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Auf, vor und hinter der Bühne

08.03.2022

Es ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal der HTWG: Eine Theaterpädagogin in Vollzeit. Sie hilft Student*innen beim bewussten Körper- und Stimmeinsatz – und beim Entdecken neuer Welten.

Schubladendenken hat bei Anna Hertz keine Chance. Dass Informatiker im Keller programmieren, aber in der Hauptrolle eines Theaterstücks nicht begeistern können, Maschinenbauerinnen zwischen Kaplan- und Francis-Turbine, aber nicht zwischen einer Bratsche und einem Kontrabass unterscheiden können, dass Elektrotechniker für eine gelingende Kommunikation zwischen autonom fahrenden Autos arbeiten, aber selbst an einem Radiomikrofon verstummen – all das hat sie mit ihrer Arbeit schon widerlegt. „Wir sind ja alle noch viel mehr als das Fachwissen, was wir für den Beruf nutzen“, sagt die Theaterpädagogin. Dieses „noch viel mehr“ möchte sie mit ihrer Arbeit fördern und bewusst machen. Dazu bietet sie ein vielseitiges Spektrum an Veranstaltungen an, die den Zugang zu Theater, Musik, Medien, Literatur und Kunst erleichtern: Theater, Radio, Lauschangriff (mit der Südwestdeutschen Philharmonie) und Blickwinkel (mit dem Theater Konstanz), dramatisches Schreiben, Anti-Rassismusworkshops und neu im Sommersemester: Veranstaltungstechnik für das Hochschultheater.

Niedrigschwellig und fächerübergreifend

Niedrigschwellig und fächerübergreifend sind alle ihre Angebote, Vorkenntnisse sind nicht nötig: „Jede*r ist willkommen, etwas Neues auszuprobieren und einen Blick in eine Welt zu werfen, die bisher verschlossen war“, betont Anna Hertz. Und so kommt es, dass sich beim „Theater der Hochschule“ viele engagieren, die schon im Schultheater aktiv waren. Aber eben auch viele, die noch nie auf der Bühne standen. Und dass beim Lauschangriff „alte Hasen“ der klassischen Musik dabei sind wie auch Frischlinge, denen es ein Rätsel ist, wann man nun im Konzert applaudieren soll und wann besser nicht. Allen Angeboten ist gemein, dass hier gemeinsam etwas erarbeitet wird. Und so waren insbesondere die Angebote von Anna Hertz in den zurückliegenden Pandemie-Semestern wichtige Anker für viele Student*innen der HTWG. Sie ermöglichten trotz der Umstellung auf Online-Formate Gemeinschaftserlebnisse

 

Zusammenarbeit – das ist für Anna Hertz auch die Zusammenarbeit mit hochschulexternen Partnern: Mit dem Konstanzer Stadttheater und der Südwestdeutschen Philharmonie zum Beispiel, dem Konstanzer Kulturamt, dem Uni-Theater oder auch mit Einrichtungen, die sich dem jeweiligen Projekt entsprechend anbieten.

Im kommenden Sommersemester wird sie im Studium generale zu folgenden Angeboten einladen:

Theater Hochschule Konstanz

Klar, hier sind Student*innen willkommen, die sich auf der Bühne ausprobieren möchten. Aber was wären sie schon ohne die Helfer*innen in der Maske, Requisite, Technik, von Kostüm, Bühnenbild und Marketing? Jede*r, der*die Interesse an einer Theaterproduktion hat, kann sich hier einbringen. In der Regel findet wöchentlich eine Probe statt. Dazu kommen zwei Probenwochenenden. Dafür gibt es 4 ECTS, benotet oder unbenotet. „Das Theater ist für alle, die sich trauen, etwas Neues auszuprobieren und andere Wege zu beschreiten, die um die Ecke und wieder zurück denken und dann einfach loslassen“, sagt Anna Hertz zu ihrer Zielgruppe.

Die Bretter des Hochschultheaters sind übrigens nicht zwingend auf dem Campus der HTWG. Inszenierungen fanden schon auf der alten Fähre im Konstanzer Hafen statt, zuletzt ganz coronaconform als theatralische Stadtführung in Konstanzer Straßen. Und auch in diesem Sommersemester wird das Theater der Hochschule voraussichtlich außerhäusig zu sehen sein.  

Radio Fischersbräutigam

Den Themen sind kaum Grenzen gesetzt: Laberetto, Architektur und Design, Fragen des Zusammenlebens, KochCast, Asian Popcast, Bier oder Wein – das Spektrum der Podcasts, die im Hochschulradio produziert werden, zeigt das Spektrum der Interessen seiner Macher*innen. Die Teilnehmer*innen entwerfen Konzepte, interviewen, texten, sprechen, moderieren, schneiden Sendungen und produzieren Musik.

