Architektur

    Bachelor und Master

    Dekoratives grafisches Element

    Alone Together

    (5/23) Der Architekt Peter Hutter gab in seinem Vortrag an der HTWG Einblicke in seine Arbeit. Eingeladen hatte das ArchitekturFORUM KonstanzKreuzlingen in Kooperation mit den Studiengängen Architektur. 

    Der Schweizer Architekt Peter Hutter hat bei Peter Zumthor gelernt und ein Diplom von der ETH Zürich – ausgezeichnet mit dem SIA–Award für die beste Masterarbeit. Sein Atelier Barão-Hutter (St. Gallen) realisiert poetische Projekte in den Bereichen Architektur, Städtebau und Landschaftsraum. Im Zentrum der Betrachtungen stehen dabei die Aspekte des allein seins und des zusammen sein. Und damit verbunden die Frage, wie Räume und Bauten idealerweise gemacht sein müssen, damit Interaktionen zwischen Mensch und Raum, zwischen Darstellern und Publikum gelingen können. Anhand dreier beispielhafter Projekte seines Büros gab Peter Hutter Einblicke in seine Vorgehensweise als Architekt. 

    Das erste Fallbeispiel war das Projekt »Weiere Sauna«, oberhalb der Stadt St.Gallen im Naherholungsgebiet »Drei Weihern« gelegen. Eines der schönsten Naturschwimmbäder der Schweiz (aus dem Jahr 1896). Die Aufgabe des ausgelobten Wettbewerbs bestand darin, das historisches Kastenbad für eine Winternutzung umzugestalten – ein Holzbau auf Betonpfeilern, der auf Wasser steht. Der eingereichte und umgesetzte Vorschlag, eine Sauna mit Winterbad und Schwitzstube, ist ein reduzierter Eingriff, der die Einfachheit des Gebäudes bewahren soll und die ästhetische Ausstattung aufs Wesentliche reduziert: Garderoben mit Duschen, zwei Saunen mit unterschiedlichen Temperaturen sowie ein Ruheraum mit Aussicht in den Wald. Das faszinierende am Beruf des Architekten sei, so Hutter, sich einem Thema zu stellen, dass dem eigenen Interesse sehr fremd ist. Das sei auch hier der Fall gewesen. Beide Architekten, weder er noch sein Partner Ivo Barão hätten zuvor Bezug zu Saunen, zum Saunieren gehabt. Sie hätten sich vielmehr dem Thema erst mit Anlauf nähern müssen. Eine Sauna sei sowieso eine diffizile Aufgabe. In diesem Fall umso mehr: ein historisches, geschütztes Gebäude inmitten eines Naturschutzgebiets. Alle Einbauten sollten aus Holz sein, die Signaletik abbaubar, weil sich die Nutzung im Winter vom Sommer unterscheidet. Die Menschen und ihre Körper sollten in einer intimen Architektur zurückgezogen sein, und sich nicht exponieren. Die übrige Anlage sollte unberührt und kalt belassen bleiben und den Besucher*innen die Möglichkeit geben, zusammen oder allein in dem Landschaftsraum zu sehen – nackt oder im Bademantel in der Landschaft. Die Zurückhaltung der sichtbaren Interventionen zeigt sich auch durch den Einsatz von einfachen Materialien, überwiegend aus Fichten- und Lindenholz.

    Das zweite Projekt, das Peter Hutter in seinem Vortrag präsentierte, befindet sich in Graubünden. Ebenfalls in der Schweiz, ebenfalls hervorgegangen aus einem öffentlichen Wettbewerb, bei dem ein Stadtplatz für Davos gefragt war. Jene Stadt, die als Kurort mit Sanatorien im 19. Jahrhundert, der Zeit der Tuberkulose, einen enormen Boom erlebte. Zentraler Ort des Geschehens war von Beginn an der Kulturplatz, 1911 erbaut – ein Arkadenplatz mit Filmtheater. Ivo Barão und Peter Hutter bekamen den Zuschlag, diesen zwischenzeitlich als Parkplatz umgenutzten Ort wiederzubeleben. Wofür braucht es öffentliche Plätze? Was ist das überhaupt, Öffentlichkeit? Mit diesen Fragen befassten sich die beiden Architekten in Bezugnahme mit dem Ort. Der umgebaute Platz und das neu geschaffene Filmtheater knüpfen an die Geschichte des Kurortes an und bieten Gelegenheiten für Begegnungen und Kultur. Entstanden ist ein eleganter urbaner Raum aus rot eingefärbtem, gestocktem und geschliffenem Stahlfaserbeton, der eine maximale Robustheit und Nutzungsflexibilität ermöglicht. Entstanden im engen Austausch mit der Denkmalpflege zeigt sich dort, trotz der tiefgreifenden baulichen Eingriffe und Ergänzungen, ein harmonisches Bild. Der Kulturplatz ist ein Ort des Austauschs und fördert das lokale Miteinander.

