Architektur

    Bachelor und Master

    Dekoratives grafisches Element

    Ecologies - eine etwas andere Sichtweise

    (11/19) In Kooperation mit dem ArchitekturForum KonstanzKreuzlingen durften wir im November einen besonderen Gast begrüßen. Johnny Leya, einer der drei Gründer des Büros „Traumnovelle“ bot seinen Zuhörern einen ganz neuen Einblick in das Verständnis von Architektur und Ökologie. 

    Schon als Studierende in Belgien haben sich Léone Drapeaud, Manuel León Fanjul und Johnny Leya zu „Traumnovelle“ zusammengeschlossen. Sie wollten sich einen Freiraum schaffen, um auch nach dem Studium ihr kritisches Denken zum Thema Architektur und Politik lebendig zu halten. Ihr bekanntestes Projekt ist „Eurotopie“, der belgische Pavillion auf der Architekturbiennale in Venedig 2018.

    Traumnovelle bezeichnet sich gerne als militante Fraktion der Architektur. So nutzen sie Architektur und Fiktion als analytisches, kritisches und subversives Werkzeug, um auf aktuelle Themen hinzuweisen und deren Lösungen zu analysieren. Traumnovelle ist kritisch, will wachrütteln, schwankt dabei zwischen Zynismus und Begeisterung und plädiert für ein kritisches Denken in der Architektur. Dies war durchweg im Vortrag von Johnny Leya zu spüren. Bisherige Gewohnheiten wurden von ihm grundsätzlich in Frage gestellt. Er forderte die Zuhörer auf, alte Verhaltensweisen über Bord zu werfen und plädierte für ein Umdenken in unserer Gesellschaft, um zu einem neuen Verständnis von Architektur zu kommen.

    Eine Frage, die sich die drei Architekten immer wieder stellen, ist: „Was bauen wir und wem dient es?“ Der technische Fortschritt bringt für Leya eine gefährliche Trennung von Mensch und Umwelt mit sich. Im Jahr 1973, während der Weltölkrise, tauchte in der politischen Debatte erstmals das Wort „Nachhaltigkeit“ auf. Der Begriff Ökologie schien damals mehr der Frage nachzugehen, wie man zukünftig Energie aus anderen Quellen gewinnen könne als dass man sich überlegt habe, wie sehr wir unser gesamtes Ökosystem bereits zu dieser Zeit schon beeinflusst hatten. Heute, 40 Jahre später, sagt Johnny Leya, sei die Situation schlimmer als je zuvor.

    Doch warum handeln wir nicht? Johnny Leya sieht das Problem vor allem darin, dass Architekten – wenn sie über Ökologie sprechen - hauptsächlich an Technologie- oder Energiefragen denken. Traumnovelle sucht nach Lösung in unterschiedlichen Krankheitsbilder, unter welchen unsere ökologischen Architekten heute offenbar leiden. Als Narzissmus der ökologischen Architektur bezeichnet er die Tendenz, Naturprinzipien nur deshalb verstehen zu wollen, um sie kontrollieren zu können. So werde eine seltsame Situation geschaffen, in der sowohl Mensch als auch Natur ihre Freiheit verlieren. Als weiteres Krankheitsbild bringt er die Agalmatophilie, (die sexuelle Anziehungskraft auf eine Statue, Puppe, Schaufensterpuppe oder ein ähnliches Objekt) – für Leya verkörpert durch den Archetyp des Gartens und einer offenbar menschlichen Tendenz, Pflanzen zu ihrem eigenen Vergnügen einzusperren um damit die Vegetation zu dominieren. Hingegen schafft es Frank Lloyd Wright bei „Falling Water“ seiner Meinung nach, Gebäude und Natur in eine enge Beziehung zu setzen und einen neuen konstruktiven Dialog zu schaffen, bei welchem keiner der beiden Komponenten entfernt werden kann, ohne das gesamte System zu zerstören.

    Und weiter provoziert Johnny Leya seine Zuhörer - darunter zahlreiche angehende Architekten - mit Sätzen wie: „Das nachhaltigste und beste Gebäude ist das Gebäude, das wir gar nicht erst bauen.“ Das Einfügen einer neuen Funktion in eine leerstehende Hülle zeigt er als bessere Option, die zudem billiger ist als der klassische Neubau: So geschehen bei einem Supermarkt, der in einem alten Theater in Venedig untergebracht ist.

    Am Schluss stellt er zwei Möglichkeiten in den Raum: mit dem Zitat von John Ruskin “When we build, let us think that we build forever“ plädiert er für Nachhaltigkeit und das Bauen für die Ewigkeit. Und gleich darauf stellt er alles wieder auf den Kopf mit der Frage: „Oder ist die Lösung eventuell genau das Gegenteil? Zu akzeptieren, dass Architektur kommt und wieder verschwindet und sogar in Vergessenheit gerät? In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“

    Auch Traumnovelle hat die perfekte Lösung für sich noch nicht gefunden.  (Text: Conny Lurz)