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Psychisch fit studieren

Eine junge Frau und ein junger Mann posieren neben einem Infotisch fürs Foto. An der Tischkante hängt ein Plakat mit dem Titel "Psychisch fit studieren".

Zum ersten Mal widmete sich eine Veranstaltung an der HTWG explizit einem Thema, was vielen auf der Seele brennt, worüber man aber nur selten offen spricht: Psychische Erkrankungen unter Studierenden.

 

Nur rund zwanzig Studierende von Uni und Hochschule Konstanz, hatten sich am 14. November zur Veranstaltung „Psychisch fit studieren“ in der HTWG eingefunden. Vermutlich deshalb, weil das Thema „Psychische Erkrankungen“ noch immer mit einem gewissen Tabu belegt ist. Dabei ist es auch für Studierende von einiger Relevanz. Experten gehen davon aus, dass 15-25 Prozent aller Studierenden im Laufe ihres Studiums davon betroffen sind. Nur: darüber spricht man nicht. Das will der  Verein „Irrsinnig Menschlich“ ändern. Seit 2003 gibt es den Verein, der Präventionsarbeit gegen die Stigmatisierung von psychisch Kranken leistet. Er klärt auf, an Schulen und seit letztem Jahr auch an Hochschulen. Das Ziel: Psychische und physische Erkrankungen sollen gleichwertig behandelt und bewertet werden. Vor allem wünscht man sich einen offeneren Umgang, denn was für körperliche Beschwerden gilt, gilt nicht minder für die seelischen: Wer zögert, sich ärztliche Hilfe zu holen, riskiert eine Verschlechterung seines Zustands.

Deshalb haben Seezeit und die Beratungsstellen von HTWG und Uni Konstanz Elisabeth Kucinski und Stefan Korn von „Irrsinnig Menschlich“ zu der Veranstaltung eingeladen. Alina Wolf, Leiterin der Studienberatung an der HTWG: „Wir wollen das Thema besprechbar machen, unseren Studierenden die Angst nehmen und Hemmschwellen abbauen.“ Neben einem informativen Teil über psychische Erkrankungen, stellten im Laufe des Nachmittags Berater/-innen der Hochschule Konstanz und der Seezeit ihre Hilfsangebote vor. Dass zum ersten Mal eine derartige Veranstaltung an der HTWG stattfindet, zeigt, dass allmählich ein Bewusstseinswandel eintritt, aber auch, dass das Thema in den Beratungen immer öfter eine Rolle spielt. Stefan Korn kann dies durch seine Erfahrungen aus Schulbesuchen bestätigen: Heute sei das Stresslevel, das bereits Schülerinnen und Schüler empfänden, viel höher als früher. Nach der Bologna-Reform ist auch an Hochschulen der Leistungsdruck gestiegen. Und nicht zuletzt tragen Verhaltensänderungen, die durch die Nutzung von Sozialen Medien bedingt werden, ihren Teil dazu bei.

Trotz psychischer Erkrankung erfolgreich studieren

Im ersten Teil der Veranstaltung stellte Stefan Korn Forschungsergebnisse vor. Diese zeigen: Studierende leiden vor allem unter Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen. Gerade in Übergangsphasen, wie z.B. dem Beginn des Studiums, sind Menschen besonders gefährdet. Warnsignale können beispielsweise ein steigender Alkohol- oder Drogenkonsum sein, das Abnehmen der Leistungsfähigkeit, eine Zunahme von Ängsten, Wut oder Rastlosigkeit oder von negativen Gedanken. Stefan Korn machte deutlich, dass eine psychische Erkrankung potentiell jeden treffen kann. Um das Risiko einer schweren Erkrankung zu vermindern, riet er dazu, die Grenzen der eigenen Belastbarkeit zu akzeptieren, die Dinge zu tun, die einem gut tun, den Studienalltag zu strukturieren, sich über Hilfsangebote zu informieren und diese im Krisenfall auch in Anspruch zu nehmen. Ihm und Alina Wolf war es wichtig, zu betonen, dass eine psychische Erkrankung nicht das Ende des Studiums bedeute. Wolf: „Selbstverständlich kann man auch mit einer psychischen Erkrankung sein Studium sehr erfolgreich abschließen.“

