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Pandemie: Bierbrauen im Studium, um Praxiserfahrungen nachzuholen

Um durch Corona entstandene Lernrückstände abzumildern, haben die HTWG und ihre Fakultäten ein Programm an verschiedenen Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Sie helfen Student*innen unter anderem dabei, während der Pandemie verpasste Praxiserfahrungen nachzuholen – zum Beispiel beim Bierbrauen an der Hochschule.

"Wenn ihr einem Braumeister sagt, dass sein Bier nach Butter schmeckt, kann es sein, dass in seinem Gärkeller kurz Panik ausbricht!" – mit so praxisnahen Anekdoten startete bereits die Einführung in den Workshop „Bierbrauen“ für Bachelor-Student*innen aus dem Studiengang Verfahrens- und Umwelttechnik an der HTWG.

Verfahrenstechnik: Die Umwandlung von Rohstoffen in ein neues Produkt

Was das Bierbrauen mit dem Studiengang zu tun hat? „In der Verfahrenstechnik geht es darum, Rohstoffe in ein neues Produkt umzuwandeln“, sagt Prof. Dr.-Ing. Richard Erpelding. Genau das passiert beim Bierbrauen, das die Student*innen im Labor für Partikeltechnologie und Sortiertechnik sowie im Labor für angewandte Thermo- und Fluiddynamik gemeinsam mit ihren Professoren Dr. Christian Nied und Dr. Richard Erpelding von ihrem Kommilitonen Philipp Häberer aus dem Master-Studiengang Umwelt- und Verfahrenstechnik lernten.


Braumeister Philipp Häberer aus dem Master-Studiengang Umwelt- und Verfahrenstechnik erklärte den Student*innen den Brauvorgang (Foto: Zühre Gümüs).

Der Student hat vor seinem Bachelor-Studium im Fach „Brau- und Getränketechnologie“ eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer gemacht und in diesem Jahr neben dem Master-Studium sogar noch die Prüfung zum Biersommelier abgelegt. Mit spürbarer Begeisterung für sein Fachgebiet machte er bereits die Einführung in den Workshop zu einer kurzweiligen Angelegenheit.

Theorie anwenden: Beim Bierbrauen kommen verfahrenstechnische Prozesse zum Einsatz

Inklusive amüsanter Erfahrungsberichte aus dem Brauereialltag erklärte er den Teilnehmer*innen, wie, mit Hilfe von verschiedenen Mühlentypen, Gerstenmalz zu Schrot zerkleinert wird – eine Grundzutat für das Bier, das die Student*innen im Verlauf des Workshops selbst brauten.


Das Schrot ist eine der Grundzutaten für das Bier (Foto: Zühre Gümüs).

Eine weitere: die Hefe. Sie ist für die Gärung zuständig. Dabei wandelt sie Zucker in Alkohol um. Am Ende mache sie zudem den größten Teil des Aromas aus, erklärte der Braumeister. Bevor die Gärung aber stattfinden kann, muss der Zucker, der in Form von Stärke im Malz steckt, erst mit Hilfe von weiteren verfahrenstechnischen Prozessen herausgelöst werden.

Maischen und Filtern wandeln den Malz-Wasser-Sud in Würze um

Zunächst versetzen die Brauereien das geschrotete Malz dazu mit Wasser und erwärmen es. Die im Malz enthaltenen Enzyme bauen nun die Stärkemoleküle zu Zuckern ab, die sich im Wasser lösen. Dieser Prozessschritt wird als „Maischen“ bezeichnet.


Im Braukessel mischen die Student*innen die Zutaten für ihr Bier zusammen (Foto: Zühre Gümüs).

Filteranlagen – Läuterbottiche oder Maischefilter genannt – trennen die unlöslichen Bestandteile des Malzes aus dem Sud heraus. Zurück bleibt eine fast klare Zuckerlösung, die sogenannte Würze. Sie wird unter Hopfenzugabe gekocht. Dabei gehen die Aroma- und Bitterstoffe des Hopfens in die Würze über. Nach dem Abkühlen wird schließlich die Hefe hinzugegeben, die den Zucker in Alkohol umwandelt.

Bierbrauen an der Hochschule

Was in Brauereien im großen Stil passiert, praktizierten die Teilnehmer*innen im Kleinen in den Laboren der HTWG. Die finanziellen Mittel für das Praxisprojekt stammen aus einem Programm des Landes Baden-Württemberg. Dieses soll pandemiebedingte Lernrückstände abmildern. Dafür stellt das Land den Hochschulen im Jahr 2022 insgesamt zusätzliche 28 Millionen Euro zu Verfügung. Unter Anleitung der Organisatoren schroteten, maischten, analysierten und sterilisierten die Teilnehmer*innen des Workshops die Rohstoffe und wandelten sie in Bier um. Anhand des praktischen Beispiels konnten sie so ihre Kenntnisse von verfahrenstechnischen Prozessen vertiefen und anwenden.


Beim Maischen bauen die im Malz enthaltenen Enzyme die Stärkemoleküle zu Zuckern ab, die sich im Wasser lösen (Foto: Zühre Gümüs).

Um mit eigenen Augen zu sehen, wie Brauereien die Umwandlung der Grundzutaten in das Endprodukt im großen Stil umsetzen, hatten die Teilnehmer*innen die Gelegenheit in der Tuttlinger Hirschbrauerei eine reale Anlage im Betrieb zu sehen. In Kurzreferaten setzten sie sich zudem mit Themen wie der Geschichte des Bieres, mit Bieren im internationalen Vergleich sowie gesundheitlichen Aspekten des Biergenusses auseinander.

Unterschiedliche Biersorten dank variierenden Prozessbedingungen

Teil der praktischen Erfahrung war es auch, zu lernen, wie unterschiedliche Prozessparameter das Endprodukt beeinflussen. So konnten die Student*innen zum Abschluss des Kurses drei verschiedene Biersorten in insgesamt 100 Flaschen abfüllen.

Und was hat es nun mit dem buttrigen Geschmack auf sich? Bei der Gärung entstehen Nebenprodukte wie Diacetyl oder Ester. Diacetyl verleiht dem Bier ein buttriges Aroma, Ester können dem Bier ein fruchtiges geben. Was sich für manch eine*n nach einem guten Geschmack anhören mag, ist nicht oder nur in geringem Maß erwünscht – unter anderem, weil die Gärungsnebenprodukte auch Kopfweh verursachen können. Ihre Entstehung beziehungsweise ihren Abbau während des Gärungsprozesses zu kontrollieren, lernten die Student*innen im Workshop.

Titelbild: Beim Bierbrauen im Labor vertieften Student*innen der Verfahrens- und Umwelttechnik ihre Kenntnisse über verfahrenstechnische Prozesse (Foto: Zühre Gümüs).