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Ausflug in den digitalen Zauberwald

20.11.2020

Das Theater der HTWG verlegt die Bühne ins Internet. Nicht für eine Inszenierung „on demand“, sondern für individuelle Touren durch einen Sommernachtstraum.

Statt „Vorhang auf“ heißt es in diesem Semester: „Bildschirm an!“ Wie so viele in diesen Monaten hat auch das Theater der Hochschule Konstanz sein Wirken in den digitalen Raum verlegt. Aber: Wer nun an eine gefilmte Vorstellung zum Abrufen denkt, liegt ganz falsch. Das Publikum ist eingeladen, im digitalen Zauberwald zu flanieren. Auf der individuellen Erkundungstour können die Spaziergänger einen „Sommernachtstraum“ der anderen Art erleben.

Der Klassiker von Shakespeare sollte im Mittelpunkt der diesjährigen Inszenierung, einer Kooperation zwischen Universitätstheater Konstanz und dem Theater der Hochschule Konstanz, stehen. Denn: Der Sommernachtstraum war das erste Stück, das das Universitätstheater im Jahr seiner Gründung 1970 aufgeführt hat. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des UTK sollte er wieder auf die Bühne kommen. Dass die Inszenierung anders als 1970 sein würde, war allen klar. Dass sie allerdings dermaßen anders sein wird, geht auf das Konto des Coronavirus.

Produktion unter Bedingungen wie in einem Irrgarten

„Wie arbeitet man unter Corona-Bedingungen?“, mit dieser Frage sahen sich Anna Hertz, Leiterin des Theaters der Hochschule Konstanz, und Thomas Fritz Jung, Leiter des UTK, alle paar Tage aufs Neue konfrontiert. „Kaum hatten wir einen Weg eingeschlagen, ging schon wieder ein Schlagbaum herunter“, sagt Anna Hertz mit Blick auf die verschiedenen Einschränkungen in der Zeit der Pandemie.

 

Wie es sich anfühlt, nach Umwegen und Lichtungen zu suchen, das können nun die Besucher des digitalen Zauberwalds selbst erleben. Denn aufgegeben haben die Theaterleute nicht. Ganz im Gegenteil. „Wir wollten eine kreative Alternative zur sonst üblichen Darstellungsweise finden, die alle möglichen Kunst- und Ausdrucksformen miteinschließt und unsere Arbeit am Stoff ins Zentrum der Präsentation stellt“, erläutert Anna Hertz. Deshalb heißt der Sommernachtstraum nun auch „Dream Factory“ – ein Ausdruck für die verschiedenen künstlerischen Ebenen und Mittel, mit denen sich das Team dem Material angenähert hat.

Von Horrorfilm über Fantasy bis Liebesdrama

Das Team – das sind 86 Studierende der HTWG und der Universität Konstanz, die im vergangenen Sommersemester und im bisherigen Wintersemester den Umständen getrotzt haben. Sie haben programmiert, gemalt, getanzt, Musik, Theater und Filme gemacht, getextet, gebastelt, gedichtet. Vieles davon war über Videokonferenzen möglich. „Aber auch die persönliche Zusammenarbeit war zur Zeit des ersten Lockdowns nicht ganz ausgeschlossen“, betont Anna Hertz, schließlich hätten ganze WGs mitgewirkt und Paare, die sich ohnehin treffen konnten. Die Teams haben sich hochschulübergreifend gemischt, „dabei hat uns in die Karten gespielt, dass wir schon im vergangenen Jahr eine Produktion gemeinsam gestemmt haben“, erläutert die Theaterpädagogin.

Wege in den dititalen Zauberwald

Dreamfactory, bestehend aus den Theatern der Hochschule und Universität Konstanz, zeigt auf der Webseite unter www.dreamfactory-kn.de eine digitale Ausstellung rund um Shakespeares Sommernachtstraum. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Universitätstheaters wird der Klassiker neu inszeniert — und zwar nicht nur einmal, sondern gleich neunmal! Durch die Aufteilung der Studierenden in unabhängige Gruppen mit verschiedensten szenischen Konzepten entsteht ein digitaler Wald, in dem neben den Ergebnissen der Stückentwicklung in Video-, Bild- und Textform auch deren Entstehungsprozess dokumentiert ist. Parallel zur Webseite wird auch auf dem Instagram-Kanal dreamfactory_kn einiges künstlerisches Material zum Sommernachtstraum präsentiert und von virtuellen Performances der Studierenden begleitet.

Zwischen Frustration und Kreativitätsschub

Alle Fäden ohne gemeinsame Treffen zusammenzuhalten, war trotzdem eine Herausforderung. Auch, weil die Studierenden sehr unterschiedlich mit der Krisensituation umgegangen sind. Zum Teil hatten sie mit den Herausforderungen des Online-Studiums zu kämpfen, mit Ängsten und Frustrationen wegen der Einschränkung der sozialen Kontakte. Andererseits erlebten sie im Projekt große Motivation und die Bestätigung, trotz der Umstände selbstständig etwas produzieren zu können. „Die Zeit hat mich etwas an meine Kindheit in der DDR erinnert. Restriktionen machen auch kreativ“, sagt Anna Hertz.

Tiefschlag kurz vor Start

Doch kurz vor der „Premiere“ musste das Team nochmals einen Tiefschlag einstecken: Eigentlich hätte zum 13. November im Kunstraum Kreuzlingen eine Ausstellung zum Projekt eröffnet werden sollen. Die Vorbereitungen waren fast abgeschlossen, als der zweite Lockdown wieder Türen zufallen ließ.
Also muss jede*r Zuschauer*in zunächst alleine den Zauberwald erkunden bzw. sich durch mehrere Schichten durchscrollen. Im Gegensatz zu einer klassischen Vorstellung ist das so oft möglich so oft jede*r möchte, ganz ohne Ticket. Und wie kann das Publikum applaudieren? Auch hierfür hat Anna Hertz eine Lösung: „Wie wäre es mit Kommentaren auf Instagram? Das würde die Macher freuen.“