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Wie beim Onlinedating: Matching-Plattform für soziales Engagement

18.06.2020

Studierende der HTWG und der Uni Konstanz entwickeln eine App, die Hilfesuchende und Hilfsbereite nach dem Matching-Prinzip von Plattformen wie Parship zusammenbringt. Sie wollen die Solidarität der Corona-Zeit auch in Zukunft erhalten.

„Wie kann ich helfen?“ – das ist die zentrale Frage, die sich die Gründer des Projekts „impAct“ stellten, als die Corona-Pandemie begann, den Alltag wie wir ihn zuvor kannten, durcheinanderzuwirbeln. Die Gründer das sind Fabian Ehehalt und Tobias Steinel, beide Informatik-Studierende an der HTWG Konstanz, beide 24 Jahre alt.

Soziales Engagement scheitert häufig schon an der ersten Hürde

„Auch ich wollte helfen, wusste aber nicht wo und wie“, sagt Tobias Steinel. Seinen Freunden ging es ähnlich. „Ich habe in meinem Bekanntenkreis herumgefragt und festgestellt: Viele wissen nicht, bei welchen Organisationen sie sich ehrenamtlich engagieren können, wie man sie kontaktieren kann, wie viel Zeit soziales Engagement in Anspruch nimmt und welche Fähigkeiten man dafür benötigt“, erklärt er.

Schnell wurde auch klar: Diese Unwissenheit herrscht nicht nur in der Krise, sie besteht ganz allgemein. Und diese erste Hürde, so glauben die beiden Studierenden, hält viele Menschen davon ab, sich überhaupt zu engagieren.

Was also dagegen tun? Natürlich kreisten zu Beginn der Corona-Krise auf Websites und den Sozialen Medien jede Menge Informationen zum Thema soziales Engagement durchs Netz. Bauern am Bodensee und in anderen Regionen suchten über Facebook nach Erntehelfern. Das Landwirtschaftsministerium richtete die Onlineplattform „Das Land hilft“ ein.

„impAct“ will die Welle der Solidarität auch nach Corona weiterreiten

Medienhäuser wie der Südkurier richteten auf ihren Websites Plattformen für Nachbarschaftshilfe ein und eröffneten eigens dafür Kanäle in den Sozialen Medien. Einzelhändler informierten über speziell dafür eingerichtete Accounts über ihre Angebote, zum Beispiel über die Konstanzer Initiative „Support your Locals.Konstanz“.

„Insgesamt schwappte eine Welle der Solidarität durch Deutschland“, sagt Fabian Ehehalt. Und genau diese Dynamik wollen die Studierenden weiternutzen, auch nach Corona. „Es wäre doch schön, wenn wir es schaffen, dieses Gefühl des Zusammenhalts und das Engagement der Menschen auch nach der Krise zu erhalten“, erklärt der Student die Vision des Projekts.

Um sie zu realisieren, will „impAct“ die Hürden für soziales Engagement reduzieren, es Hilfsbereiten erleichtern, das individuell passende Engagement zu finden, genauso wie sie Hilfesuchende dabei unterstützen wollen, geeignete Helfer zu bekommen. „Wir sehen Bedarf sowohl bei großen Organisationen wie der Tafel, dem Roten Kreuz oder in der Kinderbetreuung, als auch bei Privatpersonen, die zum Beispiel Hilfe mit ihrem Garten oder beim Einkaufen benötigen“, sagt Tobias Steinel.

Eine bundesweit einheitliche Plattform für soziales Engagement soll entstehen

Die Idee der Studenten: Statt vieler einzelner Kanäle, über die Hilfsgesuche inseriert werden, wollen sie eine Plattform mit App programmieren, auf der bundesweit alle Hilfsgesuche erfasst werden. Dafür suchen sie schon seit Beginn ihres Projektes den Kontakt mit Verbänden.

„Angefangen haben wir mit lokalen Organisationen wie dem Roten Kreuz oder den Kirchen in Konstanz, die wir angeschrieben haben, um ihre Bedürfnisse direkt in unser Projekt zu integrieren“, sagt Fabian Ehehalt. Die Studierenden hoffen darauf, dass sich ihr Projekt, wenn es in Konstanz Fuß fasst, dann über die bundesweit tätigen Organisationen in ganz Deutschland verbreitet. In einer späteren Phase des Projekts wollen sie zum Beispiel auch Ministerien ansprechen.

Wie aber sollen Hilfsbereite das für sich passende Engagement über die Plattform finden? Denn Listen mit Organisationen für ehrenamtliches Engagement gibt es bereits. Sie sind lang und oft fällt es schwer, herauszufinden, was sich hinter den einzelnen Listeneinträgen verbirgt.