    Mit dem Umbau der Alten Reithalle in ein variabel nutzbares Konzert-, Tanz- und Theaterhaus ist Barão-Hutter ein großer Wurf gelungen. Für die beiden Architekten war dieser Umbau ein Schlüsselprojekt. Als sie 2012 den offenen Wettbewerb gewannen, hatten sie ihr Büro in St. Gallen soeben erst gegründet. Mit junger Naivität ignorierten sie das Raumprogramm, das zwei Säle forderte. Stattdessen zeigten sie einen Entwurf einer einzigen, offenen Halle. Die Idee überzeugte. Und überlebte zehn Jahre Planungs- und Bauzeit. Die Grundidee des Wettbewerbs ist immer noch erkennbar. »Architekten müssen sich für die Architektur starkmachen. Alles andere ist morgen schon überholt«, sagt Peter Hutter. Die Alte Reithalle hat eine militärische Vergangenheit: Bis 1974 gehörte sie der Kavallerie der Aarauer Garnison. Mit dem Umbau entstand ein Mehrspartenhaus für die Darstellenden Künste und die klassische Musik – mit flexiblen Zuschauersituationen. Die Halle hat ihre Nutzung markant verändert, auch wenn äußerlich vieles beim Alten geblieben ist. »Wir wollten die Patina unbedingt erhalten« sagt Peter Hutter. Für den Kulturbetrieb bieten sich fast grenzenlose Möglichkeiten. Die Halle hat einen ganz eigenen Charakter, sie ist an unterschiedlichen Seiten mit Eingängen erreichbar, ähnlich wie eine Bahnhofshalle. Mit dem Betreten befinden sich die Besucher*innen direkt auf der Bühne, denn diese füllt den gesamten Raum aus. Seit 2022 ist die Halle in Betrieb, wurde aber schon während der Bauphase dem Publikum immer wieder präsentiert. Weil sich die Akustik in der Halle vor dem Umbau bereits als ausgezeichnet erwiesen hatte, wurde diese nur mit wenigen Eingriffen optimiert – und überzeugt mit einem herausragendem Klang. Das mächtige Gebälk und die alten Mauern prägen den 2.000 Quadratmeter großen Raum. Das Dach wurden sie mit einem Überdach aufgedoppelt, damit die Schwerlastschienen für die mobile Theatermaschinerie direkt an die alten Balken gehängt werden konnten. In der komplett freigespielten Halle können theoretisch überall Bühnenelemente oder Sitzplätze aufgebaut werden. Einzig in der Mitte bilden schwere Vorhänge ein Foyer aus und teilen den Raum in zwei Säle: einen für das Orchester und einen für das Theater. Der Raum lebt von der Direktheit des Erlebnisses. Fast alles ist multifunktional, Backstage wird zu Frontstage und anders herum. Und erfüllt so hochgradige Anforderungen. 

    Im Anschluss an den Vortrag gab es Gelegenheit, mehr zum Start in die Selbstständigkeit und die Arbeitsphilosophie des Ateliers Barão-Hutter zu erfahren. Laut Peter Hutter gehört zur Gründung eines eigenen Büros auch eine große Portion Naivität. So wünschen sie sich bei ihren Projekten ein Höchstmaß an offenen Fragen, die zunächst unbeantwortet bleiben – echte Herausforderungen, bei der keine Ergebnisse von der Stange ausreichen. Bei denen niemand schon aus dem Stegreif eine Antwort weiß. Diese naive Haltung, ein Büro zu gründen und solche Projekte anzupacken, funktioniere in der Konstellation gut. Die beiden Gründer haben sich im Studium kennengelernt und festgestellt, dass die Zusammenarbeit funktioniert, auch auf der zwischenmenschlichen Ebene, trotz oder gerade wegen Missverständnissen. Die Kommunikation findet auf italienisch statt, ein Kompromiss auf halber Strecke zwischen Deutsch und Portugiesisch. Die Projekte funktionieren, weil es öffentliche Aufgaben sind, bei denen das Gegenüber auch stark mit einbezogen und herausgefordert wird. Zudem stehe hinter dem Atelier ein großes, kompetentes Team, nur so sei eine Jury mit der eigenen Naivität zu überzeugen. Es gehe nicht darum, so Peter Hutter, immer noch größere Projekte anzunehmen, sondern eine die gesamte Klaviatur an größeren und kleineren Aufträgen zu balancieren. Das Büro will sich nicht auf eine Bauform, eine Nische spezialisieren, sondern möglichst immer wieder in neuen Bereichen ganz von vorne beginnen. In den Projekte gehe es immer darum, sich gesellschaftlichen Aufgaben auf einer poetischen Weise anzunähern, als Mittler verschiedener Gewerke, auf einer funktionalen, sprachlichen und ästhetischen Ebene. Oft helfen dabei Rückgriffe auf Beispiele und Sequenzen aus der Popkultur. Im Fall der Reithalle dienten Szenen aus dem Film »Soulkitchen» als Referenz, als Hilfsmittel, um sich auf eine unkonventionelle Art zu verständigen. 

    Text: Tobias Stilz