Architektur
Bachelor und Master
POSITION.EN 2024
(SoSe 24) Wir freuen uns auch in diesem Sommersemester auf unsere öffentliche Vortragsreihe POSITION.EN des Fachbereichs Architektur an der HTWG Konstanz. Sie wird diesmal von Prof. Kyrill Keller unter dem Titel „BEGINNEN.BEWAHREN.BEGEISTERN“ kuratiert. Alle Interessierten sind herzlich willkommen!
VERSCHOBEN: VORFABRIKATION UND DAS ROCHE MULTIFUNCTIONAL WORKSPACE BUILDING – Anne Katharina Schulze
26. Juni, 19 Uhr – Dachatelier C302, HTWG Konstanz
Anne Katharina Schulze machte am vergangenen Mittwoch sichtbar, was hinter einem fertiggestellten Gebäude oft verborgen bleibt: Welche Entscheidungen zu welchen formalen, konstruktiven und gestalterischen Konsequenzen führen.
Im Zentrum des Vortrags stand das „Roche Multifunctional Workspace Building“, das 2021 durch das international tätige Achitekturbüro „Christ & Gantenbein“ realisiert und durch Anne Katharina Schulze als Projektleiterin begleitet wurde. Das Büro- und Versammlungsgebäude für das Pharmaunternehmen "Roche" bietet neben 100 ständigen und 300 flexiblen Arbeitsplätze, ein Auditorium und gastronomische Einrichtungen. Mit eindrucksvoller Stringenz schilderte Schulze den Entstehungsprozess des Gebäudes. Prägend für dessen Typologie war die Entscheidung, verbindende, vertikale Elemente wie Treppen und Aufzüge, die oft im Kern eines Gebäudes angeordnet sind, in den äußeren vier Ecken zu verorten. Wiederkehrendes Element in jedem Stockwerk ist eine stützenfreie Kassettendecke, die in der obersten Etage durch Deckenaussparungen im Kassettenraster Oberlicht verschafft. Die verglaste Fassade ermöglicht zudem Ein- und Ausblicke. In jedem Stockwerk entsteht eine offene Mitte, die nicht vorgibt, wie sie genutzt werden soll, sondern im Dialog mit den Nutzer:innen steht. Das Gebäude kann damit auf sich wandelnde Arbeitsbedingungen reagieren und wirft die Frage danach durch seine eigene Beschaffenheit immer wieder auf. Dank der Vorfabrikation von 400 Betonelementen und einer strukturierten Bauplanung mithilfe eines Grundrasters erfolgte die Versetzung der Bauteile in lediglich 25 Tagen. Gemeinsam mit „INCHFurniture“ und Hand in Hand mit den späteren Nutzer:innen wurde im letzten Schritt ein Katalog aus Möbeln entwickelt, der sich durch seine hohe Varianz in Nutzung und Formensprache auszeichnet und die Absicht eines anpassungsfähigen Raumes in aller Konsequenz fortsetzt.
Vielen Dank für die Ein- und Tiefblicke!
Vortrag
Im Fokus des Vortrags steht das Multifunctional Workspace Building für Roche, welches das dritte von Christ & Gantenbein realisierte Projekt auf dem Campus von Roche in Grenzach ist, nach den 2011 fertiggestellten Büro- und Technikgebäuden. Die Grundidee des Projekts ist klar und einfach: einen grosszügigen, nicht-hierarchischen Raum zu schaffen, in dem die Mitarbeitenden sich begegnen und arbeiten können. Diese Idee wird durch einen stützenfreien Innenraum sowie ein offenes, kontinuierliches Design transportiert, das zu fliessenden Bewegungen einlädt und überall Tageslicht sowie Ein- und Ausblicke ermöglicht.
Entscheidend für die Qualität eines neuen Gebäudes ist seine Fähigkeit, Veränderungen im Laufe der Zeit zu antizipieren und sich an sich verändernde Bedingungen anzupassen. Wie trägt dazu die Konstruktion des Gebäudes bei? Und in welchem Maße spielt die Wahl der Vorfabrikation, sprich Prefab eine Rolle? Welche Herausforderungen und Chancen liegen im seriellen Bauen in Bezug auf Ästhetik, und nicht nur in Bezug auf Kosteneinsparung und Schnelligkeit?
Christ & Gantenbein ist ein international tätiges Architekturbüro mit Hauptsitz in Basel, das 1998 von Emanuel Christ und Christoph Gantenbein gegründet wurde. Das Büro beschäftigt ein Team von 100 Architekten aus 20 Ländern. Zu den bekanntesten abgeschlossenen Projekten des Büros gehören die Erweiterung und Umgestaltung des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich und die Erweiterung des Kunstmuseums Basel, beides kulturelle Wahrzeichen mit weltweiter Ausstrahlung. In den letzten Jahren hat das Büro das Lindt Home of Chocolate fertiggestellt, einen imposanten und doch vielseitigen Raum für Lindt & Sprüngli in Zürich, sowie das Multifunctional Workspace Building für Roche in Deutschland, das eine neue Interpretation der zeitgenössischen flexiblen und hybriden Arbeitswelt darstellt. Im Jahr 2023 wurde die neue Aarebrücke in Aarau fertigstellt, ein modernes Infrastrukturbauwerk, das auch als Teil der Stadt dient, sowie die Wohnsiedlung Vaugirard Housing in Paris.