„Das besondere Merkmal unserer Plattform wird ihr Matching-Charakter sein“, sagt Tobias Steinel. Nutzer können sowohl Gesuche aufgeben, als auch annehmen. Bei der Anmeldung müssen Hilfsbereite angeben, in welchem Bereich sie sich engagieren würden, welche Fähigkeiten sie haben, wo sie ihre Hilfe anbieten oder wie viel Zeit sie haben.

Wie Parship für soziales Engagement: Der Algorithmus sucht passende Hilfsgesuche

„Das Matching funktioniert dann ganz ähnlich wie das einer Online-Partnersuche“, sagt Fabian Ehehalt. Der Algorithmus durchsucht die Datenbank nach Gesuchen, die am besten zu den Angaben der jeweiligen Nutzer passen und schlägt ihnen verschiedene Ergebnisse vor.  

Konkrete Hilfsangebote zu formulieren und zu veröffentlichen, soll aber auch möglich sein. „Wenn ich zum Beispiel Kfz-Mechaniker bin und eine Werkstatt habe, könnte ich auf der Plattform schreiben: ‚Immer sonntags könnt ihr zu dieser oder jener Uhrzeit vorbeikommen, wenn ihr ein Problem mit eurem Auto habt.‘“, erklärt Tobias Steinel.

Denn die manuelle Suche nach Hilfsangeboten oder -gesuchen wollen die Studenten auch ermöglichen. Auf der Startseite ihrer Plattform wird es eine Liste geben, die Nutzer*innen nach bestimmten Kriterien filtern und selbst durchsuchen können.

Ein Zertifikat soll die Wertschätzung von sozialem Engagement steigern

Neben dem Zusammenbringen von Hilfesuchenden und Hilfsbereiten wollen die Studierenden mit „impAct“ noch ein weiteres Ziel vorantreiben. Sie wollen die Wertschätzung für soziales Engagement fördern. In Zusammenarbeit mit Organisationen für ehrenamtliche Arbeit wollen sie ein Zertifikat für Helfer*innen entwickeln. Wer sich über „impAct“ engagiert, soll dafür Punkte erhalten. In der App kann er sich anhand dieser Punkte dann sein Zertifikat, das von den Partnerorganisationen anerkannt wird, generieren.

Zu zweit ist die Umsetzung des Projekts natürlich nicht möglich. Deshalb haben Fabian Ehehalt und Tobias Steinelt ihre Kommilitonen und Kommilitoninnen von der HTWG und auch Studierende der Universität Konstanz dazu aufgerufen, sich an „impAct“ zu beteiligen.

„Wir haben bereits 20 Mitstreiter*innen, die in vier verschiedenen Teams an unserem Projekt arbeiten“, sagt Fabian Ehehalt. Das größte davon ist das IT-Team, das an der Realisierung von Plattform und App arbeitet. Dazu kommen BWL-Studierende, die sich um die Strategie kümmern und ein Kommunikationsteam, das mit den Hilfsorganisationen in Kontakt tritt. Vier Kommunikationsdesignerinnen der HTWG arbeiten an Logo und Moodboards.

„impAct" sucht weiterhin nach ehrenamtlichen Unterstützern für die Umsetzung des Projekts

„Gerade im Bereich IT oder der Frontendentwicklung suchen wir aber nach wie vor Unterstützung“, sagt Fabian Ehehalt, – auf ehrenamtlicher Basis versteht sich. Denn genau wie die Nutzer*innen ihrer Plattform, wollen sich auch die Studierenden mit ihrer Arbeit für das Projekt sozial engagieren. „impAct ist nicht kommerziell und soll es auch nicht werden“, betont der Student.

Aufgrund des ehrenamtlichen Charakters ist es schwierig, seriös zu schätzen, wann die Plattform startklar sein wird. Denn die Mitarbeiter*innen entwickeln das Projekt ja neben ihrem Studium. Erschwerend hinzu kommt, dass sich die Teammitglieder wegen der Corona-Einschränkungen zu einem großen Teil noch nie persönlich begegnet sind. Meetings finden per Videokonferenz statt. „Wir hoffen natürlich sehr, uns bald auch mal persönlich treffen zu können“, sagt Fabian Ehehalt.

Titelbild: HTWG Studierende entwickeln eine App, die Hilfesuchende mit Hilfsbereiten zusammenbringen soll. Foto: Balazs Ketyi / Unsplash