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Wir sitzen alle in einem Boot

03.06.2019

Die Theater der beiden Konstanzer Hochschulen gehen aufs Wasser: Sie laden zum Stück DO BE DO auf die Historische Fähre ein. Die Gäste können zuschauen. Und sie können noch viel mehr tun.

„Verdächtig…“, murmelt ein Mitglied des Comedy-Trios Bermuda-Dreieck. „Verdächtig!“, das sagen auch die Augen der anwesenden Pressevertreter. Alle stehen sie auf wankendem Boden. Auf den Paneelen eines Schiffes. Gemeinsam mit dem Außenminister, mit einem Wissenschaftler, Künstlern, mit der Presse und vielen Parteimitgliedern. Sie sind Gäste eines Parteifestes. Sie alle sitzen im gleichen Boot. Mit im Boot sitzt auch das Publikum. Das Setting ist nämlich das der kommenden Inszenierung der Theater der beiden Konstanzer Hochschulen. Zum ersten Mal spielen das Unitheater Konstanz und das Theater Hochschule Konstanz gemeinsam. Am 22. Juni ist Premiere von „DO BE DO“.

„Verdächtig“, denkt man sich auch als Gast eines Probenwochenendes. Draußen ist nach einigen Wochen garstigen Herbstwetters endlich der Frühling zu spüren. Und dennoch verbringen knapp 30 Studierende ihr Wochenende in der fensterlosen Studiobühne der Universität Konstanz. Warum? „Das Theaterspielen ist mir einfach sehr viel wert“, sagt Anton Hummel. Der Informatik-Student steht schon zum dritten Mal in einer Hochschul-Inszenierung auf der Bühne. Ein Stück zu erarbeiten, sich mit einem gesellschaftlich brisanten Thema zu beschäftigen, die damit verbundenen Diskussionen und den Zusammenhalt im Ensemble, das alles möchte er nicht missen.

Tun bedingt das Sein und das Sein das Tun.

„Dass die HTWG als Hochschule mit einem technischen Schwerpunkt im Studium generale das Theater anbietet, ist einfach großartig, das ist der ideale Ausgleich für mich zum Fachstudium“, sagt Anton Hummel, der im Stück Claus heißt. Claus – abgeleitet von Claudius, dem Stiefvater von Hamlet. Denn William Shakespeares „Hamlet“ dient den Studierenden als literarische Vorlage für ihr Projekt, in dem sie das Thema Klimawandel mit künstlerischen und darstellerischen Mitteln aufgreifen. Daher auch der Titel „DO BE DO“ – in Anlehnung an das berühmte „to be or not to be“.

„Jajajaaa, das ist eine gute Idee, probiert das mal aus“, ruft Anna Hertz vom Regietisch aus dem Bermuda-Dreieck zu. Catalina Wild, die nach ihrem Bachelor in Umwelttechnik und Ressourcenmanagement an der HTWG nun ihren Master in International Project Engineering macht, setzt eine Anregung ihres Spielpartners um. Sie spielt die Wetterfee innerhalb einer Unterhaltungs-Einlage des Comedy-Ensembles Bermuda-Dreieck, das während des Parteifestes für die Bespaßung der Gäste sorgen soll. Während ihrer Wettervorhersage voller witziger Wortspiele bleibt dem Zuschauer jedoch das Lachen im Hals stecken. Kündigt sie doch den Klimawandel gleich auf verschiedenen Ebenen an – politisch, atmosphärisch, gesellschaftlich.

Das Thema trifft einen Nerv

"Mit der Inszenierung zum Thema Klimawandel treffen wir gerade einen Nerv, das hatten wir so zu Beginn der Stückentwicklung noch gar nicht erwarten können“, sagt Anton Hummel. Denn schon vor der Ausrufung des Klimanotstands in Konstanz und des Erfolgs von Bündnis 90/Die Grünen bei der jüngsten Europawahl war für die Theaterleute der beiden Konstanzer Hochschule klar, dass sie das Thema in den Mittelpunkt rücken wollen. Was hindert uns Menschen, Veränderungen umzusetzen? Warum halten wir stattdessen an eingefahren Strukturen fest? Warum ist es so schwer, trotz vieler Informationen darüber, wie wir das Klima belasten, selbst aktiv zu werden? Mit ihrer außergewöhnlichen Produktion wollen die Studierenden Antworten auf diese Fragen finden: Sie laden zu den fünf Vorstellungen auf die Historische Fähre und damit auf den Bodensee ein. Ganz nach dem Motto: „Wir sitzen alle in einem Boot.“ Teil 1 findet auf der Historischen Fähre statt, gefolgt von Teil 2 auf dem Konzilvorplatz, auf dem sich Projekte und Initiativen aus dem Bodenseeraum rund um den Schutz unserer Umwelt vorstellen werden. Hier kann sich jeder Besucher und jede Besucherin selbst die Frage beantworten: „Was kann ich tun? Und was tun andere bereits? Und was hindert mich eigentlich daran, auch mitzutun?“

 