Anne Katharina Schulze, Associate, ist seit 2012 bei Christ & Gantenbein. Im Büro setzt sie ihre Design- und Planungsexpertise in einem breiten Spektrum von Projekten ein, vom Möbeldesign bis zur Museums- und Krankenhausentwicklung. Sie hat eine Reihe bedeutender Projekte begleitet, darunter das Schweizerische Landesmuseum Zürich, das Kunstmuseum Basel und als Projektleiterin das Roche Multifunctional Workspace Building, von der Entwurfsentwicklung über den Bau bis zur Fertigstellung.
HORIZONT X REFERENZ – Prof. Kyrill Keller
05. Juni, 19 Uhr – Aula, HTWG Konstanz
Assoziativ und persönlich reflektierte Prof. Kyrill Keller seine eigene Position in der Architektur und deren Vermittlung in der Lehre. Dafür spannte er einen Faden zwischen Zukunft und Vergangenheit – Horizont und Referenz.
Als prägende Komponente für alle Betrachtungen verwies er auf den Klimawandel und die Notwendigkeit ihm entgegenzuwirken. Seine Forderung lautete: „NichtBauwende JETZT!“. Anhand von Lösungsansätzen aus verschiedenen Epochen und Baukulturen, wie beispielsweise der Gassho-Bauweise der Edo-Zeit Japans, illustrierte er, wie eine nachhaltige Baupraxis gelingen kann.
Im zweiten Teil hielt er inne und wagte eine eigene Standortbestimmung. Dafür stellte er prägnante, berufliche Projekte vor, wie beispielsweise die Erschließung des „Theresienturms“ oder die Planung des „Pavillons zur BUGA“ (beide Projekte in Heilbronn). Mit Neugier und forschendem Blick zog er immer wieder Rückschlüsse für die Gegenwart und seine Lehre. Zum Schluss wandte er sich an die Studierenden und ermunterte sie „mutig zu sein, Thesen zu hinterfragen, Lehrende herauszufordern und ihre Fantasie zu verwenden“.
Prodekan Prof. Eberhard Schlag hieß Prof. Kyrill Keller im Rahmen der Antrittsvorlesung nochmals herzlich im Kollegium willkommen.
(Text: Caroline Donner)
Vortrag und Antrittsvorlesung
Im Spannungsfeld zwischen zukünftigen Entwurfsaufgaben, der Arbeit mit Vorhandenem, der zyklischen Betrachtung des Gebäude-Daseins, der Rückbesinnung auf einfaches Bauen und Materialeffizienz, der Übertragung von Thesen aus Leuchtturm-Projekten in Masse und Fläche, einer vagen Vorstellung, was künstliche Intelligenz für die Architektur leisten kann, und nicht zuletzt einem hohen Anspruch an die Gestaltung, gibt es vermutlich keinen besseren Zeitpunkt in den Kosmos einer Architekturfakultät einzutreten, als heute, jetzt. Dabei soll der Blick weit in die Zukunft gerichtet sein - gleichzeitig stammen das Empfinden für Raum und das Entwickeln von Phantasie oft aus den Erfahrungen und Eindrücken der Kindheit. Wie bringen wir diese Vor- und Rückschau zusammen? Wie entstehen daraus dauerhafte Räume, die uns gleichzeitig berühren?
Eine intelligent, einfach, konstruierte, gewachsene Umwelt. Beobachtungen aus Theorie und Praxis.
Kyrill Keller wurde 1983 in München geboren. Er studierte Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart und schloß 2012 mit dem Diplom ab. Anschließend lebte er vier Jahre in Basel und arbeitete beim renommierten Architekturbüro Christ & Gantenbein. 2017 kehrte Kyrill Keller nach Stuttgart zurück und gründete mit seiner Partnerin - Frau Prof. Monika Joos-Keller - das Architekturbüro Joos Keller. In den folgenden Jahren entstanden unterschiedlichste Projekte in allen Maßstäben. Das Architekturbüro kann auf mehrere Wettbewerbserfolge zurückblicken und erhielt verschiedene Auszeichnungen - 2023 zum Beispiel zwei Hugo-Häring-Auszeichnungen, zuvor eine Anerkennung beim Vorarlberger Holzbaupreis. Die beiden Partner wurden 2019 in den BDA berufen. Kyrill Keller ist seit 2023 Mitglied im Arbeitskreis „Die Jungen Hugos“ des BDA Baden Württemberg.
2023 wurde er an die HTWG Konstanz berufen und lehrt im Rahmen seiner Professur für Baukonstruktion und Entwerfen.
