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Klimapositiv mit Klimaschutzmanagerin

13.06.2023

Bis 2030 will die HTWG klimapositiv sein. Dabei unterstützt die vom BMWK geförderte Klimaschutzmanagerin Mirjam Gröger. Was eine Klimaschutzmanagerin macht, wie die Hochschule beim Thema Nachhaltigkeit aktuell aufgestellt ist und wieso Klimaschutz Teamarbeit ist, haben wir im Gespräch mit Gröger erfahren.

Als Hochschule für angewandte Wissenschaft sieht sich die HTWG in einer Vorreiterrolle beim Thema Klimaschutz. Für Prof. Dr. Sabine Rein gilt seit Beginn ihrer Präsidentschaft: „Wir werden Nachhaltigkeitsfragestellungen in allen Funktionsbereichen der Hochschule strategisch verankern – in Lehre, Forschung, Transfer und Internationalisierung.“ Damit Klimaschutz an der HTWG als echtes Handlungsfeld etabliert und nicht zur Grünfärberei wird, braucht es sowohl Fachwissen als auch eine breite Unterstützung von innen und außen. Dafür verantwortlich ist an der HTWG unter anderem der Senatsausschuss Nachhaltigkeit, der aus Prof. Dr. Gunnar Schubert (Vizepräsident für Forschung,Transfer und Nachhaltigkeit), Prof. Dr. Maike Sippel (Senatsbeauftragte für Nachhaltigkeit), Tobias Brendgens (Leiter des Gebäudemanagements) und Josephine Jabs (Vertreterin des Green Office) besteht. Seit März gehört auch die Stabstelle Klimaschutzmanagement, vertreten durch Mirjam Gröger, zum Team.

Dass die HTWG eine Klimaschutzmanagerin einsetzen kann, wird durch die nationale Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages ermöglicht. Bundesweit fördert das BMWK vorerst für zwei Jahre den Einsatz von Klimaschutzmanager*innen zur Minderung von Treibhausgasen im kommunalen Umfeld – und damit auch an Hochschulen. „Wir freuen uns sehr, dass wir durch die Förderung des BMWK den Bereich Nachhaltigkeit nun verstärken konnten“, so Gunnar Schubert.

Als Klimaschutzmanagerin ist Gröger mit der Entwicklung eines integrierten Klimaschutzkonzepts beauftragt. Was das genau bedeutet, erklärt Gröger, die am liebsten nur Mirjam genannt wird, im Interview mit Janna Heine.

J.H.: Mirjam, was macht eine Klimaschutzmanagerin?
M.G.: Meine Aufgaben sind sehr vielfältig und abwechslungsreich. Primär arbeite ich an der Etablierung von Monitoring-Konzepten mit, definiere Minderungsziele und konkrete Maßnahmen, um eine positive CO2-Bilanz zu erreichen. Im ersten Schritt heißt das: Daten erheben. Die Daten sind wichtig, um durch aktuelle Energie- und Treibhausgasbilanzen der Hochschule den Ist-Zustand zu ermitteln. Diesen Ist-Zustand gilt es ins Verhältnis zum großen Ziel zu setzen: HTWG klimapositiv bis 2030. Das Verhältnis ist die Grundlage, um ein Szenario entwickeln zu können. Das beinhaltet, Handlungsfelder und konkrete Schritte zu definieren und zu priorisieren – also erstens zu entscheiden, was am schnellsten umsetzbar ist und zweitens welche Bereiche die größten Auswirkungen auf die Treibhausgasminderung haben.

J.H.: Welche Bereiche der Hochschule schaust du dir an?
M.G.: Die zu bilanzierenden Bereiche sind durch das BMWK vorgegeben. Drei Geltungsbereiche − sogenannte Scopes – fließen in die Bewertung ein. Scope 1 bezieht sich auf direkte Emissionen, die die Hochschule verantwortet. Dazu gehört zum Beispiel das Öl und Gas, das in der Heizzentrale des HTWG-Campus verbrannt wird. Scope 2 beschreibt indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie, wie den Strom der HTWG, der außerhalb der Hochschule Emissionen erzeugt. Scope 3 beschreibt alle anderen indirekten Emissionen, die im Kontext der HTWG entstehen. Dazu zählt beispielsweise die Entsorgung von Abfällen oder auch das Nutzer- und Mobilitätsverhalten der Studierenden und Mitarbeitenden.

J.H.: In die Bilanzierung fließen also auch Geltungsbereiche, in die die HTWG nur indirekt eingreifen kann, wie das Mobilitätsverhalten der Mitarbeitenden?
M.G.: Ja, in Scope 3 fließen die Handlungen unterschiedlicher Akteur*innen sowohl innerhalb und außerhalb der Hochschule zusammen. Das ist auch der Grund, wieso das BMWK die Berücksichtigung von Scope 3 in der Bilanzierung, vor allem im Bereich Mobilität, nur empfiehlt. Anders ist das bei Scope 1 und Scope 2, die berücksichtigt werden müssen. Nach Möglichkeit wollen wir auch Scope 3 in unserer Bewertung heranziehen. Wir haben zum Beispiel Daten zur Ernährung und dem Mobilitätsverhalten an der HTWG erhoben.

