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Wenn IT den Juristen ersetzt

Ein Paragraphensymbol vor mehreren Reihen von Nullen und Einsen in Leuchtschrift.

Zum ersten Legal-Tech-Day an der HTWG holten die Veranstalter hochkarätige Referenten an den Seerhein. Sie stellten sich der Frage: Vereinfachen IT-Lösungen die Arbeit von Juristen oder ersetzen sie diese bald schon?

Legal Tech ist ein aktuell unter Juristen, Informatikern und Ökonomen intensiv diskutiertes Thema. Hierbei geht es um die Frage, wie juristische Dienstleistungen und damit zusammenhängende Prozesse ganz oder teilweise durch IT-Lösungen automatisiert oder wesentlich vereinfacht und in ihrer Effizienz gesteigert werden können.
Auch in den Studiengängen Wirtschaftsrecht (Bachelor) und Legal Management (Master) der HTWG Hochschule Konstanz ist Legal Tech ein Thema. „Do more with less“ sei die aktuelle Botschaft an Unternehmensjuristen laut Prof. Dr. Marc Strittmatter. „Wir sind uns sicher, dass sich die Arbeitsweise von Juristen fundamental ändern wird“, blickte Prof. Dr. Thomas Maier beim ersten Legal-Tech-Day an der HTWG voraus. Die Veranstalter hatten hochrangige Referenten aus Forschung und Praxis nach Konstanz geholt, die die Legal-Tech-Szene derzeit prägen und aktiv vorantreiben. Gäste des Tages waren neben Studierenden, die auch eigene Legal Tech Projekte präsentierten, auch Mitarbeiter von Rechtsabteilungen großer und kleiner Unternehmen, selbstständige Anwälte, aber auch Betriebswirtschaftler und Informatiker.
Die Veranstaltung ging der Frage nach, was die technischen Treiber von Legal Tech sind, wie diese in der Praxis anhand von ausgewählten Beispielen eingesetzt werden, was bereits heute funktioniert, womit in der Zukunft zu rechnen ist und wovon der Erfolg von Legal Tech Geschäftsmodellen abhängt.

So erlaubte Wolfgang Bosch von IBM einen Einblick in die Arbeitsweise von Watson. In seinem Vortrag mit dem Titel „Legal Tech Use Cases mit Künstlicher Intelligenz in Watson“ machte er anschaulich, wie die Künstliche-Intelligenz-Plattform von IBM große Dokumentenmengen analysieren, sie verstehen, damit lernen und interagieren kann. So könne zum Beispiel das System als digitaler Assistent bei der Frage nach Prozesskostenbeihilfe tätig werden oder Änderungen in Vertragsversionen erkennen. Viele Anwendungsideen sind noch Zukunftsmusik, die aber schon recht bald erklingen könnte.
Zurück in die Gegenwart führte Philipp von Bülow: Er machte deutlich, dass ein Besuch in der Anwaltskanzlei schon lange nicht mehr für die Inanspruchnahme von Rechtsdienstleistungen nötig ist. In seinem Vortrag „Legal (R)evolution – Digitalisierung von Rechtsdienstleistungen in Deutschland“ präsentierte der Gründer mehrerer Startups Geschäftsmodelle, die Anwaltsleistungen an Privatpersonen, aber auch große Rechtsabteilungen online vermarkten, inklusive alternativer Bezahlmodelle. Aus seiner Sicht handelt es sich dabei allerdings erst um „Legal Tech 1.0“. Noch seien viele Anwälte mit Online- und Videochats überfordert, außerdem sorge die deutsche Rechtslage für Einschränkungen. Viel stärker würden solche Plattformen bereits in den USA und in Großbritannien genutzt, was auch Dr. Micha-Manues Bues, ebenfalls ein Akteur in der internationalen Legal-Tech-Welt hervorhob. Gerade in den USA sei der „Artificial Lawyer“ in viel mehr Lösungen bereits etabliert.
Weitere Referenten waren Dr. Alexander Schwarz aus der Kanzlei Gleiss, der zur „Bedeutung von Legal Tech in der Transaktionsberatung“ sprach, Dr. Daniel Biene, der „Erfolgsfaktoren für die Gründung eines Legal-Tech-Startups“ vorstellte und Michael Reuter, der zum Thema „How to make code law – Aspeckts of technical compliance“ informierte. Neben den externen Sprechern präsentierten auch Studierende des Studiengangs Wirtschaftsrecht ihre Projekte.

Studiengänge Wirtschaftsrecht wollen Thema Legal Tech aktiv begleiten

In allen Beiträgen des Tages wurde deutlich: Aufgrund der Digitalisierungsmöglichkeiten und Systeme der künstlichen Intelligenz (KI-Systeme) wird Legal Tech für Juristen umwälzende Veränderungen mit sich bringen: Zum einen werden klassische Wissensmonopole aufgebrochen, zum anderen eröffnet die Informationstechnologie den Zugang zu Wissenssystemen. Bisher von Juristen ausgeführte Aufgaben entfallen, neue Angebote und Geschäftsmodelle etablieren sich.
„Die IT dringt in den Wesenskern der Juristerei ein und wir wollen bei der Entwicklung aktiv mitgestalten“, betonte Prof. Dr. Marc Strittmatter. Rechtsabteilungen von Unternehmen – eine der Hauptwirkungsstätten der Absolventen des Studiengangs – sehen sich mit der Forderung konfrontiert, immer mehr Aufgaben bei gleichbleibenden oder sinkenden Ressourcen zu bewältigen. Um die Herausforderungen zu bewältigen, biete die Legal-Tech-Entwicklung viele Möglichkeiten. „Der Studiengang Wirtschaftsrecht an der HTWG Konstanz begleitet diese Entwicklung aktiv und greift die Thematik im Curriculum auf“, erläuterte Strittmatter. Sie könnten sich glücklich schätzen, dass ihre Lehrenden ihnen schon während ihres Studiums die Auseinandersetzung mit der Zukunft ermöglichten, beglückwünschte Rechtsanwältin Astrid Kohlmeier, die durch den Tag führte, die Studierenden. (aw)

Foto: Pixabay