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Kulturelle Kartierung des Bodenseeraums

25.02.2020

Cultural Mapping 4.0 – so heißt ein Forschungsprojekt, das Wege zur Stärkung der kulturellen Identität der Bodenseeregion aufzeigen will. Es überschreitet nicht nur nationale Grenzen, sondern auch Grenzen zwischen Disziplinen.

Über welche Region erstreckt sich der Bodenseeraum? Gehört Stockach, das sich selbst als „Tor zum Bodensee“ bezeichnet, dazu? Wie schaut es mit St. Gallen aus? Wenn ja, warum steht Scheidegg, das nicht weiter vom See entfernt ist als St. Gallen, bei vielen eher für das Allgäu als die Bodenseeregion? Die individuellen Grenzziehungen von Bodenseeanreinern, Touristen und Zugezogenen erfolgen oft ganz subjektiv, abhängig von eigenen Erfahrungen, basierend auf Vor- Halb- und Nicht-Wissen. Gibt es überhaupt die eine kulturelle Identität des Bodenseeraums? Diese große Frage will das Forschungsprojekt „CultMap4“ bearbeiten. Neben traditionellen Methoden der empirischen Sozialforschung setzen die Forscherinnen und Forscher unter anderem auf die Geoinformatik.

Welche Erinnerungen, Erfahrungen und Erzählungen verbinden Menschen mit Orten im Bodenseeraum?

Das Forschungsprojekt Cultural Mapping 4.0 wird von der HTWG gemeinsam mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften getragen. Seitens der HTWG leitet Dr. Tatjana Thimm, Professorin für Tourismusmanagement und Tourismusmarketing, die Forschungsaktivitäten im Teilprojekt „Tourismus und Mobilität“. Unterstützt wird sie von Mitarbeiter Florian Eitzenberger. „Im Idealfall können wir zum Abschluss des Projekts auf einer Website zeigen, welche Erinnerungen, Erfahrungen und Erzählungen unterschiedliche Stakeholder mit welchem Ort in der Region verbinden“, sagt Eitzenberger. Dies soll unter anderem dank der Unterstützung von Studierenden des Studiengangs Wirtschaftssprache Deutsch und Tourismusmanagement möglich sein. Sie werden mit modernen technischen Mitteln Umfragen starten, so dass die Interviewten schon im Moment der Befragung die Kartierung mit ihren Informationen ergänzen. „Wir hoffen, dank des so möglichen digitalen Storytellings neue Perspektiven auf die Region eröffnen zu können, die Stakeholdern wie zum Beispiel Tourismusbetrieben eine Hilfe sein können“, sagt Eitzenberger.

Das Forschungsprojekt ist auf eineinhalb Jahre angelegt. Gefördert wird es von der Internationalen Bodensee-Hochschule. Projektleiter ist Prof. Dr. Patrick Laube, Leiter der Forschungsgruppe Geoinformatik an der ZHAW. Er gibt weitere Informationen im Interview mit der IBH:

Was sind die Ziele des Projekts?
Im Projekt CultMap4 untersuchen wir die übergeordnete Frage, was kulturelle Identität in einer grenzüberschreitenden und diversen Region wie der Bodenseeregion sein kann und was sie zu leisten vermag. Mit verschiedenen Befragungsansätzen untersuchen wir, wie die einheimische Bevölkerung, Unternehmen und TouristInnen die regionale kulturelle Identität, also ihr Eigenbild, und das Image — das Fremdbild — der Bodenseeregion wahrnehmen. Dabei konzentrieren wir uns auf vier Bereiche: Wirtschaft und Arbeit, kulturelle Ressourcen, Zivilgesellschaft und Integration, sowie Tourismus und Mobilität.

Was macht das Projekt besonders?
Im Projekt leisten wir eine interdisziplinäre Kombination von sozialwissenschaftlichen Ansätzen mit Verfahren aus der Geoinformatik und Webtechnologien 4.0. Wir analysieren die Wechselwirkung zwischen Kultur und Identität in der Bodenseeregion mit der neuen Methode des «Cultural Mapping». Diese erfasst neben kulturellen Ressourcen unter anderem auch lokale Geschichten, Erinnerungen und Rituale. Neben der Datenerfassung mit Experteninterviews setzt das Projekt besonders auf die Web-basierte Datenerfassung über partizipative Kartierung und die Präsentation der Resultate durch interaktives Storytelling mit sog. StoryMaps. Das Projekt leistet damit auch einen methodischen Beitrag zur digitalen Transformation der Regionalentwicklung.

Wie gehen Sie konkret in Ihrem Projekt vor?
Nach einer theoretischen Fundierung, einer Stakeholderanalyse und einer Zusammenstellung bereits bestehender räumlicher und nicht-räumlicher Daten zum Kultur-, Wirtschafts- und Tourismusraum der Bodenseeregion, fokussieren wir auf Interviews mit Einheimischen, TouristInnen sowie ExpertInnen aus dem Wirtschaftssektor. Hier erhalten die Befragten auch die Möglichkeit ihre Raumvorstellungen auf interaktiven Webkarten einzuzeichnen und so explizit räumliche und vermessbare Aussagen über die kulturelle Identität zu machen.

Wie muss man sich das vorstellen?
Cultural Mapping 4.0 ist nicht nur Methode sondern auch Resultat: Resultate und Einsichten des Projekts werden abschliessend durch digitales Storytellings über die Kombination von Texten mit interaktiven thematischen Karten und vielfältigen digitalen Medien wie Hyperlinks, Bildern, Audio oder Videoaufnahmen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Um die Forschungsergebnisse in die Praxis zu transferieren führen wir am Ende des Projektes einen Schlussworkshop durch, der relevanten Stakeholdern die Projektergebnisse zugänglich macht und im Rahmen dessen mit ihnen gemeinsam Handlungsempfehlungen für die vier Themenschwerpunkte erarbeitet werden.

Was muss gelingen, damit Sie das Projekt nach Abschluss als erfolgreich bezeichnen würden?
Die Planung der ersten, bereits für die kommende Sommersaison 2020 angesetzten Befragungen von TouristInnen ist ambitioniert. Neben den organisatorischen Herausforderungen der Planung und Umsetzung der Befragungen mit Studierenden muss bis dahin auch das Web-Tool für die partizipative Kartierung entwickelt und einsatzfähig sein. Gelingt die Primärdatenerhebung in gewünschter Breite und Tiefe, gilt es die Einsichten unter Mitwirkung aller Stakeholder für die Aufwertung des Kultur- und Wirtschaftsraums Bodenseeregion gezielt einzusetzen. Mit der Veröffentlichung der Webpage «Cultural Mapping Lake Constance» soll dann erstmalig eine Plattform entstehen, die langfristig ein Bewusstsein für die kulturelle Identität und kulturelle Ressourcen der Bodenseeregion schärft und von Einheimischen sowie Stakeholdern aus Wirtschaft, Tourismus und Standortmarketing als Planungs- und Entscheidungstool genutzt wird.

Weitere Informationen zum Projekt Cultural Mapping auf der Seite der Internationalen Bodensee-Hochschule

Fotoquelle: Tourist-Information Konstanz GmbH