J.H.: Wieso geht die HTWG die Extrameile?
M.G.: Wir sind an einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzept interessiert. Und es hat sich schon gezeigt, dass wir auch die Bereiche, die wir nicht alleine verantworten, mitsteuern können. Bei der Befragung zum Thema Mobilität hat sich beispielsweise ein konkreter Wunsch abgezeichnet, nämlich eine eigene Bushaltestelle vor der HTWG. Der Vorschlag der eigenen Busanbindung wurde durch das neue Mobilitätskonzept der HTWG beleuchtet. Ende Juni werden die Ergebnisse des Konzeptes offen diskutiert. Mit den Resultaten aus dem Mobilitätskonzept und der Diskussion wird dann an die Stadtwerke herangetreten.

J.H.: Gibt es Bereiche, in denen die HTWG ihre Vorreiterrolle schon erfüllt?
M.G.: Wir sind auf einem guten Weg. Im Vergleich zu anderen Hochschulen sind beispielsweise unsere Wärmemengenzähler erfasst. Eine funktionierende Zählerinfrastruktur und die damit verbundene Übersicht zum Wärmemengenverbrauch ist bisher keine Selbstverständlichkeit in öffentlichen Einrichtungen.

Bis 2026 wird auch unsere Heizzentrale ersetzt, auch das wirkt sich sehr positiv auf die Bilanz aus. Bisher wird der Großteil unserer Wärme- und Kälte- sowie Stromerzeugung von einem BHKW (Blockheizkraftwerk) abgedeckt. Teilweise werden auch Gas- und Ölkessel zugeschaltet. Klar ist, dass der neue Energieträger nicht fossil, sondern erneuerbar sein muss. Dafür bietet sich der Einsatz von Wärmepumpen an. Was genau die Energiequelle für die Wärmepumpen sein kann, wird derzeit noch diskutiert. Eventuell gibt es eine Lösung aus Erdwärme und Eisspeicher auf dem Campus.

J.H.: Eine neue Heizzentrale einzusetzen, ist ein aufwändiger und zeitintensiver Prozess, der eng mit technischen Innovationen verzahnt ist. Ist Klimaschutz nur durch neue Technologien möglich?
M.G.: Klimaschutz und technische Innovationen hängen natürlich zusammen. Wir sehen auf dem Campus aber auch gute Beispiele dafür, dass nachhaltiges Handeln in weniger technischen Handlungsfeldern umgesetzt werden kann. Ein positiver Bereich auf dem Campus ist der Bereich Ernährung, auch wenn wir diesen nicht direkt verantworten. Die Seezeit bietet im Hochschulvergleich schon viele fleischlose und vegane Gerichte oder pflanzliche Alternativen zu Kuhmilch in der Mensa an. Auch in der Lehre spielt Nachhaltigkeit schon eine Rolle. Im Studium generale gibt es beispielsweise die Möglichkeit, Kompetenzen im Bereich Klimaschutz zu erwerben. Ein großer Vorteil der HTWG ist, dass sie in der Stadt liegt und auf einem Campus ist. Dadurch haben wir kurze Anfahrtswege und auch intern keine großen Logistikprobleme zu bewältigen.

J.H.: Und wo müssen wir besser werden?
M.G.: Was uns bei der Messung von Wärmemengen schon gut gelingt, ist im Bereich Strom noch ausbaufähig. Der Ausbau der Zählerinfrastruktur ist deshalb ein großer Aspekt, der angegangen wird. Generell verfügen wir noch über zu wenig Monitoring Tools. Unsere Stoffströme werden kaum ausgewertet. Weder der Einkauf noch die Entsorgung wird derzeit so dokumentiert, dass eine Erfassung und Anpassung in dem Bereich möglich ist. Auch bürokratische Prozesse sorgen an manchen Stellen dafür, dass sich die Umsetzung verzögert.

J.H.: Viel zu tun und wenig Zeit. Ist das Ziel Klimapositivität 2030 denn überhaupt realistisch?
M.G.: Bilanziell gesehen, ja. Natürlich gibt es Herausforderungen und einzelne Bereiche, in denen sich Nachhaltigkeitskonzepte schwieriger gestalten als in anderen. Zum Beispiel in der Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Internationalisierung.

J.H.: Mit dem Fahrrad ins Auslandssemester nach Asien ist eher nicht umsetzbar.
M.G.: Genau. In manchen Bereichen werden wir deshalb kompensieren müssen. Es gilt aber: Dort, wo wir was ändern können, möchten wir etwas ändern.