Dies kann Elisabeth Kucinski bestätigen. Sie hat ihr Studium sogar mit Bravour gemeistert. Allerdings, so berichtete sie, hat sie dafür viel Kraft aufwenden müssen. Mehr Kraft als andere. Ihre Rolle bestand bei der Veranstaltung „Psychisch fit studieren“ an diesem Nachmittag darin, als „persönliche Expertin“ von ihren eigenen Erfahrungen zu berichten. Kucinski litt unter einer Depression. Sie sagt, sie trug während des Studiums fast immer „eine Maske“, hinter der sie versteckte, wie es ihr wirklich ging. Der Auslöser, sich Hilfe zu suchen, waren psychosomatische Beschwerden. Sie suchte die psychosoziale Sprechstunde ihrer Hochschule auf und begann eine Therapie. Heute hat die ausgebildete Sprachtherapeutin ihren Traumberuf gefunden. Ihr habe es enorm geholfen, offen über ihre Krankheit zu sprechen, berichtete Kucinski. Bei ihren Kommilitonen sei sie damit ausschließlich auf Verständnis und Akzeptanz gestoßen. Sie warb für einen selbstverständlicheren Umgang mit dem Thema: „So etwas, was wir hier machen, hätte ich mir bereits in der Schule gewünscht.“. Dies ist auch ihre Motivation sich ehrenamtlich für „Irrsinnig Menschlich“ zu engagieren.  

HTWG bietet ihren Studierenden vielfältige Hilfe

Nach dem Input der beiden Referenten entspann sich eine rege Diskussion. Vor allem die Frage, ob man sich Lehrenden gegenüber offenbaren kann und sollte, spielte dabei eine große Rolle. Prof. Dr. Beate Bergé, Vizepräsidentin der Hochschule Konstanz, betonte, dass es der HTWG wichtig sei, ihre Lehrenden für dieses Thema zu sensibilisieren. Diese seien oft verunsichert, wie mit betroffenen Studierenden umzugehen sei. Aus diesem Grund erarbeitet die Hochschule momentan einen Leitfaden dazu. Bergé verwies in diesem Zusammenhang auf das Angebot von Seezeit, die Lehrende zu dieser Thematik berät. Sie appellierte an betroffene Studierende, sich frühzeitig Hilfe zu suchen, die Angebote der Hochschule zu nutzen. „Die Hochschule wird Sie bestmöglich unterstützen“, versicherte die Vizepräsidentin.

Diese Angebote gibt es für Studierende der HTWG mit psychischen Problemen:

Studienberatung HTWG

Psychosoziale Beratung (Ein Termin für ein persönliches Gespräch kann telefonisch oder per E-Mail vereinbart werden. Studierende finden hier Unterstützung bei Fragen, Problemen und anderen Anliegen rund um das Studium, wie z.B. Prüfungsangst, Konzentrationsstörungen, Identitätskrisen und psychosomatischen Beschwerden.)

Kursangebot der Psychosozialen Beratungsstelle, z.B. in Achtsamkeit und Stressbewältigung

Studis mit Studis (Das Projekt vermittelt studentische Tutor/-innen an Studierende mit einer psychischen Erkrankung, Behinderung, psychotherapeutischer Behandlung oder Studierende nach einer stationären Behandlung. Sie helfen ihnen beim Umgang mit Prüfungsangst, Unsicherheiten in sozialen Kontakten, den Wiedereinstieg in den Studienalltag und anderen Themen.)

Das anonyme Zuhörtelefon „Nightline“

Bildunterschrift: Elisabeth Kucinski und Stefan Korn vom Verein "Irrsinnig Menschlich".