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Gewerbegebiete 4.0 am Bodensee

22.03.2018


Forschungsprojekt: Wie lassen sich zukunftsfähige Unternehmensstandorte im sensiblen Naturraum realisieren?

Im Zuge der Digitalisierung verändern sich Produktions- und Arbeitsformen. Wo Coworking-Spaces und Smart Factories entstehen, werden neue Anforderungen an Gewerbegebiete gestellt – und damit auch neue Anforderungen an die Planung und das Management attraktiver Unternehmensstandorte. Was bedeutet das für die Bodenseeregion, wo das anhaltende Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in einem herausragenden Natur- und Landschaftsraum zu Konflikten bei der Gewerbeflächenbereitstellung führt? Das untersucht ein Forschungsprojekt der HTWG Konstanz, der Universität St. Gallen und der HSR Rapperswil. Forscherinnen und Forscher entwickeln gemeinsam mit Praxispartnern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft Strategien und Instrumente für eine bedarfsgerechte und nachhaltige Weiterentwicklung von Gewerbegebieten.

Gefördert wird das Regionalprojekt von der Internationalen Bodenseehochschule.
Die Projektleitung liegt bei der HTWG Konstanz, die Leitung bei Prof. Dr. Thomas Stark.

Die Projektpartner Daniel Zwicker-Schwarm von der Universität St.Gallen Dirk Engelke von der HSR Rapperswil und Nicole Conrad von der HTWG Konstanz geben weitere Informationen im Interview mit der IBH:

Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Projekt?

Die Bodenseeregion ist ein dynamischer Wirtschaftsraum mit einer starken, wissensintensiven Industrie. Wir wollen herausfinden, wie sich mit der Digitalisierung Produktions- und Arbeitsformen verändern – man denke etwa an Schlagworte wie Industrie 4.0 oder Coworking – und welche Anforderungen sich daraus für wettbewerbsfähige Unternehmensstandorte ergeben. Gleichzeitig führt das anhaltende Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in unserer Region mit ihren besonderen Natur- und Landschaftsräumen zu Konflikten in der Siedlungsentwicklung.

Hier stellt sich die Frage, wie unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit neue Lösungen gefunden werden können, die wirtschaftlich tragfähig, gesellschaftlich akzeptiert und ökologisch sinnvoll sind. Dabei geht es um ein breites Spektrum an Instrumenten sowohl bei konkreten Bauprojekten vor Ort, bei der Zusammenarbeit zwischen Eigentümern, Nutzern und Kommune im Gewerbequartier aber auch bei der Kooperation zwischen Kommunen und auf regionaler Ebene.

Welches sind die ersten Projektschritte?

In einem ersten Schritt geht es darum, im Gespräch mit regionalen Experten aus Wirtschaft, Wirtschaftsförderung, Kommunalverwaltung und Planung, die Ausgangslage in der internationalen Bodenseeregion aufzuarbeiten: Wie verändern sich die Standortanforderungen der Unternehmen? Wo gibt es in der Region schon innovative Ansätze – etwa flächensparendes Bauen, nachhaltige Energiekonzepte für Gewerbegebiete oder interkommunale Gewerbeschwerpunkte? Solche Beispiele werden dann in Fallstudien vertieft untersucht, systematisiert und mit der Praxis diskutiert.

Auf welche Weise binden Sie die Praxis in das Projekt ein?

Die enge Zusammenarbeit mit Praxispartnern – sowohl der öffentlichen Hand als auch der Wirtschaft und Verbänden – ist eine Voraussetzung: Wettbewerbs- und zukunftsfähige Gewerbestandorte brauchen geeignete planerische Vorgaben und Festsetzungen von Regionen und Kommunen, eine aktive Wirtschaftsförderung und aufgeschlossene Unternehmen. Mit einigen Partnern sind wir bereits im Gespräch. Andere werden wir in Bälde ansprechen. Wir wollen das Wissen der Praxisakteure aufgreifen und im Rahmen von Fokusgruppen und Veranstaltungen in einen fruchtbaren Dialog bringen.

Welchen Mehrwert versprechen Sie sich mit den Ergebnissen für die Bodenseeregion?

Wichtig ist erst einmal, das Thema Gewerbeflächen und ihre notwendigen Qualitäten in einer sich wandelnden Arbeitswelt stärker in die Diskussion zu bringen.

 

„Nachhaltigkeit wird im Zusammenhang mit Wohnquartieren bereits seit längerem diskutiert, bei Gewerbegebieten stehen wir vielerorts noch am Anfang.

Dabei sind zukunftsfähige und nachhaltige Unternehmensstandorte beispielsweise auch ein Pluspunkt für die Gewinnung von Arbeitskräften. Am Ende soll konkretes Orientierungs- und Handlungswissen insbesondere für Planung, Gestaltung und Wirtschaftsförderung stehen, das in einem Leitfaden und einem Webtool bedarfsgerecht verfügbar gemacht wird. Im Idealfall leisten wir mit dem Projekt einen ersten Schritt zu einem dauerhaften „Gewerbeflächendialog“ auf regionaler Ebene und bereiten den Weg hin zu einer modernen, wirtschaftlich prosperierenden und nachhaltigen Bodenseeregion, in der Natur- und Landschaftsräume im Einklang mit nachhaltiger Siedlungsentwicklung stehen.

Welche Bedeutung hat das grenzüberschreitende Element des Projekts?

Planungsrecht und Verwaltungskulturen sind in den Ländern rund um den Bodensee recht unterschiedlich. Um auf die Herausforderungen, denen sich die Bodenseeregion gegenübergestellt sieht, Antworten geben zu können, ist es unerlässlich, die verschiedenen Hintergründe zu kennen. Der Ansatz des Forschungsprojekts ist zudem stark interdisziplinär – er umfasst Stadt- und Raumplanung, Architektur, Wirtschaftswissenschaften und Managementlehre. Das Einbeziehen der unterschiedlichen Perspektiven erleben wir als Grundvoraussetzung für zielgerichtetes und umfassendes Forschen in einem so komplexen Themenfeld und darüberhinaus als sehr bereichernd auf der menschlichen Ebene und im wissenschaftlichen Diskurs.

Weitere Informationen zum Projekt: www.bodenseehochschule.org

 

Fotoquelle: Tourist-Information Konstanz GmbH