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Über den Tellerrand hinaus

10.05.2019

Bei der Mensaführung verrät HTWG-Küchenchef Eberhardt die Rezeptur eines gelungenen Kantinenmanagements.

400-500 belegte Brötchen gehen jeden Tag über die Theke der Cafeteria an der HTWG. Stehen Pommes auf dem Speiseplan der Mensa, braucht es davon an einem normalen Tag 270 Kilogramm, um die Studierenden satt zu kriegen. Rund zwei Drittel aller Mittagessen werden im Zeitfenster von nur dreißig Minuten ausgegeben und das können gut und gern 800 Mahlzeiten sein. Hinter der Theke trifft man aber fast immer auf gut gelauntes und relaxtes Personal. Man fragt sich: Wie machen die das? Grund genug, um an einer Mensaführung teilzunehmen, einen Blick in die Zauberküche der HTWG zu werfen und sich von einem Profi die Rezeptur dafür erklären zu lassen.

Mensachef ist Helmut Eberhardt. Rotes Halstuch und die Kochjacke verraten den gelernten Koch. Er begrüßt die Teilnehmer/-innen der Mensaführung, die sich pünktlich um 10 Uhr morgens eingefunden haben und verteilt erst einmal weiße Kittel und „Badehauben“. Diese müssen aus Hygienegründen getragen werden, bevor wir die Mensa-Räume durch den Hintereingang betreten dürfen. Eberhardt strahlt Gelassenheit und gute Laune aus und wird die vielen Fragen während der Mensaführung geduldig und kompetent beantworten. „Ein alter Hase“ denkt man und ist ein wenig erstaunt zu hören, dass er erst seit September 2018 in der Mensa der HTWG arbeitet. Als Mensaleiter hat Eberhardt viele Managementaufgaben. Dazu gehört (gemeinsam mit seinem Stellvertreter Peter Schöner) beispielsweise die Führung der Mitarbeiter/-innen, die Speiseplangestaltung, Planung der Bestellmengen und Veranstaltungen. Er will die Abläufe in der Mensa so gestalten, dass seine Gäste zufrieden sind mit Service und Angebot. Funfact am Rande: Unter seinen Azubis befand sich Ende der 90er-Jahre auch Fernsehkoch-Star Tim Mälzer.

Die Mensaführung beginnt am Wareneingangsbereich. Nun ganz in weiß gekleidet dürfen die Teilnehmer/-innen einen Blick in Kühlräume und den begehbaren Eisschrank werfen. Sämtliche Waren für Cafeteria, Mensa und Strandbar werden hier zentral angeliefert. Gut gekühlt lagern frische Waren, Dutzende Kästen Bier und Softdrinks stapeln sich bis unter die Decke. „Nach einem heißen Tag an der Strandbar ist das weg“, kommentiert Eberhardt. So viel? Aber klar: Wer 270 Kilogramm Pommes isst, hat danach auch einen ordentlichen Durst…

Einer der Kühlräume der HTWG-Mensa.

Bio-Rind und RECUP. Das Thema Nachhaltigkeit

Dann zeigt uns Eberhardt den Aufbewahrungsraum für Servietten, Pappbecher und andere Einweg-Produkte. Und schon sind wir bei einem Thema, das dem Mensachef offensichtlich am Herzen liegt: Nachhaltigkeit. Dass 2000 Pappbecher pro Woche an der HTWG verbraucht werden, gefällt ihm gar nicht. „Wir hätten gern, dass noch mehr Studierende auf das RECUP-System umschwenken“, betont er. RECUP ist ein deutschlandweites Pfandsystem für Coffee-to-go Mehrwegbecher, das Seezeit vor kurzem an all ihren fünf Mensastandorten eingeführt hat. Ein Euro Pfand kostet der Becher – ein kleiner Schritt der Umstellung für den Einzelnen, ein großer Schritt Richtung Nachhaltigkeit für alle.

Die Mensaführung nimmt die Treppe in den ersten Stock. In einem Vorratslager werden die haltbaren Lebensmittel gelagert. Mittels großer, metallener Steuerräder lassen sich die einzelnen Regale auseinanderfahren. Fast erwartet man, dass hier Akten lagern und nicht Fünf-Kilo-Säcke Nudeln. „Sieht ein bisschen aus wie in der Gauck-Behörde, oder?“, scherzt Eberhardt. A propos Nudeln: Auch in den Kochtöpfen zeigt sich das Studierendenwerk umweltbewusst: Fast alle Pasta, die in der Mensa der HTWG auf den Teller kommt, stammt aus ökologischer Landwirtschaft. Auch der Kaffee, Tee und die Milch für den Kaffee sind „bio“. Eberhardt betont: „Es muss ein Umdenken in der Gesellschaft passieren. Wir können hier Vorreiter sein und durch die großen Mengen, die wir abnehmen, etwas bewegen.“ Wer auf Bio-Qualität auch beim Fleischkonsum Wert legt, sollte sich an mit Stern im  Speiseplan gekennzeichneten Rindfleisch-Gerichte halten, denn das Fleisch ist Bioland-zertifiziert. Das andere Fleisch hat keinen Öko-Standard, die Seezeit achtet aber auf eine möglichst artgerechte Tierhaltung. Was das genau bedeutet, lässt sich auf der Website des Studierendenwerks Seezeit nachlesen. In der Mensa Gießberg an der Uni Konstanz gibt es sogar täglich ein Bio-Essen.

