Zurück zur Übersicht

Weltraumtechnologie für nachhaltiges Leben auf der Erde

28.05.2020

Ein autarker, nachhaltig wirtschaftender Stadtteil – das soll in Maun im botswanischen Okavango Delta mit Hilfe modernster Technologien entstehen. Lehrende und Studierende der HTWG arbeiten gemeinsam mit Wissenschaftlern und Studierenden aus aller Welt an der Realisierung. Das Projekt soll ein Vorbild für zukünftiges Leben auf der Erde werden.

Majestätische Wildtiere, unberührte Vegetation – das Okavango Delta in Botswana ist ein artenreiches Feuchtgebiet mitten in der trockenen Kalahari-Wüste. Manch einer vergleicht es mit dem Garten Eden. Einen eindrucksvollen Einblick in die Region verschafft das YouTube-Video „Botswanas Okavango Delta - Heaven on Earth“. Ohne Wasser verschwände der Artenreichtum aber. Und Wasser wird immer knapper, genau wie andere Ressourcen auch.

Der Maun Science Park im botswanischen Okavango Delta: Realisierung eines zukunftsweisenden, autarken Stadtteils

In Maun, einer schnell wachsenden urbanen Siedlung am südöstlichen Rand des Okavango Deltas, leben 50.000 Menschen. Sie drängen immer weiter in den Lebensraum der vielfältigen Tierwelt des Deltas ein. Das 20.000 Quadratkilometer große Feuchtgebiet ist eines der größten und tierreichsten in ganz Afrika. Doch die schnell voranschreitenden Urbanisierungsprozesse bedrohen es und führen vermehrt zu Mensch-Umwelt-Konflikten.

Wissenschaftler wollen deshalb ein zukunftsweisendes Projekt in Maun realisieren. Es soll den aufkommenden Konflikten entgegenwirken und eine Blaupause für ein symbiotisches Zusammenleben von Mensch, Tier und Umwelt für ganz Afrika, ja für die ganze Welt, werden.

Die Vision der Wissenschaftler ist es, einen autarken Stadtteil, den Maun Science Park, zu entwickeln. Ausgerüstet mit modernster Technologie und Infrastruktur sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen soll er ein Lebensraum für Mensch und Tier zugleich werden. Den Projektteilnehmern ist es wichtig, dass die zukünftigen Bewohner des Science Parks das ökologische Zusammenspiel von Mensch und Umwelt leben, erforschen und weiterentwickeln werden. Er soll sozusagen ein Reallabor werden.

Das Projekt Maun Science Park steht unter der Leitung des botswanischen Präsidenten Mokgweetsi Masisi und Paramount Chief Tawana Moremi und wurde vom Kabinett als Teil der nationalen digitalen Transformationsstrategie genehmigt.

Kalahari trifft Mars: Weltraumtechnologien sollen das Leben auf der Erde sichern

Ein Netzwerk aus europäischen Hochschulen, darunter die HTWG Konstanz, die TU München, die TU Berlin, die Universität Lausanne und die Universität Stockholm wollen den Maun Science Park in Kooperation mit der Universität Botswana unter Beteiligung von Studierenden entwickeln und verwirklichen. Michael Bühler, Alexander Michalski und Stefan Krötsch, Professoren für Bauingenieurwesen und Architektur an der HTWG, bieten deshalb in diesem Sommersemester gemeinsam mit Pia Hollenbach (Universität Lausanne), Konrad Nübel (TU München) und David Bauer (TU Berlin) mehrere Kurse an der HTWG an, die sich mit den ersten Schritten der Realisierung des Projektes beschäftigen.

Ideengeber, Leiter und damit für die HTWG-Studierenden quasi Bauherr des Projekts ist Vasilis Koulolias. Er ist Sozialunternehmer, Professor an der Universität Stockholm und Chefberater für Digitale Transformation des Präsidenten von Botswana. Sein Ansatz: statt nach alternativen Lebensräumen auf anderen Planeten zu suchen, das Weiterleben der Menschen auf der Erde sichern.

Um den Kickoff des Projektes auch während der Coronakrise zu ermöglichen, organisierte er Anfang Mai eine Zoom-Konferenz mit rund 40 Beteiligten, darunter auch der Parlamentsabgeordnete des Maun District, Dr. Tawana Moremi, und der Bildungs- und Forschungsminister Botswanas, Prof. Dr. Douglas Letsholathebe.

In seiner Präsentation des Projektes erläuterte der Sozialunternehmer: „Wissenschaftler sind dabei, nachhaltige Technologien für Weltraumkolonien zu entwickeln. Warum sollten wir diese nicht für unsere Zukunft hier auf der Erde einsetzen?“

Denn die Zukunft der Weltbevölkerung ist bedroht, besonders in Afrika. Die globale Klimaveränderung, die damit einhergehenden Naturkatastrophen und Ressourcenknappheit, Afrikas großes Bevölkerungswachstum – bis 2050 prognostiziert laut der "Deutschen Welle" eine Studie soll sich die Bevölkerung auf dem Kontinent verdoppeln – und die schnell voranschreitende Urbanisierung stellen Länder wie Botswana vor große Herausforderungen. In vielen afrikanischen Ländern fehlt es zudem an stabilen Regierungen und Struktur.