Difficult roads lead to beautiful destinations

Mit dem Stipendium des Green Office nachhaltig ins Auslandssemester reisen

Studierende, die nachhaltig ins Auslandssemester oder das praktische Studiensemester reisen wollen, können sich beim Green Office der HTWG um ein Reisestipendium bewerben. Das Stipendium beinhaltet einen Interrail Global Pass für Hin- oder Rückfahrt (4 Fahrten innerhalb von 30 Tagen). Wer mit dem Fahrrad, zu Fuß oder dem Bus reisen will, kann Reisekosten bis maximal 185€ beantragen.


Mehr Infos zum Reisestipendium

 

J.H.: Gibt es ein spezielles Thema, das dich persönlich besonders beschäftigt?
M.G.: Für mich ist das Thema Mobilität noch nicht technologisch klar. Auch ein Elektroauto ist für mich bislang nur eine Zwischentechnologie. Aber der größte, für mich schwer zu lenkende Teil, ist die globale Klimapolitik und die Internalisierung von Umweltschäden in die Preise der Produkte.

J.H.: Das zeigt nochmal, Klimaschutz umfasst mehr als technische Innovationen. Es geht auch um ein Umdenken und Aufbrechen von Gewohnheiten, was mit komplexen und herausfordernden gesellschaftlichen Veränderungen verbunden ist. Ich denke beispielsweise an weniger Individualverkehr und den Ausbau von Sharing-Konzepten. So ein Kulturwandel gelingt aber nur, wenn er von der breiten und trotz allem heterogenen Masse mitgetragen wird. Spielt denn im Klimaschutzkonzept der HTWG die Etablierung einer Nachhaltigkeitskultur auch eine Rolle?
M.G.: Ja, eine positive CO2-Bilanz erreichen wir nur als Team. An der HTWG zeichnet sich bei Studierenden und Mitarbeitenden in weiten Teilen schon Konsens zum Thema Nachhaltigkeit ab. Bei meinem Arbeitsbeginn positiv überrascht hat mich, dass Mitarbeiter*innen aus reinem Interesse bereits selbstständig, das heißt in ihrer Freizeit, Daten in einer Excel-Tabelle erfasst hatten. Beispielsweise hatten Kolleg*innen und Professor*innen schon die CO2-Bilanz von Flugreisen ermittelt oder den Verbrauch des HTWG-Fuhrparks gemessen.

J.H.: Die Etablierung einer Nachhaltigkeitskultur folgt an der HTWG also keinem Top-down-Prinzip, sondern wird von vielen unterschiedlichen Stakeholdern der HTWG bereits mitgetragen und mitgestaltet. Welche Möglichkeiten gibt es für Studierende und Mitarbeitende sich auch in Zukunft aktiv einzubringen?
M.G.: Eine Möglichkeit sind die neu ins Leben gerufenen „Motto-Monate“. Das neue Format widmet sich in jedem Monat während des Semesters einem Bereich, der nachhaltiger gestaltet werden soll. Gestartet haben wir „mit Energie in den Mai“. Es fanden Vorträge, Workshops, Campusführungen und Umfragen statt, die sich mal wissenschaftlich, mal spielerisch mit dem Thema Energie bzw. Energieeinsparung beschäftigten. Im Juni ist das Thema Mobilität. Bei der Konzeption ist uns wichtig, dass das Programm aus unterschiedlichen Bereichen und von unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren der Hochschule gespeist wird. So wollen wir möglichst viele Hochschulangehörige mitnehmen. Das Campus-Geschehen soll partizipativ sein. Am Ende jeden Monats soll unter dem jeweiligen Motto ein Treffen für Interessierte stattfinden, die innerhalb von Arbeitsgruppen eingeladen werden, die HTWG in den unterschiedlichsten Bereichen der Nachhaltigkeit mitzugestalten. Diese AGs gehören zum Senatsausschuss Nachhaltigkeit. In den AGs arbeiten alle Hochschulangehörigen, also Professorinnen und Professoren, Mitarbeitende und Studierende, gemeinsam an ihrem Nachhaltigkeitsziel.

J.H.: Ein schönes Konzept, mit dem die HTWG auch ein Zeichen setzt: Klimaschutz braucht den Austausch zwischen verschiedenen Fachdisziplinen und Generationen, wenn er gelingen will. Vielen Dank für das Gespräch, Mirjam.

 

Klimaschutz ist Teamarbeit

Ansprechpersonen im Überblick

Der Senatsausschuss Nachhaltigkeit vertritt die Interessen von Arbeitsgruppen an der Hochschule.

Kontakt: nachhaltigkeit@htwg-konstanz.de

In den Arbeitsgruppen kann jeder mitmachen – egal, ob Professor*innen, Student*innen oder Mitarbeiter*innen!

AKTUELLE AGS

AG Gebäude und Energie 2030

Kontakt: Thomas Stark, stark@htwg-konstanz.de

AG Grundsatzfragen nachhaltiger Entwicklung

Kontakt: Prof. Dr. Annete Kleinfeld, annette.kleinfeld@htwg-konstanz.de

Neue Arbeitsgruppen werden jetzt mit der Durchführung der Motto-Monate und auch mit der Erstellung eines gemeinsamen Zielbilds 2030 für die Hochschule formiert.