Eine Frage der Logistik

Per Monitor lässt sich verfolgen, wie viele Gerichte bereits verkauft wurden.

Drei Mal pro Woche wird die HTWG-Mensa mit Frischware beliefert. Das Gemüse wird aber nur zum Teil selbst in der Mensa vorbereitet, das meiste wird bereits vorverarbeitet angeliefert. Gekocht wird nach einer festen Rezeptur, die für alle Mensen gleich ist. „Durch die vorgegebene Rezeptur weiß man auch genau, welche Allergene enthalten sind und kann sie entsprechend auf der Karte aufführen“, erklärt Eberhardt.  Nicht nur die Rezepturen, auch die Auswahl der Gerichte ist in den verschiedenen Hochschulmensen von Seezeit grundsätzlich identisch. Der Unterschied ist, dass – je nach Größe der Hochschule – noch zusätzliche „Linien“ angeboten werden, wie beispielsweise die erwähnte Bio-Linie. So hat die HTWG jeden Tag drei Gerichte im Angebot, die Uni-Mensa sieben.

Der Einkauf wird ebenfalls zentral für alle fünf Seezeit-Mensen an den Standorten Konstanz, Friedrichshafen, Ravensburg und Weingarten geregelt. Bestellungen gehen circa drei Wochen vorher raus. Indem man versucht, möglichst viele Bestellungen zu bündeln, lassen sich Ressourcen sparen und der Einkauf wird so effizient wie möglich gestaltet. Das bedeutet, dass die Auswahl der Gerichte über Wochen voraus geplant werden muss. Dabei werden die Studierenden der HTWG abwechslungsreich und ausgewogen verpflegt: Dieselben Gerichte erscheinen im Rotationsprinzip nur alle sechs Wochen auf dem Speiseplan. Und die Studierenden können täglich aus drei verschiedenen Angeboten wählen, ein vegetarisches Gericht ist immer dabei.

Welche Gerichte auf den Speiseplan kommen entscheidet der Produktmanager der Seezeit in enger Zusammenarbeit mit den Mensaleitern. In die Auswahl fließen Kundenwünsche mit ein, aber auch logistische Überlegungen, ob Speisen in den benötigen Mengen hergestellt werden können mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen, ob die Rohstoffe wie gewünscht verfügbar sind, wie das Speisenangebot gestaltet werden kann, dass sich nicht alle nur für ein Menü entscheiden etc. Aktuell lotet Küchenmeister Eberhardt gerade aus, wie sich mehr saisonale Gerichte auf den Speiseplan bringen lassen.

Die Lieblingsgerichte der Studierenden

Die Frage, die alle interessiert, muss an dieser Stelle natürlich auf den Tisch: Was essen die Studierenden am liebsten? Keine große Überraschung: Ganz vorn liegen Currywurst, Schnitzel und Cordon Bleu. Am besten verkaufte sich im letzten halben Jahr das Weihnachtsessen. Rund 1350 Teller landeten in hungrigen Mägen. Isst Eberhardt eigentlich selbst in der Mensa? „Klar! Besonders gern ess‘ ich die Lasagne“.

Kochen im XXL-Format

Nun nähert sich die Mensaführung dem eigentlichen Kochbereich. Hier ist alles ein wenig größer dimensioniert: Die mexikanische Reispfanne, die heute auf dem Speiseplan steht, kocht in einem 150 Liter fassenden „Schnellkochtopf“ vor sich hin. Im Vergleich zu den hier vorhandenen Schneebesen, Schöpfkellen und Sieblöffeln nehmen sich die aus der eigenen Küche wie Kinderspielzeug aus. Ein Gericht mal versalzen? Is‘ nicht. Bei den Mengen fällt es nicht auf, wenn der Koch verliebt ist und sich ein wenig vertut, da müsste schon ein größerer Unfall passieren. Der Blick fällt auf einen Monitor, der über der Tür befestigt ist, die zur Mensatheke hinausführt. Helmut Eberhardt erklärt, dass hier im laufenden Betrieb kontinuierlich angezeigt wird, wie viele Portionen bereits von einem Gericht verkauft wurden. So lässt sich in der „Produktion“ erfassen, ob der Bedarf besteht nachzukochen – sofern das möglich ist.

