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Leistungssport und Studium? Das geht! Mit viel Leidenschaft!

09.04.2020

Um die 20 Stunden pro Woche investiert Lukas Ott, Student an der HTWG und Volleyballer beim Zweitligist TSV Mimmenhausen, in seine sportliche Karriere. Leistungssport und Studium – wie das geht, haben uns er und HSG Handball-Torwart Simon Tölke erzählt.

Balltraining, Krafttraining, Fitnessstudio, Spielanalyse der gegnerischen Mannschaft für das nächste Spiel, Spieltage und die Anfahrt dorthin – die Zeit, die Lukas Otts Volleyballkarriere in Anspruch nimmt, entspricht der eines 50-Prozent-Jobs. Er spielt als Diagonalangreifer in der ersten Mannschaft des TSV Mimmenhausen. Dabei studiert der 22-Jährige im vierten Semester Wirtschaftsingenieurwesen Bau an der HTWG, zu 100 Prozent.

In der Prüfungszeit wird es für studierende Leistungssportler eng

Das Studium und seine Volleyballkarriere unter einen Hut zu bekommen, ist nicht immer einfach. „An Vorlesungsterminen, die am späten Nachmittag stattfinden oder Blockseminaren am Wochenende kann ich häufig nicht teilnehmen“, sagt der Volleyballer. Hier ist Organisationstalent und Eigeninitiative gefragt. Die Materialien aus Veranstaltungen, die er nicht besuchen kann, bekommt Lukas Ott von Kommilitonen. Damit bringt er sich den Stoff selbst bei.

„In der Woche vor der Prüfung lasse ich dann auch mal das Training ausfallen, um den letzten Vorlesungstermin zu besuchen, in dem häufig der prüfungsrelevante Stoff noch einmal zusammengefasst wird“, sagt er.

Trotzdem wird es in der Prüfungszeit eng. Viele Studierende legen dann die ein oder andere Nachtschicht ein. Für einen Leistungssportler keine gute Option. Wenig Schlaf verringert die Leistungsfähigkeit. „Aber 6 Stunden pro Nacht für ein paar Wochen, das geht schon“, sagt der Volleyballer.  

BWL-Lernen im Mannschaftsbus: Das Volleyball-Team fährt zu Auswärtsspielen bis nach Leipzig

Für Lernfächer wie BWL nutzt er auch die Fahrten zu den Spieltagen im Mannschaftsbus. Bis zu 16 Stunden sind die Volleyballer des TSV Mimmenhausen für einen Spieltag inklusive Spielzeit mitunter unterwegs. Ihre Gegner kommen unter anderem aus Leipzig, Gotha oder Frankfurt. „Mathe zu lernen, ist da schon schwieriger, das geht nur am Schreibtisch“, sagt Lukas Ott.

Noch schwieriger wird es, wenn eine Prüfung an einem Spieltag stattfindet. „Ich habe in so einer Situation auch schon einmal einen Erstversuch weggeworfen“, sagt der Spieler des TSV Mimmenhausen.

Und wie sieht es mit dem Studentenleben aus? „Feiern gehe ich eigentlich ausschließlich nach Spieltagen mit meiner Mannschaft“, erzählt Lukas Ott. Er wohnt auf der anderen Seeseite, hat an drei Abenden in der Woche Training und freitags oder samstags vor Spieltagen, kann er auch nicht weggehen. Unter seinen Kommilitonen hat er eine Handvoll gute Freunde. „Die anderen kenne ich eigentlich nur vom Sehen“, sagt er.

Ruhm und Reichtum Fehlanzeige: Die Volleyballer in der zweiten Bundesliga bekommen kein Gehalt

Warum er das alles auf sich nimmt? Reich und berühmt wird man als Zweitliga-Volleyballer nicht. Während ein Fußballer in der zweiten Liga durchschnittlich 450.000 Euro im Jahr verdient, bekommen Volleyballer häufig nur eine Fahrtkostenentschädigung. In manchen Vereinen gibt es noch einen Siegesbonus.