LOW TECH HIGH NATURE – Martin Haas
08. Mai, 19 Uhr – Aula, HTWG Konstanz
Mit weitsichtigen Impulsen bildete der Vortrag von Martin Haas den Auftakt der Veranstaltungsreihe. Anhand eigener Projekte veranschaulichte er seine Herangehensweise und berichtete von seinen Erfahrungen. Dabei führt ihn die Frage „Wie würden wir das Gebäude planen und entwerfen, wenn von einem Tag auf den anderen die Technik ausfallen würde?“ zu neuen Lösungsansätzen, die Wissen und Materialien einbeziehen, die unter Umständen in Vergessenheit geraten sind. Außerdem regte er an, die Angemessenheit von Nutzungssequenzen eines Gebäudes zu überdenken und mithilfe von Nutzungsübermischungen möglichst auf 24 Stunden auszuweiten. Im Sinne der Nachhaltigkeit und gegen den Gebäudeabriss lautete sein Schlussappell: „Es muss uns Architekten gelingen, dass die Menschen unsere Häuser lieben!“.
Die Veranstaltung wurde durch Prof. Kyrill Keller (Kurator der Reihe) und Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn eröffnet. Vielen Dank an den Gestaltungsbeirat der Stadt Konstanz für die Einladung von Herrn Haas und den Apéro.
(Text: Caroline Donner)
Inhalt
Die aktuelle Debatte um eine verantwortbare Lebensqualität zeigt einen grundlegenden Wandel unserer Gesellschaft, der über die Themen des Umweltschutzes und der Klimakrise hinausgeht. Oftmals reduziert sich Nachhaltigkeit auf eine effiziente Anlagentechnik. Anstatt hochkomplexer technischer Systeme, deren Abstimmung und Wartung sehr aufwendig ist, sollten wir eher über einen „intelligenten“ Einsatz sorgfältig ausgewählter Materialien nachdenken und dabei anstreben technische Lösungen zunächst zu vermeiden. Ziel muss sein unsere Gebäude generell zu vereinfachen mit dem Augenmerk auf eine langfristige Nutzung. Es muss uns gelingen, dass an erster Stelle ein materialgerechtes, mikroklimatisch optimiertes und möglichst ressourcenneutrales Gebäude entsteht, welches einen Großteil an grauer Energie von Anfang an vermeidet. Nachwachsende, möglichst örtliche und wieder verwertbare Baumaterialien behalten ihr energetisches Potential bei einer Nachnutzung dauerhaft und sollten die Grundlage für die Beurteilung der Sinnhaftigkeit einer Baumaßnahme werden.
Büro
haascookzemmrich STUDIO2050 ist ein von Martin Haas, David Cook und Stephan Zemmrich im 2012 gegründetes Architekturbüro in Stuttgart. Mit dem Ziel menschen- und umweltfreundliche Lösungen zu entwerfen, arbeitet das Studio an Stadtplanungs- und Architekturprojekten weltweit. Ziel des Büros ist eine Architektur, die dauerhaft das Leben der Menschen bereichert, sinnvolle Innovationen bietet und über die reine Funktionserfüllung hinaus einen kulturellen Mehrwert liefert. Als Mitbegründer des DGNB und anderer Initiativen, sind die Gründer Teil eines umfangreichen Netzwerks innovativer, nachhaltiger Architektur. Das STUDIO2050 lädt Experten verschiedener Disziplinen, wie Soziologen, Energieberater und Materialforscher ein nach neuen Ansätzen für die Entwicklung und Umsetzung einer nachhaltigen Architektur zu suchen. Martin Haas ist zudem Vorsitzender des Gestaltungsbeirat der Stadt Konstanz.
ABGESAGT: UNFERTIGE HÄUSER – Guobin Shen
12. Juni, 19 Uhr – Aula, HTWG Konstanz
Vortrag
Architekt*innen versuchen meist, fertige Häuser, also in sich schlüssige Baukunstwerke für die Ewigkeit zu erschaffen. Doch hält dieser Anspruch der Realität stand? Sollte das überhaupt das Ziel sein? Schließlich kann ohnehin nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Bauwerk nach Fertigstellung verändert. Inspiriert durch Referenzen aus Baugeschichte, Kunst und Anthropologie hat das junge Atelier Kaiser Shen zu Beginn seiner Praxis verschiedene Thesen entwickelt und diese anhand von eigenen Projekten überprüft. Zentral wird die Frage erörtert, wie sich Bauwerke in ihrer Lebensdauer aufgrund von äußeren Einflüssen verändern und was dieser Wandel für die Permanenz in der Architektur und für die Raumidee bedeutet.
Das Stuttgarter Atelier Kaiser Shen wurde 2017 von Florian Kaiser und Guobin Shen gegründet und bearbeitet Projekte in unterschiedlichen Maßstäben. Mit ihrem ersten Haus, dem Mikrohofhaus in Ludwigsburg, haben die Architekten für Aufsehen gesorgt. Das „Strohballenhaus“ in Pfaffenhofen bei Heilbronn steht beispielhaft für flexibel nutzbares Wohnen und Nachverdichtung im ländlichen Raum.