Selbstverständlich wird die Anzahl der Essen, die täglich verkauft wird, genau erfasst und der Einkauf wird an die Nachfrage angepasst. Dennoch bleibt Essen übrig. Was geschieht damit? „Was nicht gegessen wird und draußen im Verkauf war, wandert in den Müll, das ist Vorschrift“, sagt Eberhardt. Es wird einer Biogasanlage zugeführt und so immerhin noch in Energie umgewandelt. Ganz genau kann der Küchenmeister nicht sagen, wieviel Abfall täglich anfällt. Über den Daumen gepeilt seien es pro Woche drei bis fünf Bio-Mülltonnen mit einem Fassungsvermögen von 120 Litern. Das scheint für einen Großbetrieb eigentlich wenig.

„Was ist mit der Tafel? Könnte man das Essen, das übrigbleibt, nicht einfach dorthin liefern?“, möchte ein Student wissen. „Das geht leider nicht“, bedauert Eberhardt. „Die Gesetzgebung hat sich geändert. Vor einigen Jahren war es noch möglich, Überproduktion an Landwirte weiterzugeben. In einem Betrieb, in dem ich früher gearbeitet habe, kam der örtliche Bauer und hat die Rest abgeholt, um sie an seine Schweine zu verfüttern.“

Stapeln will gelernt sein

Mensachef und Küchenmeister Helmut Eberhardt vor der "Waschstraße" der HTWG-Mensa.

Langsam nähert sich die Mensa-Führung ihrem Ende, die letzte Station ist die Geschirr-Rückgabe. Hier läuft ein Band, das automatisch das Besteck aussortiert. Teller und Tassen müssen händisch in den Spülapparat geräumt werden. Eberhardt erklärt, warum es sinnvoll ist, sein Geschirr so aufs Band zu stellen, wie vorgesehen, also beispielsweise nichts übereinanderzustapeln: „Wenn Schüsseln gestapelt sind, von denen die obersten leer, die untersten aber voll sind, verursacht das zusätzliche Arbeit. Es wäre gut, wenn ihr darauf achtet. Das ist für uns eine enorme Erleichterung. Für euch ist es bloß ein schneller Handgriff, aber man kann sich leicht vorstellen, dass das bei über 1000 Essen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen ziemlichen Mehraufwand bedeutet.“

18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Mensa der HTWG beschäftigt, darunter drei Köche. Einige von ihnen starten ihren Arbeitstag dann, wenn die letzten Studierenden nach dem Feiern zu Bett gehen: Bereits um 6 Uhr morgens startet der Betrieb an der Mensa. Rushhour, der Zeitpunkt also, wenn sämtliches Personal im Haus ist, ist  um 11 Uhr. Wer früh loslegt, kann auch früh wieder nach Hause: Um 13 Uhr gehen die ersten bereits in den wohlverdienten Feierabend. Helmut Eberhardt selbst fängt auch meist um 6 Uhr an zu arbeiten.

Und in den Semesterferien? Es gibt zwar seit ein paar Monaten auch einen eingeschränkten Essensbetrieb in den Wintersemesterferien, aber weil die Studierenden keine Vorlesungen haben, ist in dieser Zeit natürlich weniger zu tun. „In den Sommer-Semesterferien machen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen längeren Urlaub – so wie die meisten Studierenden“, sagt Eberhardt. „Die unterschiedliche Arbeitszeitbelastung lässt sich übers Jahr ganz gut planen, durch Überstundenabbau und ähnliches.“ Auch für ihn persönlich hat die Tätigkeit bei Seezeit klare Vorteile: „Es ist einfach schöner, wenn man feste Arbeitszeiten hat und an den Wochenenden frei und man dann etwas mit seiner Familie unternehmen kann.“ 

Feedback ist erwünscht

Eberhardt arbeitet gern an der Hochschule Konstanz. „Ich mag den Umgang mit den jungen Leuten. Meine Erfahrung ist, dass sie mehr am Thema Nachhaltigkeit interessiert sind als Kunden in anderen Betrieben. Und die Kommunikation ist wesentlich direkter“. Deshalb weist er auch noch einmal darauf hin, bei Kritik oder Verbesserungswünschen die Feedback-Bögen auszufüllen, die in der Mensa ausliegen. „Ich lese die. Und wir versuchen, gute Anregungen umzusetzen. Es kann aber eine Weile dauern, weil eben viele Aspekte berücksichtigt werden müssen und ich nicht allein für die HTWG entscheiden kann.“

Die Reaktion der Studierenden auf die Mensaführung ist sehr positiv. Eberhardt wird mit Applaus verabschiedet. „Jetzt erst mal essen gehen“, sagt ein Student.  

Noch Fragen?

Viele weitere nützliche und interessante Informationen zur Mensa der HTWG findet man auf der Website von Seezeit.

https://www.seezeit.com/essen/