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Einblick in die Vielfalt des Holzbaus

Karl Langensteiner-Schönborn, Baubürgermeister der Stadt Konstanz, steht in einem Vortragssaal am Rednerpult. Hinter ihm ist eine Präsentationsfolie mit dem Schriftzug "Holzbautagung Konstanz" zu erkennen.

Regionale, nationale und internationale Holzbauprojekte waren Themen der diesjährigen Holzbautagung Konstanz, die gemeinsam von proHolz Schwarzwald und der HTWG organisiert worden war. Rund 90 Teilnhemer*innen verfolgten in Präsenz oder online die Vorträge.

Begrüßt wurden die Teilnehmer*innen durch die Gastgeber der HTWG Prof. Dr. Gunnar Schubert, Vizepräsident Forschung, Transfer und Nachhaltigkeit, und Prof. Dr. Andreas Großmann, Dekan der Fachrichtung Bauingenieurwesen. Auch Karl Langensteiner-Schönborn, Baubürgermeister der Stadt Konstanz begrüßte die Teilnehmer*innen und verdeutlichte anhand aktueller und anstehender Holzbauprojekte, dass Konstanz die Klimaneutralität bis 2035 sehr ernst nähme.

Anmoderiert durch Prof. Dr. Sylvia Stürmer startete Florian Hegar von Holzhaus Bonndorf zunächst mit einem Vortrag über die Sanierung und Aufstockung des Johanniter Ringhotels in Rottweil. Der familiengeführte Holzbaubetrieb übernimmt bei Bauprojekten die gesamte Koordination und ist mit einer teilautomatisierten Fertigung für verschiedene Bauaufgaben ausgerüstet. Das alte Hotelgebäude brachte jedoch einige Herausforderungen für das Planungsteam mit sich. Zum einen stand und steht das Gebäude unter Denkmalschutz, weshalb jeder Schritt in enger Abstimmung mit dem Denkmalamt geplant werden musste. Außerdem war es statisch erforderlich, die Lasten mit teils 70 Zentimeter hohen Stahlträgern über die Außenwände abzutragen. Mithilfe von modernster Technik wie einem 3D-Laserscanner zur Bestandserfassung und Brandversuchen über 90 Minuten konnte das Projekt realisiert werden. Laut Hegar wäre dies ohne die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten nicht möglich gewesen.

Im Kontrast dazu stellte Philipp Schmon, Bauingenieur beim Statikbüro SJB Kempter Fitze AG in der Schweiz, ein Projekt vor, welches wenig mit Denkmal zu tun hat. „Ein Blütendach aus Holz“ lautete der Vortragstitel, was die Dachkonstruktion des Casino-Neubaus in Venlo (Niederlande) sehr gut beschreibt. Das Tragwerk ist dabei als Freiform geplant und stützt sich auf einen großen mittigen „Baumstamm“ mit einem Durchmesser von 3,20 Metern. Rund 55 Meter mal 45 Meter überspannt die Konstruktion, die von oben betrachtet an eine Blüte erinnert - mit über 300 verschiedenen Teilen eine Herausforderung für das gesamte Team. Insbesondere die Knotenpunkte der vielen geschwungenen Träger, bedurften laut Schmon eines detaillierten Montageplans, der in enger Abstimmung mit den ausführenden Firmen erstellt wurde.

Besonders hervorzuheben ist, dass Philipp Schmon Absolvent der Fakultät Bauingenieurwesen der HTWG ist. Bereits mit seiner Abschlussarbeit, Entwicklung und Berechnung des Tragwerkes sowie deren konstruktiven Detaillösungen des ECOLAR-Home (eine studentische Projektarbeit für die Teilnahme am Solar Decathlon 2012) der HTWG zeigte Schmon seine hervorragenden Fähigkeiten im Ingenieurholzbau. Diese setzt er nun sehr erfolgreich mit seiner außergewöhnlichen beruflichen Expertise fort. Damals erzielte die HTWG in der Gesamtwertung den Platz 4 und im Teilgebiet "Engineering & Construction" Platz 1. „An unserer Hochschule ist Herr Schmon seit vielen Jahren Lehrbeauftragter für Ingenieurholzbau 2. Er gibt mit großem Engagement seine langjährige Erfahrung begeistert an unsere Bauingenieurstudierenden weiter“, erläutert Prof. Dr. Wolfgang Franke.