Ein Gehalt bekommt Lukas Ott nicht vom TSV Mimmenhausen. Der Verein hätte schon Schwierigkeiten damit, einen Aufstieg in die erste Liga zu finanzieren. Denn damit sind kostspielige Auflagen verbunden, die der Verein ohne zahlungskräftige Sponsoren nicht stemmen könnte.

„Wir sind aber einfach ein megacooler Verein“, sagt Lukas Ott. An der HTWG Konstanz wollte er studieren, um beim TSV Mimmenhausen bleiben zu können. Es sind seine Leidenschaft für den Sport und der Teamspirit seiner Mannschaft, die ihn motivieren. „Wir stehen einfach zusammen“, sagt er. Solange das so bleibt und er fit ist, möchte Lukas Ott weitermachen und vielleicht sogar noch den Master an der HTWG dranhängen. „Ich denke, wenn ich den Bachelor schaffe, dann schaffe ich auch den Master“, sagt er.

Prüfung in Konstanz und Spiel in Eisenach an einem Tag? Machbar.

Statt den Gegner mit Angriffsschlägen unter Druck zu setzen, fängt Handballer Simon Tölke die Angriffe gegnerischer Mannschaften ab. Als Torwart der Zweitliga-Mannschaft der HSG Konstanz ist er der Mann für brenzlige Situationen. Die erlebt er aber nicht nur auf dem Spielfeld. Auch bei der Koordination seiner Handballkarriere mit seinem Studium an der HTWG wird es manchmal eng.

Der 27-Jährige macht gerade seinen Master in Unternehmensführung. „Ich hatte einmal ein Blockseminar, das über mehrere Wochenenden verteilt stattfand. Der letzte Termin inklusive mündlicher Prüfung war an einem Samstag“, erzählt Simon Tölke. Am selben Tag um 20 Uhr startete ein Spiel der HSG im knapp 500 Kilometer von Konstanz entfernten Eisenach – mit Simon Tölke.

Um pünktlich zum Anpfiff spielbereit in Eisenach auf dem Feld zu stehen, legte der Torwart seine Prüfung in Absprache mit dem Professor als Erster ab und fuhr danach direkt zum Spiel. „Ich habe glücklicherweise Kommilitonen, die diese Sonderbehandlung respektieren“, sagt Simon Tölke.

Das Studieren ist als Leistungssportler ein anderes

Für den Handballer hat sein Studium die gleiche Priorität wie seine sportliche Karriere. „Im Dialog mit der HSG war es mir immer wichtig zu sagen: ‚Ich bin auch hier, um meine berufliche Perspektive weiterzutreiben‘“, sagt er.

Kooperationsvereinbarung zwischen der HTWG und der HSG Konstanz

Ein Studium mit einer sportlichen Karriere zu vereinen, ist aufgrund des hohen Zeitaufwandes im Leistungssport eine Herausforderung. Um spitzensportliches Engagement in der Region Konstanz nachhaltig zu fördern, haben die HTWG und die HSG Konstanz 2015 eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Sie soll die Vereinbarkeit von Handball-Karriere und wissenschaftlichem Studium sicherstellen, um die Zukunft der Spitzensportler nach Abschluss ihrer aktiven Laufbahn zu sichern. „Wir möchten die studierenden Handballer unterstützen, denn wir sehen viele Parallelen zwischen uns und dem Spitzensport. Ehrgeizige, leistungswillige Sportler haben eine Vorbildfunktion. Sie begeistern, reißen mit und beißen sich durch“, erklärte HTWG-Präsident Prof. Dr. Carsten Manz bei der Vertragsunterzeichnung. Die HTWG möchte ihrer Verantwortung gegenüber den studierenden Sportlern durch individuelle Förderung gerecht werden, zum Beispiel durch die Bereitstellung von persönlichen Mentoren sowie eine an die Anforderungen des Spielbetriebs abgestimmte flexible Studienplanung.

Mehr über die Kooperationsvereinbarung:  www.hsgkonstanz.de

Zwar kam der Torwart nach Konstanz, um sich handballerisch weiterzuentwickeln, die HTWG war aber ein großer Pluspunkt für die Karriere am Bodensee. „Ich habe meinen Bachelor in Nürtingen gemacht. Etwa zu der Zeit als ich mit dem Studium dort fertig war, sah ich sportlich aber keine Perspektive mehr in der Region“, erzählt er. Die einzige Alternative in der Nähe war Konstanz. Es sei ein echter Glücksfall gewesen, dass es an der HTWG dann auch den passenden Masterstudiengang für ihn gab und er gleich im ersten Bewerbungsanlauf genommen wurde, so Simon Tölke.  

