner hochschulpolitischen Verantwortung gegenüber der nächsten Fachkräftegeneration gerecht zu werden.“

Er bezieht sich damit auf den kürzlich erzielten Abschluss des „Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken“. Darin verpflichtet sich der Bund, von 2021 bis 2023 jährlich 1,88 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Ab 2024 wird die Summe auf 2,05 Milliarden Euro steigen. Die Länder steuern jeweils dieselbe Summe bei. Der Vertrag schließt an den auslaufenden Hochschulpakt 2020 an, dessen Gelder gerade für die ausbaustarken Hochschularten von großer Bedeutung sind.

Dieser Vertragsabschluss sollte den politischen Willen im Land zusätzlich stärken, den dringenden Bedarfen der HAW für die Jahre 2020 bis 2025 nachzukommen. Diese Forderungen lauten:

- Erhöhung ihrer jährlichen Grundfinanzierung um 1.000 Euro pro Studentin/Student,

- Überführung aller befristeter Programmmittel in die Grundfinanzierung (das sog. Plankapitel), sowie

- eine jährliche Dynamisierung der dann erreichten Gesamtfinanzierung auf auskömmlichem Niveau um drei Prozent, um nicht erneut in die Probleme einer schleichend rückläufigen Finanzierung zu geraten.

haw-pm/htwg