Blick auf geopolitische Ambitionen in der Schwarzmeer/Kaspischen Region
Prof. Dr. Erdal Yalcin ist Mitglied einer Expertengruppe, die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ein Policy-Paper zu „Antagonismen in der Nachbarschaft der Europäischen Union“ erstellt hat. Yalcin hat darin die Türkei in den Fokus genommen.
Die Region um das Schwarze und Kaspische Meer in der unmittelbaren EU-Nachbarschaft ist politisch stark in Bewegung und droht zunehmend zur Konfliktzone zu werden. Über die völkerrechtswidrige Annexion der Krim hinaus baut Russland seine Vormachtstellung weiter aus – militärisch, politisch und wirtschaftlich. „Es bilden sich Handlungsmuster heraus, die schleichend das Kräftegleichgewicht in der Region verändern, die ein strategisch wichtiger Korridor für Handels- und Energierouten zwischen Europa und Asien ist“, schreibt die Bertelsmann-Stiftung in der Zusammenfassung eines nun veröffentlichten Policy-Papers. Neben Russland erweiterten China und die Türkei ihren Einfluss, aber auch Iran und Saudi-Arabien.
Wie diese „Schlüsselstaaten“ interagieren, welche Motive sie leiten und wie Berlin und Brüssel europäische Interessen wahrnehmen können, analysieren Expertinnen und Experten in dem Policy Paper „Antagonismen in der Nachbarschaft der Europäischen Union – Geopolitische Ambitionen in der Schwarzmeer-/Kaspischen Region“.
Unter den Autor*innen ist Prof. Dr. Erdal Yalcin, Professor für internationale Wirtschaftsbeziehungen im Studiengang BWL. Er hat das Kapitel über die Situation der Türkei mitverfasst. Yalcin sieht darin die Sicherheitspolitik Ankaras am Scheideweg und betrachtet insbesondere die Interessenkollisionen mit Russland, der EU und den USA. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sieht er keine Alternative zum Europäischen Binnenmarkt.
Zusammenfassend empfiehlt Prof. Erdal Yalcin: „Die EU kann langfristig einen positiven Einfluss auf die europapolitische Ausrichtung der türkischen Außenpolitik nehmen, indem sie Ankara eine Wiederaufnahme tieferer politischer Kooperation in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen anbietet. Eine mögliche Grundlage bieten dafür Verhandlungen über die von der Türkei schon lange angestrebte Visa-Liberalisierung oder die Modernisierung der Zollunion. Es ist jedoch aus EU-Sicht schwierig, den Perspektiven Visa-Liberalisierung oder Modernisierung der Zollunion neue Impulse zu verleihen, solange die bürgerlichen Freiheiten in der Türkei eingeschränkt bleiben und Ankara die Spannungen im Mittelmeerraum weiter verschärft. Die EU sollte gleichwohl weiter versuchen, ihre Beziehungen zu Ankara in eine weniger konfrontative Richtung zu verlagern.“ (aw)
Weitere Informationen und Download des Papers auf den Seiten der Bertelsmann-Stiftung
Foto: Blick von der armenischen Hauptstadt Jerewan auf den in der Türkei liegenden Ararat.
Bildquelle: Wischer