Zurück zur Übersicht

Wo Unmögliches möglich wird

01.10.2018

Grenzen sind nicht immer da, wo man sie vermutet: Das zeigte das Bootcamp des Open Innovation Labs

„Kann vielleicht mal jemand Musik anmachen? Die Stille hier ist ja kaum auszuhalten“, sagt Magdalena Lingenfelser lachend. Die Kommunikationsdesign-Studentin arbeitet hochkonzentriert mit Informatik-, Bauingenieurwesen-, Maschinenbau- und BWL-Studierenden im Open Innovation Lab. Als Besucherin im Labor fragt man sich tatsächlich, ob mit den eigenen Ohren wirklich alles in Ordnung ist, so niedrig ist der Geräuschpegel. Obwohl hier Ideen nur so sprudeln.
Die Ideen? Produkte und Dienstleistungen, die eine Ausgründung ermöglichen könnten. Produkte und Dienstleistungen, bei denen man sich fragt, warum noch keiner sie früher entwickelt hat. Wie zum Beispiel ein modulares Dirndl, ein faltbarer Fahrradkorb oder ein Kräuterbrett für die Küche - mit eingebautem Bewässerungssystem.

An fünf Gründerideen arbeiten die 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bootcamps im Open Innovation Lab (OIL) – in ihrer vorlesungsfreien Zeit! Zwei Wochen lang wurde das OIL zu ihrem Feriendomizil der anderen Art. Füße hochlegen stand in dieser Zeit nicht auf dem Programm unter dem Motto „start, make, innovate“. Stattdessen Workshops, Vorträge und viel gemeinsames Hirnen, Ausprobieren, Machen. Und: Grenzen überschreiten. „Grenzen sind nicht immer da, wo man sie vermutet“, sagt Klaus König, Mitarbeiter im OIL, der das Bootcamp gemeinsam mit den Mitarbeitern von Kilometer 1, der Gründerinitiative von HTWG und Universität Konstanz, konzipiert hat. Die BWL-Studentin Magdalena Lingenfelser bestätigt: „Es geht tatsächlich mehr, wenn man sich erstmal traut.“ Sie weiß, wovon sie spricht. Denn niemals hätte sie vor dem Bootcamp daran geglaubt, innerhalb von 55 Minuten eine unlösbare Aufgabe lösen zu können. Aber sie hat es geschafft.

Flug über den Bodensee

Prof. Jo Wickert hatte die Studierenden in einem Kreativitätsworkshop eingeladen, sich innerhalb von fünf Minuten eine unlösbare Aufgabe zu formulieren. Den Rest der Stunde hatten sie Zeit, die Aufgabe zu lösen. Und siehe da: Vanessa Schätzle zum Beispiel hat mit ihrem Team durch Kreativität und Hartnäckigkeit das Ziel erreicht, über den Bodensee zu fliegen. Eine Studierenden-Gruppe wurde im Kanzleramt bis in eines der Vorzimmer von Angela Merkel verbunden. Und eine weitere Gruppe verfügt nun über einen Scheck über drei Millionen Euro. Wenn auch ungedeckt.

Eine Woche später haben die Prototypen der Studierenden Gestalt angenommen – auch dank eines umfangreichen Maschinenparks im OIL. Während der Informatik-Student Ludwig Kaftan am 3D-Drucker einen Pflanztopf ausdruckt, lässt Magdalena Lingenfelser die Nähmaschine surren. Sie verziert eine Bordüre. „Wir wollen doch schließlich nicht immer das gleiche Dirndl tragen“, sagt ihre Teamkollegin mit Blick auf eine Schneiderpuppe im knallroten Dirndl. Warum also nicht ein anderes Mieder, andere Knöpfe, Röcke, Bordüren oder Bänder anbringen bzw. die Teile einfach austauschen? Ihre Gründeridee unter dem Arbeitstitel „modulares Dirndl“ hatte Vanessa Schätzle schon mit ins Bootcamp gebracht. Wie auch die Bauingenieurwesen-Studentin Lea Wehrle ihre Idee schon am ersten Tag im Kopf hatte: Ein dünnes Brett, an dem bis zu neun verschiedene Kräutertöpfe Platz finden, die von hinten automatisch bewässert werden. „So kann man auch mal ein paar Tage auf Dienstreise unterwegs sein, ohne dass das Basilikum verwelkt“, sagt Ludwig Kaftan, der die Idee seiner Kommilitonin richtig gut fand und sich ihrem Team anschloss.

Zu Beginn des Bootcamps haben die Studierenden Hilfestellungen bekommen, Ideen zu generieren. Über ein Speeddating haben sich die Gruppen dann zusammengefunden. So arbeiten nun Maschinenbauer und BWLer gemeinsam an einer datenschutzkonformen Vereinssoftware und die Bauingenieurin mit dem Informatiker am Kräuterbrett. Jede und jeder bringt seine Fachkompetenzen und seinen gesunden Menschenverstand ein. Zusatzinformationen erhalten sie in Vorträgen und Workshops. Zum Beispiel zu möglichen Geschäftsmodellen, zur Erstellung einer Website oder Design Thinking – garniert mit frisch importierten Einblicken in die Gründerszene im Silicon Valley von Christoph Selig. Er ist an der HTWG verantwortlich für Kilometer 1, der gemeinsamen Gründerinitiative von Universität Konstanz und HTWG und hat die vorlesungsfreie Zeit in Kalifornien verbracht. „Mit dem Bootcamp wollen wir die Studierenden ins Machen bringen und zeigen, dass die Gründung eines Startups eine ernstzunehmende und vor allem spannende Berufsalternative für sie sein kann“, sagt Christoph Selig.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernten auch, ihre Idee systematisch auf Machbarkeit und Effizienz abzuklopfen. Dazu gehörte unter anderem eine Zielgruppen- und Marktanalyse. „Manche sagen, sie sind mit ihrem Fahrradkorb sehr zufrieden, andere fanden unser Modell sehr ansprechend und würden es ihrem Korb vorziehen“, sagt Architekturstudent Valentin Topp, der mit seiner Gruppe die Idee zum faltbaren Fahrradkorb ausarbeitet. Er hat Konstanzer Radfahrer dazu befragt, was sie von seiner Idee halten und deren Antworten und Anregungen in die Weiterentwicklung des Produkts und des Geschäftsmodells aufgenommen. Grundsätzlich kam demnach bei allen sehr gut an, dass der Korb platzsparend ist: Der Boden und die Außenwände werden aus Holz sein, die Zwischenflächen aus einer festen, aber dennoch leicht faltbaren Plane.

Für den ersten Platz unter all den pfiffigen Ideen hat es doch nicht ganz gereicht. Die Idee des modularen Dirndls samt der Analyse der Zielgruppen, der Skizzierung des Geschäftsmodells und des Prototyps bekam beim Abschlusspitch von der Jury aus HTWG-Professoren, externen Dozenten und Mitarbeitern des OIL und von Kilometer1 die beste Bewertung. „Die Erstplatzierten haben mit ihrem Projekt nicht nur reichlich Erfahrung gewonnen, sondern auch einen Gutschein zur Nutzung der Gerätschaften des OILs. Die Arbeit am Dirndl kann also weitergehen.  

Lust zum Mitmachen? Das nächste Bootcamp kommt bestimmt, kündigt Klaus König an. Einfach regelmäßig auf der Seite www.oil.htwg-konstanz.de vorbeischauen!