Architektur

    Bachelor und Master

    Dekoratives grafisches Element

    Mehr als... Architekturlehre: Berichte aus dem Fortbildungssemester

    Prof. Oliver Fritz ging während seines Fortbildungssemesters auf "Digitale Walz", um nicht nur hochkomplizierte Maschinen, die für das Open Innovation Lab (OIL) angeschafft werden, auswählen und bedienen zu können, sondern auch in Zukunftsszenarien im Bauwesen zu blicken. Unter dem Titel "4.0 - Digitalisierung in Architektur, Handwerk und Lehre" berichtetete er am 6. Dezember 2017 von seinen Besuchen in Hochschulen, Produktionsbetrieben und bei Handwerkern in Deutschland, der Schweiz und Österreich, die schon heute fortschrittliche, zumeist auch die Arbeitswelt vollkommen umkrempelnde Methoden anwenden.

    Dabei ging es um die Automatisierung von Gestaltung bis zu dem Grad, dass Assistenzsysteme eigenständige Entscheidungen treffen und den Mensch nur noch bei Problemen zu Rate ziehen. So durchkämmen beispielsweise Suchmaschinen das Internet auf der Suche nach Grundrissen und übernehmen durch deren Zusammenführung typische Architektenarbeit, während Roboter besonders präzise (aber auch langsam!) im Mauerbau Steine platzieren können. Auch im Möbelbau sind CNC-gestützte Arbeitswelten auf dem Vormarsch, die einerseits individuellere Fertigung erlauben, andererseits Schreiner immer mehr zu Monteuren degradieren.

    Gemeinsam mit vielen namhaften Co-Autoren bereitet Prof. Fritz derzeit ein grundlegendes Werk zu den Auswirkungen von Technologie im Bauwesen vor, den Atlas Architektur und Informationstechnologie. Er rief die Anwesenden eindringlich dazu auf, sich auf die grundlegenden Umwälzungen vorzubereiten, beispielsweise durch eine fachliche Ausrichtung hin zu "mathematischem Denken und Programmieren".

    Mit den finanziellen Aspekten des Wohnungsbaus beschäftigte sich Prof. Rolf Neddermann während seines Fortbildungssemesters. Auf Anregung einer städtischen Wohnungsbaugenossenschaft hatte er eine größere Wohnungsanlage "seziert" und die einzelnen Gebäudeelemente auf ihre Einsparpotentiale hin untersucht. Die Erkenntnis, die er dem Publikum am 10. Januar 2018 unter dem Titel "Geschosswohnungsbau - geht's denn noch billiger?!" mitteilte, war ernüchternd: Architekten haben kaum Möglichkeiten, die Baukosten erkennbar zu senken. Natürlich lassen sich durch hochpreisige Ausstattung die Baukosten fast beliebig nach oben schrauben, aber aufgrund der hiesigen Baustandards können die Stellschrauben in die entgegengesetzte Richtung nicht im gleichen Maße angezogen werden, die Einsparpotentiale liegen unter 1 %.

    Als Grund hierfür lässt sich das Pareto-Prinzip anführen: Etwa 80 % der Bauelemente verursachen lediglich 20 % der Baukosten. Die großen Positionen sind die Kosten für das Baugrundstück und das Architektenhonorar. Mögen auch professionelle Auftraggeber durch die Beauftragung eines "vergleichbaren" Gebäudes versuchen, das Architektenhonorar zu verringern, so sind diese Positionen doch relativ fix. Baunebenkosten belaufen sich heutzutage auf rund 25 % des Baupreises.

    Da die Kaufpreise für Grundstücke und Immobilien stärker anziehen als die Miepreise, wird der Wohnungsmarkt zunehmend uninteressant für Investoren. Über lange Zeit wurde der Geschosswohnungsbau vernachlässigt, nun wird der Wohnungsbaubedarf auf jährlich mindestens 400 000 Einheiten geschätzt. Nicht nur Senioren, die "zu große" Wohnungen bewohnen, sondern der allgemeine Trend zu Single-Haushalten und auch Zuzüge verschärfen die Lage.

    Während die Wohnfläche pro Kopf allgemein kontinuierlich steigt, liegt sie im Eigenheim deutlich höher als bei Mietwohnungen. Wer günstige Mietwohnungen errichten will, dem bleiben nur zwei Möglichkeiten: In weniger attraktive und dadurch billigere Lagen ausweichen oder die Wohnungsgröße verringern - diese Aussichten regten die Zuhörer zu einer kreativen und munteren Diskussion an.

    Mit ihrem Vortrag "RAUM.LEHRE : LEHR.RAUM - architekturlehre im interkulturellen kontext" nahm Prof. Myriam Gautschi die Zuhörer am 17. Januar 2018 mit auf eine Reise durch Lateinamerika und Europa. Sie zeigte eine Kartierung der Bildungslandschaft in der Architekturlehre - von freiheitlich oder auch sozial und politisch ausgerichteten Architektenschmieden bis hin zu eher autorenbezogenen Einrichtungen.

    17 Hochschulen hatte sie während ihres Fortbildungssemesters und der Summer Schools besucht und Interviews mit dort lehrenden Persönlichkeiten geführt. In ihrem Vortrag stellte die Dekanin der Fakultät Architektur und Gestaltung die verschiedenen Einrichtungen vor, bettete sie in eine Erläuterung zur Kultur und Architektur der jeweiligen Stadt und Hochschule ein und ließ dadurch nachvollziehbar werden, welchen Zusammenhang sie jeweils zwischen dem Ort und dem dort vorherrschenden Denken sieht. Dabei wurden Parallelen, aber auch teils markante Unterschiede deutlich:

    In den lateinamerikanischen Bildungseinrichtungen wird die soziale Komponente der Architektur spürbar. Die Hochschulen melden sich aktiv zu Wort, nehmen an Politik und alltäglichem Leben ihrer Umgebung teil, sehen einen humanistischen Bildungsauftrag als ihren gesellschaftlichen Beitrag und wollen Individuen in ihrer Entwicklung begleiten. Dabei verschwimmen mitunter in Deutschland hoch gehaltene Grenzen - auch zu benachbarten Disziplinen, wie ein transdisziplinäres Studium Architektur/Bauingenieurwesen in Sao Paulo belegt.

    In Nordeuropa wird die Architekturschule als Rahmen für freiheitliches Arbeiten wahrgenommen. Werkstätten für verschiedenste Disziplinen stehen zur Verfügung, Lehre ist eng mit dem selbständigen Arbeiten, dem handwerklichen Tun verknüpft. Der Kontrast könnte kaum größer sein, wenn man hingegen die Architektenausbildung in Portugal betrachtet. Während im Norden rauhe Materialien und experimentelles Arbeiten im Vordergrund stehen, stechen hier die Wertigkeit am Bau und in den Grünanlagen ins Auge. Zeichnerische Fähigkeiten sind gefragt, das Studium ist in Meisterklassen organisiert.

    Auch mit der unmittelbaren HTWG-Umgebung, den Architekturschulen in Vaduz und Winterthur, die auch unter dem Dach der Internationalen Bodenseehochschule zu finden sind, hat sich Gautschi beschäftigt. Lehrende als Vorbilder und Charakterköpfe, die mit eigenständigen Studierenden arbeiten, sind hier das Wunschbild. Dass das IBH-Netzwerk die besten Voraussetzungen für eine engere Zusammenarbeit über Grenzen hinweg bietet, liegt bei allen Ähnlichkeiten und Unterschieden nahe.