Natürlich muss keine*r das alles bereits zu Beginn des Semesters können. Anna Hertz und erfahrene Podcaster*innen geben in den wöchentlichen Treffen Workshops in Ton- und Schnitttechnik sowie Stimm- und Sprechtraining. Gerade letzteres lässt sich dann gleich auch in der nächsten BWL-Präsentation oder im Maschinenbau-Praxissemester beeindruckend einsetzen – und im ganzen Berufsleben sowieso. „Die Studierenden sind sprechtechnisch auf ganz unterschiedlichem Level, wo ich versuche sie abzuholen. Bei manchen geht es darum, erstmalig eine Beziehung zum Sprechen zu finden. Wer kennt es nicht, bei einer Aufnahme der eigenen Stimme erstmal in eine Sinnkrise zu verfallen: ‚Was? So klinge ich?‘ Unsere Stimme ist ein verräterisches Organ, geht es mir gut, ist meine Stimme stark und traut sich auch nach außen zu strahlen. Bin ich unsicher, ist meine Stimme leiser oder gar zittrig. Deshalb ist Stimme immer auch innere Haltung. Also arbeiten wir auch viel am Sprechgestus, um zunächst Blockaden abzubauen. Dann kommt alles andere wie Artikulation, Gestaltung usw... Darin Dialekte `wegzuarbeiten´, sehe ich meine Aufgabe eher nicht, sondern natürliches und lustvolles Sprechen zu entdecken, das ist mein Ding.“

Die Podcasts sind übrigens auf den gängigsten Plattformaten offen und kostenlos zugänglich. Als interessanteste Interviewpartner*innen sieht Anna Hertz in der bisherigen Podcast-Geschichte „inzwischen viele Gäste unter Anderem Sarah Müssig vom Kulturamt Konstanz, Norbert Palz, Präsident der Universität der Künste in Berlin, der zu einem neuen interdisziplinären Studiengang Design und Computation von uns befragt wurde, sowie das junge Konstanzer StartUp MyCabin. Besonders freuen mich aber Interviewpartner*innen, die die Studierenden zu herausfordernden Themen wie Klimawandel, Anti-Rassismus oder auch zu sexualisierter Gewalt gefunden haben. So stellte der Architekturpodcast unterschiedliche nachhaltige Bauweisen vor mit Partner*innen wie der Konstanzer Architektin Sandra Czajka zum Thema Lehmbauweise oder Yorck Förster vom Deutschen Architekturmuseum Frankfurt zum Thema Fassadenbegrünung. Über sexualisierte Gewalt wurde mit der selbst betroffenen Nina Fuchs in einem sehr offenen Interview über Perspektiven zur Hilfe und Verarbeitung solcher Erfahrungen gesprochen. Es wird jetzt auch ein Podcast zum Thema Depressionen starten, alles auf eigene Initiative der Studierenden. Das ist mir wichtig und ich bin stolz auf sie, weil sie sich wichtigen Themen der Gesellschaft annehmen.“

Lauschangriff

Der Lauschangriff klingt heimtückisch, erfolgt aber ganz geplant und transparent: Hier können Student*innen, ganz unabhängig, ob sie schon bisher einen Bezug zur Orchestermusik hatten oder eben nicht, am philharmonischen Leben in Konstanz teilnehmen. Die Südwestdeutsche Philharmonie (SWP) mit Sitz in Konstanz lädt zu Probenbesuchen, Backstage-Exkursionen und Künstlergesprächen bis zu einem bunten Konzertprogramm, bei dem sich in den letzten Jahren die Inhalte vom klassischen Philharmonischen Konzert über Cross-Over-Konzerte, Chor- und Kammerkonzerte bis zum Kinderkonzert in der Turnhalle erstreckten.

Und ganz wichtig: Nach den Events wird bzw. wurde vor der Pandemie der Abend am großen Tisch fortgesetzt – im lebendigen Austausch, bei dem sich Studierende, Orchestermusiker*innen, Künstler*innen und Dirigenten auf Augenhöhe begegneten. "Für alle Beteiligten eine wunderbare Erfahrung – nicht nur für die studentischen Teilnehmer*innen", sagte Susanne Schlegel-Creutzburg, zuständig für die Musikvermittlung bei der SWP, im Sommersemester 2021.

Der Lauschangriff feiert in diesem Sommersemester ein kleines Jubiläum: Er wurde 2016 vom damaligen Intendanten der Südwestdeutschen Philharmonie (SWP) Beat Fehlmann und dem damaligen Theaterpädagogen der HTWG Felix Strasser († 2017) ins Leben gerufen. „Ich bin unendlich froh, dass wir mit Anna Hertz eine Form finden konnten, das Seminar anzubieten und die Studierenden teilhaben zu lassen an dem, was uns ausmacht und was wir alle vermissen“, sagte die Musikvermittlerin im letzten Sommersemester mit Blick auf die Pandemie.