DO BE DO - Termine und Kartenverkauf

Vorstellungstermine: 22. Juni (Premiere), 24., 25., 27. 28. Juni – jeweils 19 Uhr; Abfahrt ist am Imperiasteg.
Karten gibt es zum Preis von 10 Euro (für Studierende) bzw. für 20 Euro per E-Mail-Reservierung unter theater@htwg-konstanz.de
Bis 7. Juni und vom 17. bis 21. Juni ist der Kartenverkaufsstand von 11:15 - 14:00 Uhr in der Mensa zu finden.
Sie werden auch an der Uni und an der HTWG vor der Mensa verkauft.
Weitere Informationen auf den Seiten des Theater der Hochschule Konstanz

 

Verdächtig macht sich ja irgendwie doch jeder – im Stück und unter den Zuschauern: Machtspiele, Intrigen, Missverständnisse. Warum handeln wir so, wie wir halt schon immer gehandelt haben, obwohl wissenschaftliche Ergebnisse und oft auch der gesunde Menschenverstand sagen: Das kann so nicht gut weitergehen. „Wir wollen aber nicht die Moralkeule schwingen, sondern auf Lösungsansätze verweisen und diese erarbeiten“, sagt Anna Hertz, Theaterpädagogin und Leiterin des Theaters der HTWG. Zu beachten ist das „wir“ in ihrer Aussage. Denn nicht sie gibt vor, was auf der Bühne geschieht. Das rund 75-köpfige Team entwickelte die Idee, das Stück und seine Umsetzung gemeinsam.

30 Studierende sind auf der Bühne - und nocheinmal so viele hinter der Bühne

Neben den 30 Schauspielerinnen und Schauspielern sind viele weitere Helferinnen und Helfer nötig: Technik, Maske, Kostüme, Requisite und nicht zuletzt Marketing erfordern Personal. Eine weitere Gruppe hat die Kontakte zu Initiativen und Vereinen rund um den See geknüpft, die sich auf dem Konzilvorplatz präsentieren werden. Anna Hertz hält unterstützt von Regieassistentin Dorit Binder alle Fäden zusammen. „Das ist tatsächlich eine Herausforderung“, bestätigt sie lachend. Um den Überblick zu behalten, haben die beiden die Stundenpläne aller Mitwirkenden in eine Excel-Liste eingetragen. Das erleichtere ihnen die Planung der Gruppenbesprechungen, Einzel- und Gesamtproben. „Dabei müssen wir auch immer Wegezeiten berücksichtigen“, sagt die Theaterpädagogin: Sind die Schauspieler an der Uni oder an der HTWG, wer muss noch auf den Gießberg, wer an den Seerhein kommen?

 

Verdächtig, dass die beiden Gruppen erst jetzt zusammenspielen? „Das ist für mich eine ganz neue Erfahrung“, sagt Matti Keller. Er ist wie Anton Hummel ein alter Hase auf der Hochschultheaterbühne. Aber auf der anderen Bühne, der Studiobühne des Unitheaters. Das, was für ihn neu ist, ist die zupackende, eher hemdsärmlige, eben praxisorientierte Herangehensweise der HTWG-Theaterleute. Während der Informatik-Student gesteht: „Ich spiele einfach“, sagt Matti Keller, dass ihm die Arbeit mit der Rolle, die theoretische Auseinandersetzung sehr wichtig sei. „Du machst Dir auch voll viele Notizen im Text“, sagt Hummel anerkennend zu dem Studenten, für den die Analyse literarischer Texte Alltag im Studiengang Literatur, Kunst, Medien an der Universität Konstanz ist. Und umgekehrt zollt Keller dem Informatik-Student Respekt, wie gut er sich intuitiv in die Rolle einfinden könne.
Beide sind sich einige, dass alle Mitwirkenden von der unterschiedlichen Herangehensweise der zwei Hochschultypen profitieren könnten. Sie schätzen sich und ihre jeweiligen Stärken. Es herrsche trotz aller Unterschiede eine sehr vertrauensvolle Atmosphäre, betont Anton Hummel und sagt: „Ich habe im Ensemble ein Gefühl von Sicherheit, das mir erlaubt, etwas auszuprobieren und an meine Grenzen zu gehen.“ „Die Zusammenarbeit mit den Kommilitonen der HTWG hat mein ganzes Konstanz-Bild verändert“, gesteht Matti Keller. Ihm sei erst dadurch klar geworden, wie viel an der HTWG laufe, im Studium generale und gerade auch im gesellschaftlichen Engagement wie zum Beispiel zur #Climatechallenge.

Vorstellungen am Touristen-Hot-Spot der Stadt Konstanz

Das Ensemble ist gespannt, wie das Stück mit dem polarisierenden Thema Klimawandel in der Öffentlichkeit aufgenommen werden wird. „Wir sind ja dann auf dem Konzilvorplatz mitten im Touristen-Hot-Spot“, sagt Matti Keller, der sich die Atmosphäre außerhalb der geschützten Studio-Bühne mit ihrem traditionell wohlwollenden Publikum noch nicht recht vorstellen kann. Doch so viel ist für ihn schon jetzt klar: „An einem so repräsentativen Ort, einer Schokoladenseite der Stadt, spielen zu dürfen, ist geil.“