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Wie wirken Luftfilter in geschlossenen Räumen?

Aus der Not eine Tugend gemacht haben Student*innen im Fach Strömungsnumerik (CFD) im Bereich Verfahrens- und Umwelttechnik. Sie haben die Virenübertragung in Räumen und die Wirkung von Luftfiltern untersucht.

Corona hat das Leben vieler Menschen in den vergangenen Monaten stark verändert, auch die Lehre an der Hochschule. Auch das Fach Strömungsnumerik (CFD) im Bereich Verfahrens- und Umwelttechnik war davon betroffen. Aber: „Der Unterricht wurde so gestaltet, dass mit der Methode der Strömungsnumerik selbst gleich Erkenntnisse für die Pandemie bzw. die Virenübertragung in geschlossenen Räumen gewonnen werden konnten“, erläutert Prof. Dr. Peter Stein.

Numerische Strömungsberechnung wird vielfältig eingesetzt, und wie es der Name bereits sagt, werden damit die Bewegungen von Fluiden am Computer berechnet. Auf diese Weise berechnen und entwickeln Ingenieur*innen verschiedenste technische Komponenten wie z.B. Turbinenlaufräder, Belüftungsanlagen oder auch technische Mischer. Prof. Stein sagt: „Somit ist die Methode auch optimal geeignet um z.B. das Strömungsverhalten von kleinen Partikeln, hier Aerosolen, in einem Raum abzubilden und zu beobachten, wie z.B. eine Luftfilteranlage in einem Raum sich auf die Aerosolbelastung und Verteilung auswirkt.“ Außerdem könne mit der Methode auch untersucht werden, mit welchen Maßnahmen die Aerosolbelastung und damit das Risiko einer Infektion der Personen im Raum reduziert werden kann.

Nachdem die Student*innen zuerst die Theorie mit all ihren Fallstricken kennengelernt hatten und auch in die Strömungsberechnungssoftware ANSYS CFX eingearbeitet waren, wurde ihnen die Aufgabe gestellt, einen Vorlesungsraum mit Student*innen und Dozent*in zu berechnen. Dabei musste jede*r mit einer anderen Verteilung an „infizierten“ Personen im Raum arbeiten. Auf diese Weise ergab sich eine Ausgangssituation (siehe Bild oben: Das Bild zeigt einen Vorlesungsraum mit Dozent*in und Student*innen, wobei zwei Personen infiziert sind und Aerosole ausscheiden. Gesundheitlich belastende Gebiete sind mit den Kugeln markiert. Im Eck steht eine Luftfilteranlage, welche die eingesaugte Luft von Aerosolen befreit. Quelle: Prof.Dr.P.DSteinmit der Software ANSYS CFX R19 ACADEMIC"

Für den Unterricht wurde die von ANSYS kostenfreie Academic Lizenz verwendet, weswegen die Leistung limitiert war und die Figuren als vereinfachte Objekte modelliert waren. „Auf die strömungstechnischen Grundaussagen und für den Lerneffekt im Unterricht hat diese Vereinfachung aber keinen relevanten Einfluss“, betont Prof. Stein.

Der gewählte Luftfilter entsprach einem im Handel erhältlichen Modell mit den technischen Angaben aus den entsprechenden Datenblättern. Grundsätzlich zeigten die Berechnungen, dass mit einem solchen Luftfilter die Gesamtkonzentration der Aerosole in der Luft auf einem niedrigen Niveau gehalten werden kann, so dass ein Großteil der Personen im Raum im Mittel kaum einer hohen Belastung ausgesetzt ist. Nur für direkte Nachbarn könne es zu höheren Konzentrationen kommen. Allerdings hätten die Untersuchungen auch gezeigt, dass das gewählte Modell nicht optimal für die allgemeinen Strömungsbedingungen funktioniert, sagt Prof. Stein und führt aus: „Durch die Körperwärme bzw. die höhere Temperatur der ausgeatmeten Luft steigen die Aerosole an die Decke, womit sich hier die höchste Konzentration ergibt. Abgesaugt wird die belastete Luft im Luftreiniger aber am Boden.“

Außerdem sei der Auslass der gereinigten Luft so gestaltet, dass er sich zu nah bei der angesaugten Luft befindet und somit ein Teil schon gereinigter Luft wieder eingesaugt wird, was eine höhere benötigte Leistung zur Folge habe:

Das Bild zeigt die Strömung um den Luftfilter, wobei die Vektoren die Strömungsrichtung anzeigen. Quelle: Lena Thaidigsmann mit der Software ANSYS CFX R19 ACADEMIC

 

Prof. Stein freut sich, dass die Student*innen als angehende Ingenieur*innen diese Probleme gut erkannt und Abhilfemaßnahme untersucht haben, wie z.B. eine Modifikation am Luftfiltereinlass und eine neue Position der Anlage:

Das Bild zeigt eine optimierte Luftfilteranlage mit optimierter Position. Quelle: Lena Thaidigsmann mit der Software ANSYS CFX R19 ACADEMIC

„Damit wurde der Sinn der zugrundeliegenden Aufgabe optimal erfüllt“, so Prof. Stein. „Die Student*innen haben nicht nur die numerische Strömungsberechnung als solche kennengelernt, sondern auch anhand einer praktischen Anwendung ein aktuelles Problem bearbeitet und verschiedene Erkenntnisse zum Thema Luftfilteranlagen in Unterrichtsräumen gewinnen können.“ So sei unter anderem auch gut erkannt worden, dass in der kalten Jahreszeit an den Fenstern die Luft mit ihren Aerosolen zu Boden sinkt und somit hier eine erhöhte Konzentration zu erwarten ist:

Das Bild zeigt, wie sich aufgrund der Temperaturen im Raum an den kälteren Fenstern eine erhöhte Aerosolkonzentration ergibt. Quelle: Kilian Nuss mit der Software ANSYS CFX R19 ACADEMIC

„Solche Erkenntnisse können eine wichtige Hilfe bei der Positionierung von Luftfiltern sein, auch wenn sie stets mit Vorsicht interpretiert werden müssen, da z.B. beim Fenster oft Heizkörper stehen, die der hier gezeigten nach unten gerichteten Strömung entgegenwirken“, räumt Prof. Stein ein. Für die Student*innen selbst war die Übung eine spannende Erfahrung, so schlussfolgerte die Studentin Lena Thaidigsmann: „Durch den Kurs konnte ich erste Kenntnisse zur numerischen Berechnung von Strömungsproblemen aller Art mittels Software erlangen. Mit der Auslegung eines Raumluftfilters zur Minimierung von COVID19 Aerosolen konnte ich damit ein sehr aktuelles Thema bearbeiten. Das Vorwissen von der Strömungslehre und Thermodynamik konnte ich sehr gut einsetzen, um das errechnete Modell zu beurteilen, aber auch kritisch zu hinterfragen. Dass die Ergebnisse einer CFDRechnung unbedingt mit großer Vorsicht betrachtet werden sollte, zeigte mir die Untersuchung von unterschiedlichen Diskretisierungsarten. Abgeschreckt hat mich diese Tatsache allerdings nicht, sondern motiviert, es im späteren Berufsleben weiter zu vertiefen und einsetzen zu wollen.“