Dramatisches Schreiben

Falls sich für die Produktion einer Theateraufführung eher Extrovertierte interessieren, finden Introvertierte beim „Dramatischen Schreiben“ in jedem Fall eine Heimat. Vorkenntnisse sind auch hier nicht nötig, nur die Freude am Schreiben. Einmal wöchentlich findet das Seminar statt, in dem ein Theaterstück im Team entwickelt und geschrieben wird.
Anna Hertz unterstützt die Student*innen hier dabei, durch Worte kreativ zu werden. Sie vermittelt Kenntnisse dazu, wie sich Sprache auf der Bühne umsetzen lässt und verführt dazu, das eigene Schreiben zu entdecken bzw. ausbauen. „Eine Szene schreiben können, verstehen wie sich das dramatische Schreiben von anderen Schreibstilen unterscheidet und darin verschiedene und eigene Formen finden“, das ist das Ziel der Theaterpädagogin. Und sie kündigt an: „Was Ihr in diesem Semester schreibt, kommt im nächsten Semester auf die Bühne!“

Auf Basis einer Stückvorlage wird das Schreibteam eine eigene Version herstellen. Dabei kann beispielsweise eine alte, verstaubt klingende Sprache in eine moderne „übersetzt“ werden, aktuelle Bezüge können in die Handlung verwoben werden – neue Ideen sind willkommen. Anna Hertz‘ Wunsch ist, so eine Schreiber*innen-Community an der Hochschule ins Leben zu rufen, die auf weitere Projekte Lust hat. Welche Projekte das sein könnten, darf sie selbst bestimmen und gestalten. Wie wäre es mit Mensa-Poetry, Songtexten bis zum Liebesbriefservice?
Aber Achtung: Wer mitmachen will, muss sich sputen – der Kurs ist auf zehn Teilnehmer*innen beschränkt.

Exit Racism - Ein Blockseminar zum Thema Alltagsrassismus:

Unter anderem mit theatralen Elementen arbeitet Anna Hertz in diesem Workshop, um für Alltagsrassismus zu sensibilisieren, unterschwellige Rassismen aufzuspüren und die eigene Prägung, Entstehung, Strukturen und Wirkungsweisen von Rassismus in Deutschland zu erkennen. Unterstützt wird sie dabei von der Antidiskriminierungstrainerin Jehona Miftari. „Der Workshop ist besonders für Neuankömmlinge im Thema Alltagsrassismus geeignet“, sagt Anna Hertz.

Rassismus kann sich unterschiedlich äußern. Manchmal erkennen wir ihn ganz deutlich, manchmal versteckt er sich und wir bemerken ihn gar nicht. „Wir werden die eigene Prägung, Entstehung, Strukturen und Wirkungsweisen von Rassismus in Deutschland anhand von Inputs, einer Romanvorlage und einiger Spiele kennen lernen, um Alltagsrassismus vorzubeugen und entgegenwirken können“, kündigt Anna Hertz an.

Veranstaltungstechnik für das Hochschultheater

Wer sich hinter der Bühne wohlfühlt und Freude daran hat, andere in ein gutes Licht zu rücken, der*die ist bei dieser Veranstaltung willkommen, die Anna Hertz gemeinsam mit dem Technikleiter des Hochschultheaters Malte Kühn durchführt. 4 ECTS oder 2 ECTS sind bei diesem Angebot erwerbbar.

Was wäre eine Bühne ohne Licht und Ton? Bei der Inszenierung des kommenden Semesters wird auch Videoeinspieler und Projection Mapping eine Rolle auf der Bühne spielen. Deshalb sind diejenigen gefragt, die an der Umsetzung von Bühnenkonzepten und am Kreieren von Licht- und Sounddesign Spaß haben oder diese Techniken kennenlernen möchten. Es gibt Einführungen in die Technik und zusätzlich in die Videoproduktion. Wichtigste Kompetenz: Zuverlässigkeit. Schließlich soll die Bühne bei den Aufführungen nicht dunkel bleiben.


Zu allen Programmpunkten gibt es weitere Informationen auf den Seiten des Studium generale


Und schon jetzt ein Ausblick auf das Wintersemester, dann gibt es auch wieder den

Blickwinkel

Ähnlich wie der Lauschangriff setzt die Veranstaltung „Blickwinkel“ auf den unmittelbaren Kontakt mit den Macher*innen und den Blick hinter die Kulissen, um Student*innen einen (neuen) Zugang zu Kultur zu ermöglichen. In der Veranstaltung besucht Anna Hertz mit den Teilnerhmer*innen einige ausgewählte Aufführungen des Theater Konstanz. Zu jeder Aufführung bekommt die Gruppe eine Einführung, im Nachgang wird über die Inszenierung diskutiert. „Mein Ziel ist, dass sich die Studierenden nicht berieseln lassen, sondern ihre Wahrnehmung schulen und selbst aktiv werden. Dass sie ästhetische Mittel des Theaters kennenlernen, deren Einsatz beurteilen und sich eine eigene Meinung dazu bilden“, erläutert Anna Hertz. Dazu gehört auch, Theaterkritiken zu lesen sowie, eine eigene Rezension zu schreiben. „Zentral aber ist der Spaß am gemeinsamen Theatererlebnis!“, so Anna Hertz. Das Theater Konstanz ermöglicht hierfür auch Treffen mit Schauspieler*innen, Regisseur*innen und eben den Blick hinter die Kulissen des Theaters.

 

Bildquelle: iStockphoto/ Michael Burrell, batuhan toker, avdyachenko