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    "Die Datenschutzerklärung ist der Beipackzettel von heute."

    Eine Frau und zwei Männer sitzen miteinander im Gespräch auf einer Holzbank in einem lila-blau illuminiertem Raum.

    Der Wissenschaftstalk „Grenzgänger Wissenschaft“ geht ins dritte Jahr: Die erste Veranstaltung 2019 adressierte das Thema Nachhaltigkeit und Gesundheit. Zu Gast waren Prof. Dr. Britta Renner von der Uni Konstanz und Prof. Dr. Renato Dambe von der HTWG.

    Moderiert wurde der Abend von Frank Burose, Leiter des Kompetenznetzwerks Ernährungswirtschaft in Weinfelden. „Mit dieser Veranstaltungsreihe wollen wir erreichen, dass Sie Wissen nicht nur konsumieren, sondern dass Sie mitdiskutieren“, wandte er sich an die zahlreich erschienenen Zuhörer im Café Voglhaus in Konstanz. Aktiv beteiligen konnte sich das Publikum neben Diskussionsbeiträgen wie immer mittels Tele-Voting zu Live-Umfragen, deren Ergebnisse direkt in den Gesprächsverlauf mit einflossen.

    Eine dieser Frage lautete, ob man eine App nutzen würde, die über die Gesundheit von Lebensmitteln informiert – zum Beispiel beim Einkauf im Supermarkt. Damit war man mitten im Forschungsthema von Britta Renner: die Psychologie des Gesundheitsverhaltens mit den Schwerpunkten Ernährung und Risikowahrnehmung. Derartige Apps seien bislang nicht besonders informativ und nutzerfreundlich gestaltet, deshalb seien sie auch wenig nachgefragt, so Renners These. Die Reaktion aus dem Publikum bekräftigte diese Interpretation. Beim Thema gesunde und nachhaltige Ernährung helfe, mehr noch als Bildung und Wissensvermittlung, anwendbare und verständlich aufbereitete Information, postulierte Renner. Sie sprach in diesem Zusammenhang von einer „artgerechten Ernährungsumwelt“. Diese sei immer auch eine nachhaltige, das bedeute „auf eine Weise zu leben und sich zu ernähren, dass man weder sich selbst schädigt, noch andere Menschen oder künftige Generationen.“

    Zu einer artgerechten Ernährungsumwelt zählt Renner auch die Essensumgebung: „Wir brauchen nicht nur Appetit aufs Essen, sondern auch auf die Essensumgebung. Mensen und Kantinen sind oftmals Orte, an die man hin muss, weil es keine Alternative gibt, an die man aber eigentlich nicht hingehen will.“ Das aber läge nicht nur an den angebotenen Mahlzeiten, sondern auch am Ambiente. Ein vielversprechender Ansatz sei deshalb, so die Konstanzer Wissenschaftlerin, aus reinen Verpflegungsorten „Genussumgebungen“ zu machen – einen Ort also, der auch soziale Begegnung ermögliche. Sie schlug vor, in Schulen und KiTas damit anzufangen.

    Doch wie lassen sich Apps und Gesundheitsdaten datenschutzkonform aufbereiten? Nun bewegte sich die Diskussion auf dem Spezialgebiet von Professor Dambe von der HTWG. Er forscht zu IT-Management im Bereich E-Health mit einem Fokus auf IT-Sicherheit und Datenschutz. „ Ich will eine Lanze für den Datenschutz brechen“, sagte er in seinem Eingangsstatement, verwies jedoch gleich darauf, wie wichtig es sei, dass die Informationen dazu klar und anwendbar aufbereitet würden. So müsse z.B. bei Einwilligungserklärungen zum Datenschutz auf Websites darauf geachtet werden, dass die Leute verständen, um was es gehe und auch etwaige Probleme begriffen, so dass sie in der Lage seien, mündig über die Weitergabe ihrer Daten zu entscheiden. Auch hier gab die Live-Umfrage im Publikum seiner Aussage Recht. Nur rund 10 Prozente der Zuhörer gaben an, seit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung im Mai 2018 drei oder mehr Datenschutzerklärungen von Internetdiensten, die sie nutzen, auch wirklich gelesen zu haben. „Die Datenschutzerklärung ist der Beipackzettel von heute – sie wird als unabdingbar gesehen, jeder fordert sie ein, aber keiner liest sie“, resümierte Dambe. Wichtig sei, betonte der Arzt und IT-Experte, dass gerade sensible Gesundheitsdaten einem besonderen Schutz unterlägen.

    An dieser Stelle tue sich jedoch ein Dilemma auf, so Dambe: „Wir alle wollen von den neuesten medizinischen Erkenntnissen profitieren, die mehr und mehr datengetrieben sind, aber gleichzeitig sind wir nicht bereit unsere Daten weiterzugeben“. Dadurch stünden der Wissenschaft, die mit den Daten gemeinnützige Ziele verfolgt, weniger Daten zur Verfügung als privaten Unternehmen, die Daten zu rein kommerziellen Zwecken nutzen. Hinzu komme die im Datenschutz verankerte Zweckbindung der Datenerhebung. Er entwickelte aus diesem Dilemma den Lösungsansatz der „Datenspende“, ähnlich einer Organspende. Es sollte Menschen ermöglicht werden, ihre Daten an Akteure aus Wissenschaft und Forschung zu spenden, die verantwortungsvoll mit den Daten umgehen und sie sinnvoll nutzen, forderte Dambe. Um das zu erreichen, müsse es ein niederschwelliges Angebot geben, Transparenz über Verfahren und Anwendung gewährleistet sein und natürlich müsse das Angebot freiwillig sein, wenn auch als Opt-Out-Modell gestaltet. Die Datenspende könne so zu einer wertvollen Ressource für die Wissenschaft werden, bilanzierte Dambe.

    Hintergrund:

    Seit dem Jahr 2016 gibt es den Wissenschaftstalk „Grenzgänger Wissenschaft“. Über Fachdisziplinen und Landesgrenzen hinweg soll die Veranstaltungsreihe der Austausch zwischen Forschenden aus der Schweiz und Deutschland ermöglichen. Alternierend in Konstanz und Kreuzlingen treffen sich Wissenschaftler/innen von der HTWG Konstanz, der Universität Konstanz und der Pädagogischen Hochschule Thurgau zu einer Diskussionsrunde im öffentlichen Raum. Denn neben den Landesgrenzen soll auch die vermeintliche Grenze zwischen Wissenschaft und Gesellschaft überwunden werden. Die Veranstaltungen werden vom DenkRaumBodensee gefördert.(Text und Foto: Yvonne Martin)

    Mehr Informationen zur Veranstaltungsreihe "Grenzgänger Wissenschaft"