Bertram Keßler, seit fast 30 Jahren für die Firma LIGNOTREND Produktions GmbH tätig, berichtete über die neue Kindertagesstätte in Murg. Das rund 600 Quadratmeter Nutzfläche umfassende Holzbauprojekt der Firma LIGNOTREND gliedert sich mit fünf leicht schräg zueinander stehenden Gebäuden bestens in das dörfliche Umfeld und das langgezogene Grundstück ein. Die Besonderheit dabei war, so Keßler, dass die vorproduzierten Elemente bereits in Sichtqualität auf die Baustelle geliefert wurden. Dies bringe insbesondere bei nasser Witterung zusätzliche Herausforderungen für die Ausführenden mit sich. Keßler betonte außerdem, dass bei hohen Anforderungen an Wände und Decken bezüglich Schallschutz – wie es in Murg der Fall war – die Systemlösung von LIGNOTREND auch wirtschaftlich gut mit anderen Holzbauweisen mithalten könne.

Architekt Rudolf Lais (LAIS Architektur Tragwerke Technik Management, Eschbach) referierte im Anschluss über einen dreigeschossigen Hotelneubau in Holz, das Landhotel Bohrerhof. Die Aufgabe, den bestehenden landwirtschaftlich geprägten Betrieb mit Restaurant und Mitarbeiterwohnungen um einen Hotelbau zu erweitern, war keine leichte. Maßgebend war die Errichtung eines Hotelzimmers als Mockup, so Lais, da man hier sowohl technische, als auch gestalterische Versuche in Abstimmung mit der Bauherrschaft und den Herstellern durchführen konnte, bis zur optimalen Lösung. Hervorzuheben auch das Energiekonzept: eine Große PV-Anlage mit 620 kW deckt rund 80 Prozent des Energiebedarfs des gesamten Hof-Ensembles. Ein „Kühlbalken“, gespeist mit Grundwasser kühlt die Hotelzimmer im Sommer energiesparend auf angenehme Temperaturen. In Summe würde die Holzbauweise im Vergleich mit einer Errichtung in Stahlbeton rund 4200 Tonnen CO2 einsparen, beteuerte Lais zum Schluss.

In der Mittagspause hatten die Teilnehmer Zeit, sich über die Vorträge auszutauschen und die neu erschienenen Ausstellungstafeln zur Baukultur Baden-Württemberg zu begutachten. Im letzten Teil der hybriden Holzbautagung fand eine Projektvorstellung „REWE green farming“ im Dreigespann aus Architekturbüro, Planungsbüro und Holzbaufirma statt. Der Rewe-Markt wurde in Wiesbaden-Erbenheim errichtet. Zunächst schalteten sich Dirk Müller und Sheena Seeley (ACME, London/ Berlin) aus Berlin digital zu. Für das international tätige Architekturbüro war es die Aufgabe, den Supermarkt der Zukunft zu entwerfen. Dabei sollte kein Leuchtturm entstehen, sondern ein Prototyp, der als Basis für viele weitere Supermärkte dient. Für den Entwurf orientierte sich das Team von ACME an historischen Markhallen und überführte diese in das neue Konzept. Dabei entstanden die einzigartigen Stützen, die sowohl das äußere, als auch das innere Erscheinungsbild prägen.

Boris Peter, geschäftsführender Gesellschafter und Partner der knippershelbig GmbH, betonte anschließend und wieder vor Ort in Konstanz, dass Holzbau „Teamwork“ sei. Als Planer hatte er beim REWE-Projekt die Aufgabe, den Entwurf zu dimensionieren und mit den Anforderungen an Brandschutz, Holzschutz und Bauphysik in Einklang zu bringen. Dazu wurden die Stützen im Außenbereich aus Lärche gefertigt. Peter verwies ebenfalls auf die gute Wiederverwendbarkeit der gestapelten Stützen, nicht zuletzt weil alle Baustoffe des Gebäudes in einem Materialpass erfasst wurden. Unter anderem dadurch wurde der Supermarkt mit DGNB Platin ausgezeichnet.

Für die praktische Umsetzung und Werksplanung war die Firma Holzbau Amann aus dem Südschwarzwald zuständig. Das 70 Mitarbeiter große Familienunternehmen kann dabei auf viel Erfahrung zurückgreifen und baut überall dort mit, wo es komplexe und einzigartige Tragwerke gibt.Hendrik Pfeffinger, seit rund fünf Jahren Projektleiter bei Amann, war daher als Referent in Konstanz. Um Rissbildung in der Konstruktion zu vermeiden, verließ sich die Holzbaufirma auf einen Hersteller, der Prozessbedingt eine Holzfeuchte von 10 Prozent garantieren konnte. Für den Erfolg des Projektes war laut Pfeffinger aber vor allem die „strukturierte Bauleitung“ und die „dem Holzbau zugewandte Bauherrschaft“ auschlaggebend.