Häuser wie aus Legosteinen: Modulare Bauteile könnten aus dem 3D-Drucker kommen

Botswana dagegen ist eines der Länder mit der geringsten Korruptions- und der höchsten Alphabetisierungsrate auf dem Kontinent. Gute Vorrausetzungen, um eine Vorreiterrolle einzunehmen und den Problemen innovativ, effektiv und nachhaltig entgegenzuwirken – zum Beispiel dem Problem der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

Aus ihnen bezieht das Land, das im Süden an Südafrika grenzt, fast seine gesamte Energie. Dabei hat es durchschnittlich mehr als 300 klare Tage und mehr als 3.200 Sonnenstunden im Jahr – zum Vergleich: In Deutschland sind es im Schnitt knappe 1.800.

Die Smart Homes, die im Maun Science Park entstehen sollen, könnten sich über Photovoltaik-Anlagen selbst mit Strom versorgen. Das ist aber nicht alles. Mit Hilfe von 3D-Druck sollen Teile der Häuser produziert werden, die sich anschließend wie Legobausteine modular zusammensetzen lassen. Entstehen sollen daraus zum Beispiel Mikrofarmen, mit denen sich jeder Haushalt selbst versorgen kann.

Mit Hilfe von IoT-Technologien sollen alle Einheiten miteinander vernetzt sein, so dass intelligente Monitoring-Systeme sicherstellen können, dass alle Einheiten funktionieren und zusammenarbeiten, vom Stromgenerator über die Wasseraufbereitung bis zur hauseigenen Lebensmittelproduktion – und das alles möglichst CO2-neutral.

Ein internationaler Austausch zwischen Bevölkerung, Unternehmen, Studierenden und Wissenschaftlern aus aller Welt bildet die Basis des Projekts

Zusätzlich zu den intelligenten Wohnanlagen sollen ein Startup- und ein Forschungszentrum entstehen. Wissenschaftler aus aller Welt sollen dort gemeinsam mit einheimischen Technologielösungen entwickeln, die dabei helfen, die Folgen von Klimakrise und demographischem Wandel zu bewältigen. Das Startup-Zentrum soll einen technologischen und gesellschaftlichen Wandel vorantreiben, hin zu einem nachhaltigen Leben.

„Der Maun Science Park wird die Koexistenz von Mensch und Umwelt untersuchen, mit dem Ziel, das nachhaltige Leben zu verbessern und das gesellschaftliche Gefüge in Afrika zu stärken“, sagt Prof. Michael Bühler.

Aktuell steht das Projekt noch ganz am Anfang: In einem ersten Schritt will die HTWG in Zusammenarbeit mit internationalen Hochschulen, der Universität Botswana sowie lokalen Unternehmern und der Bevölkerung von Maun ein Designkonzept erarbeiten, das in den kommenden Jahren umgesetzt werden kann.

Unter Beteiligung der Betroffenen wie der lokalen Bevölkerung und den zentralen Projektbeteiligten werden Wissenschaftler und Studierende aus Deutschland wichtiges Grundwissen generieren, um lokale Bedürfnisse, Wohnkultur und Bauvorschriften sowie bestehende Mensch-Umwelt Probleme zu dokumentieren. Die Erkenntnisse aus diesem Prozess werden ein wichtiger Baustein sein und in die nächsten Projektschritte mit einfließen. „Dabei soll auch ein aktiver Austausch auf dem Gebiet der nachhaltigen Stadtentwicklung und -planung in Afrika zwischen den Studierenden und Wissenschaftlern entstehen“, sagt Prof. Michael Bühler.

Internationalisierung an der HTWG: Das Projekt fördert den Austausch und die Begegnung von Studierenden aus Konstanz mit Studierenden aus Botswana

An der HTWG soll das Projekt in die Internationalisierungsstrategie der Hochschule eingebettet werden: „Die studentische Mobilität und der internationale Wissensaustausch werden im Zentrum der Maßnahme stehen“, so Prof. Bühler.

Im Sommersemester 2020 finden erste Online-Begegnungen zwischen Studierenden der HTWG und denen der Universität Botswana statt. Später soll auch der persönliche Austausch ermöglicht und gefördert werden. „Die Aufgaben, die wir im Rahmen des Projekts umsetzen werden, werden es den Studierenden der HTWG ermöglichen, entsprechende Vorlesungen und Praxissemester zu belegen sowie Master- oder Bachelorarbeiten auf Englisch zu erstellen. Die Arbeiten werden trans- und interdisziplinär für alle Studierenden der HTWG relevant sein“, erklärt Prof. Michael Bühler.

Die Realisierung des Maun Science Parks ist in diesem Semester Thema der Veranstaltung "Internationale Kooperationen und Interdisziplinäre Projekte Botswana". Diese versucht, die Corona-Krise als Chance für Innovationen in der digitalen Lehre zu nutzen, im Fall des Maun Science Parks zum Beispiel anhand von Project-based Learning. Wie das funktioniert, erklären die Lehrenden in einem Video, mit dem sie sich für die aktuelle MINTchallenge des Club MINT bewerben. Dieser zeichnet innovative Lehrmethoden und –projekte im MINT-Bereich aus.

Titelbild: Lehrende und Studierende der HTWG wollen gemeinsam mit internationalen Wissenschaftlern und Studierenden einen autarken, nachhaltigen Stadtteil in der Wüste realisieren (Symbolfoto). Foto: Juan Carlos Requejo Gallego / Pixabay