„In den ersten beiden Semestern hatte der Master für mich ganz klar Priorität“, sagt er. Das habe ganz gut funktioniert. Auch wenn das Studieren als Leistungssportler natürlich ein anderes sei. Das Team der HSG trainiert siebenmal an fünf Tagen in der Woche. Eine Trainingseinheit dauert 90 Minuten. Zusätzlich gibt Simon Tölke noch einmal in der Woche Torwart-Training für die A- und B-Jugend der HSG. 12 Stunden pro Woche verbringt er so allein beim Training in der Halle.

Verschnaufpausen gibt es wenige: Zwei bis drei Wochen Urlaub im Jahr müssen reichen

Hinzu kommen die Fahrten zu Auswärtsspielen. In der zweiten Handballbundesliga spielen Mannschaften aus ganz Deutschland. „Konstanz ist sozusagen der südlichste Ausläufer der Liga“, sagt der Torwart. Am weitesten fahren muss das Team der HSG zu Spielen beim Vfl Lübeck-Schwartau. „Für so einen Spieltag sind wir über drei Tage unterwegs“, erzählt Simon Tölke. Am Freitagabend geht es los, nach dem Spiel am Samstag fährt die Mannschaft über Nacht nach Hause und kommt am Sonntagvormittag wieder in Konstanz an.

Im Bus zu lernen, findet der Torwart schwierig. „Man ist nie allein und es ist immer laut“, sagt er. Obwohl Studium und Leistungssport schon einen Großteil seiner Zeit in Anspruch nehmen, versucht er, so oft wie möglich am Studentenleben seiner Kommilitonen teilzuhaben, ohne dabei über die Stränge zu schlagen. „Gerade nach den Prüfungen versuche ich bei gemeinsamen Feiern dabei zu sein“, sagt er.

Verschnaufpausen gibt es wenige im Leben von Simon Tölke. „Effektiv habe ich zwei bis drei Wochen im Jahr, in denen keine Termine anstehen“, sagt er. Die gemeinsame Urlaubsplanung mit seiner Freundin ist eine Herausforderung.

Werkstudentenjob Handballer: Der Student kann sein Leben durch den Leistungssport finanzieren

Immerhin verdienen Handballer in der zweiten Bundesliga genug, um ihr Leben finanzieren zu können. Simon Tölkes Mannschaftskameraden studieren fast alle. Sie sind wie ganz normale Werkstudenten bei der HSG angestellt. „Wenn man aus einem finanziell schwachen Elternhaus kommt, ist der Sport eine gute Möglichkeit, sich das Studium zu finanzieren“, sagt der Handballer. Es reicht sogar für das Leben im teuren Konstanz.

Beim Leistungssport hat der Torwart aber auch Fähigkeiten entwickelt, die ihm in anderen Lebensbereichen weiterhelfen. „Man ist es gewohnt diszipliniert zu arbeiten, das hilft zum Beispiel beim Lernen“, sagt er. Die Erfahrung damit Leistung auch in Drucksituationen abzurufen, hilft während Prüfungen. Zudem hat der Handballer schon früh gelernt, sich vor anderen Menschen zu präsentieren.

Mit einem 40 Stunden-Job, glaubt Simon Tölke, ist der Leistungssport aber nicht vereinbar. Der Student arbeitet aktuell an seiner Masterarbeit. Danach wird er sich nicht nur von der HTWG, sondern auch von der HSG verabschieden. Er wird nach dem Studium eine Stelle in Reutlingen antreten und in seinen Heimatverein zurückkehren. Dort wird er in der dritten Liga spielen können, mit reduziertem Trainingsaufwand.

Titelbild: Egal ob Volleyball oder eine andere Sportart, Leistungssport neben dem Studium geht nur mit viel Leidenschaft. Foto: TaniaVdB / Pixabay