Architektur

    Bachelor und Master

    Dekoratives grafisches Element

    Auf Exkursion in Istanbul

    (1/23) Das siebte Bachelor Semester der Studiengänge Architektur war im Januar im Fach Baugeschichte und Architekturtheorie auf großer Exkursion im vibrierenden, vielschichtigen Istanbul.

    »Architektur ist das kunstvolle, korrekte und großartige Spiel der unter dem Licht versammelten Baukörper«. Diese berühmte Aussage Le Corbusiers kennen viele. Weniger bekannt ist aber, dass dem Architekten die Erleuchtung zu den Körpern im Licht in Istanbul kam. Der damals 24-jährige Charles-Edouard Jeanneret führte während seiner ersten Reisen durch Mittel- und Osteuropa ein Tagebuch – sein Journey to the East. In sehr persönlichen Eindrücken und visuellen Notizen hält es seinen ersten Kontakt mit der volkstümlichen Architektur fest, die ihn für den Rest seines Lebens beschäftigen sollte. 

    Le Corbusiers anspruchsvolle Voyage d’Orient von 1911 und die damals entstandenen Notizen, Skizzen und Fotografien dokumentieren die persönlichen Kontakte eines europäischen Architekten mit der Geschichte und Alltagskultur verschiedener Städte, Orte und Architekturen auf dem Weg von Berlin nach Istanbul. Seit Mitte der 1920er Jahre haben die staatlich geförderten Aufenthalte der deutschsprachigen Architekt*innen die Bauten der Moderne und den Architekturdiskurs stark geprägt. Bruno Taut, Ernst Egli, Paul Bonatz und andere praktizierten und lehrten mehrere Jahre in der Türkei. 

    Das siebte Bachelor Semester der Studiengänge Architektur war im Januar im Fach Baugeschichte und Architekturtheorie auf großer Exkursion, in eben jenem vibrierenden, vielschichtigen Istanbul. Der Fokus auf der von unserer Lehrbeauftragten Dr. Ela Kaçel organisierten Reise lag dabei auf dem Gedächtnis der Istanbuler Moderne und den Spuren in Theorie und Praxis der Architektur in Geschichte und Gegenwart. Zwischen Le Corbusiers leuchtender, weißer Stadt bis zu den Beschreibungen von Orhan Pamuk, der sein Istanbul als schwarz-weiße Stadt voller Melancholie skizziert.

    Das Programm bestand aus Besuchen der ehemaligen byzantinischen Kirche und heutigen Moschee Hagia Sophia, dem Topkapi-Serail und, auf den Spuren der Moderne in der byzantinischen Altstadt, der Sultan-Ahmed-Moschee. Dieses 1616 fertiggestellte Gebäude gilt als eines der Hauptwerke der osmanischen Architektur. Nach der für alle Sinneseindrücke eindrücklichen Erfahrung des Mısır Çarşısı, einem überdachten Basar im Istanbuler Stadtteil Eminönü, ging es zum Süleymaniye Külliye (Bauzeit 1550–1557), einem Moschee-Komplex von Mimar Sinan. Das Konzept einer solchen Külliye geht zurück auf die verschiedenen Funktionen einer Moschee in der Frühzeit des Islams, als diese ein Ort des Gebets und der religiösen Lehre war – und gleichzeitig als Herberge diente. 

    Ein weiteres Anliegen der Reise war es, bereits bestehende Kooperationen der Fakultät Architektur mit den Istanbuler Hochschulen zu vertiefen, oder diese neu anzustoßen. Teil der Reisegesellschaft war aus diesem Grund die Referentin Cornelia Lurz, die unter anderem für die Austauschprogramme der Architekturstudierenden und Internationalisierung an unserer Fakultät mitverantwortlich ist. So fand ein Treffen mit Vertreter*innen der Fakultät Architektur der İTU (İstanbul TU Fakultät Architektur), unter anderem mit Dr. Zeynep Kuban, statt. Ebenso mit Vertreter*innen der Bahçeşehir Universität (BAU), mit der dank der Initiative von Prof. Leonhard Schenk bereits eine langjährige Partnerschaft besteht. Cornelia Lurz hatte dabei Gelegenheit, die Abschlussbesprechungen des Studiengangs Innenarchitektur im siebten Semester zu besuchen. Die Studierenden hatten die Aufgabe, ein Bestandsgebäude einer Olivenölfabrik in Bahadınlı in ein »Slow City Retreat Center« umzugestalten. Einrichtungen für Entspannung, Gemeinschaft, Bildung, Erholung und Boutiquen für Erwachsene und Studierende sollten dabei integriert werden, wobei die organisatorischen Beziehungen zwischen sich wiederholenden und multifunktionalen Bereichen, die effektive Raumnutzung, Beleuchtung, Materialien, Möbel und Farben zu berücksichtigen waren.

    Weitere Programmpunkte der Exkursion waren die Atatürk-Bibliothek (Atatürk Kütüphanesi) des Architekten Sedad Hakkı Eldem (Baujahr 1973), und, am östlichen Ende des Taksim-Platzes gelegen, das Atatürk-Kulturzentrum (Atatürk Kültür Merkezi, kurz AKM), ein Um- und Neubau von Murat Tabanlıoğlu (2019-21). Des Weiteren standen Besuche der Akademie der Bildenden Künste (Mimar Sinan Üniversitesi), mit der ab dem SoSe 23 eine Kooperation in Kraft tritt (initiiert durch Prof. Andreas Schwarting), des Istanbul Museum of Painting and Sculpture (İstanbul Resim ve Heykel Müzesi) und des Architekturbüros Ömer Pekin in Akaretler in Beşiktaş auf dem Programm.

    Anderntags ging es dann nach Florya zum Besuch der Atatürk Villa Florya (Atatürk Deniz Köşkü) von Architekt Seyfi Arkan im Jahr 1935 gebaut, der historische Amtssitz des Staatsgründers der Türkei, Mustafa Kemal Atatürk. Das Gebäude ist auf in den Meeresboden gerammten Stahlpfählen gebaut und mit dem sandigen Strand über einen etwa 70 m langen Holzsteg verbunden. Die Seevilla wird als Beispiel der frühen Architektur der Türkischen Republik betrachtet. Abschließend ging es dann in den Kunstraum imc5533 zur Ausstellung »Shape Of Your Error« (kuratiert von Melih Aydemir). Eine intensive, ereignisreiche Zeit am Bosporus, voll bleibender Eindrücke und spannender Begegnungen.

    Text: Tobias Stilz