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Filmprojekt berührt: „Sie waren unsere Nachbarn“

Kommunikationsdesign-Studierende haben Interviews mit Angehörigen von Opfern des Nationalsozialismus geführt und gefilmt. Die Filme entfalteten nun eine umso eindrücklichere Wirkung, als sie an die Konstanzer Häuser projiziert wurden, die die letzte selbst gewählte Wohnstätte der Vorfahren der Interviewten waren.

Ein Lehrer, der entlassen wurde, weil er sich weigerte, unter der Hakenkreuzfahne zu unterrichten; Kinder, die ihre Eltern verloren und nur dank der Kindertransporte überlebt haben; die Tochter einer psychisch kranken Frau, die die Nazis ermordeten. Die Geschichten, die die drei Studentinnen Charlotte English, Nomi Schaffrath und Helena Teichmann mit Prof. Andreas Bechtold recherchiert haben, sind grausam und längst nicht vorbei. Denn sie leben weiter in den Erinnerungen der Nachkommen, in den vererbten Traumata.

Das Team hat sich auf Spurensuche gemacht und in Konstanz sowie in den USA Interviews geführt mit Zeitzeug*innen und Angehörigen von Opfern des Nationalsozialismus. Diese Interviews sind die Grundlage von fünf Filmen, die im Lauf des Wintersemesters 2022/2023 entstanden sind und die am 28. Januar 2023 in Zusammenarbeit mit der Initiative »Stolpersteine für Konstanz« an vier Häuserfassaden gespielt wurden. Es waren die Fassaden der Häuser, vor denen die "Stolpersteine" zur Erinnerung an die Opfer liegen. Der Häuser, in denen die Opfer gelebt und gearbeitet haben.

Eine Menschengruppe steht im Dunkeln und blickt auf eine Häuserfassade, auf die ein Film projiziert wird.
In der Rosgartenstraße in Konstanz betrachten Gäste das Interview mit Nachfahren von Werner Halpern, dessen Eltern im Holocaust ums Leben gekommen waren.

Die öffentliche Präsentation des Projekts »Unsere Nachbarn – Verfolgungsgeschichten 1933-1945« war Teil der Konstanzer Veranstaltung zum Gedenktag der Befreiung von Auschwitz. Den Vortrag im Rahmen der Gedenkfeier hat Prof. Dr. Aleida Assmann zur »Zukunft des Erinnerns« im Wolkensteinsaal des Kulturzentrums am Münster gehalten. Assmann bot dabei eine Art Topographie der Erinnerungskultur, lotete aus, wie wir erinnern, welche Fragen sich dabei stellen und wie Erinnerung künftig, wenn die Zeitzeugen nicht mehr da sein werden, aussehen kann. Assmann plädierte für Werte wie »Aufmerksamkeit, Interesse, Empathie und Engagement«, die nötig seien, damit erinnerte Geschichte Teil der Gegenwart bleiben könne.

Drei junge Frauen stehen in einem Vortragssaal links am Rednerpult.

Wie das aussehen kann, dafür sind die Filme der Studierenden ein gutes Beispiel: Charlotte English, Nomi Schaffrath und Helena Teichmann berichteten vor den über 200 Zuhörer*innen von ihren Interviewreisen, den Begegnungen, den auch für sie überraschenden Erkenntnissen. Im Anschluss bestand die Möglichkeit, bis 23 Uhr die Filme an den fünf unterschiedlichen Fassaden anzuschauen.