Architektur

    Bachelor und Master

    Dekoratives grafisches Element

    Digitaler Semesterstart

    (04/20)  Nach dem digitalen Start in das Sommersemester ziehen Lehrende und Studierende der Studiengänge Architektur eine erste positive Bilanz. Die begonnenen Vorlesungen liefen größtenteils ohne technische Probleme, die Digitalisierung der Lehre bringt für die Beteiligten neue Chancen, was fehlt ist die Interaktion.

     

    Friederike Kluge ist Professorin für Baukonstruktion und Entwerfen in der Fakultät Architektur und Gestaltung an der HTWG Konstanz. Die Junge Architektin lehrt seit dem letzten Wintersemester und ist eine von vielen Professorinnen und Professoren, auf die nun ein in dieser Art noch nie dagewesenes digitales Sommersemester zukommt, angestoßen durch die Corona-Krise. Nach den ersten zwei Vorlesewochen zieht sie eine erste positive Bilanz: „Es tut gut, die Tools für eine digitale Lehre jetzt einmal gezwungenermassen nutzen zu müssen. Man erfährt, was für Möglichkeiten man bisher bei der Lehre ignoriert hatte, z.B. ohne grosse Organisation Fachexperten von Distanz zu Inputvorträgen einzuladen, direkt von der Baustelle zu berichten, etc. Hier gibt es ganz neue Entdeckungen und Möglichkeiten!“ Start der Einführungswoche in das erste Architektur-Semester war der 20. April.

    „Die Studierenden mussten Avatare, also virtuelle Ichs herstellen,“ erklärt sie. Es wurde zunächst in Sechsergruppen und anschließend mit allen 43 Erstsemstern eigenständig zusammen gearbeitet. Die Ergebnisse wurden am Ende der Woche als Präsentation aufgeführt. Es ging vor allem darum, dass die Newcomer sich untereinander kennenlernen, vernetzen und die Online-Kommunikationstools testen. Sie persönlich habe ihre gesamte Lehre neu umgestellt. „Es geht im Kurs „Quarantäne Studien“ um die eigenen vier Wände und was diese in der heutigen Zeit leisten müssen, um Ressourcenknappheit und Improvisation. Das sind spannende Themen, an die ich mich in einem regulären Semester wohl nicht so einfach dran getraut hätte,“ erklärt sie.

    Prof. Leonhard Schenk, der die Fächer Städtebau und Entwerfen lehrt, zeigt sich nach den ersten Tagen ebenfalls sehr positiv: Er habe zunächst die Aufgaben für das Sommersemester vorgestellt und die ersten Vorlesungen per Videokonferenz gehalten. „Das hat alles prima funktioniert,“ bemerkt er zufrieden. Entscheidend würden dann aber die Online-Betreuungen sein, da müsse man abwarten, wie hier die Erfahrungen in ein paar Wochen sind.

    Auch die Rückmeldungen von Studierenden sind nach den ersten Tagen größtenteils positiv: Die Veranstaltungen seien gut angelaufen, technische Probleme gab es selten, und wenn wurden sie geduldig und kreativ gelöst. Doch nicht jeder Student hat einen schnellen Rechner oder gar eine geeignete Bandbreite für Videokonferenzen. Und auch Professorinnen und Professoren stehen vor einer neuen Herausforderung: nicht alle Lehrinhalte – vor allem praktische Übungen, wie sie im Architekturstudium gehäuft vorkommen - lassen sich so einfach in ein digitales Format gießen.  

    Damit Studierende das monatelange Studium mit Videoclips und Webinaren im Homeoffice auch durchhalten, braucht es jede Menge Disziplin. „Es ist unheimlich anstrengend, einer Vorlesung per Video bis zu vier Stunden zu folgen,“ berichtet eine Bachelor-Studentin. Die Konzentration am Bildschirm lasse viel schneller nach als bei Präsenzveranstaltungen im Hörsaal. Auch die Interaktion fehlt Lehrenden wie Studierenden gleichermaßen. „Am Abend ist man nicht so erfüllt, wie nach der Präsenzlehre,“ stellt Friederike Kluge fest. „Das Zwischenmenschliche fehlt ebenso wie das unmittelbare Feedback. Lehrende und Studierende scheinen ausgelaugter.“ Der zunehmende Bewegungsmangel macht es nicht einfacher, schließlich entfällt der tägliche Weg an die Hochschule zu Fuß oder mit dem Rad. Hier ist Kreativität gefragt: eine Gruppe Masterstudentinnen trifft sich regelmäßig früh morgens via Facetime zum gemeinsamen Sport. „Mit dem Sportprogramm bringen wir unseren Kreislauf morgens in Schwung, bevor es mit der ersten Online-Vorlesung dann los geht,“ berichtet eine der jungen Frauen.


     

    Nach den ersten Erfahrungen der vergangenen Vorlesezeit werden die Lehrenden weiter ihre Formate anpassen. Friederike Kluge möchte vor allem Interaktion und Selbststudium fördern, Inputs verkürzen und langen Frontalunterricht vermeiden. „Ich experimentiere nun jede Woche mit etwas Neuem,“ sagt sie. „Diese Woche versuche ich, die Vorlesung durch ein angeleitetes Selbststudium zu ersetzen, die Ergebnisse in der Runde mit dem gesamten Semester zu diskutieren und so den Frontalunterricht auf ein Minimum zu reduzieren. Es wird mir immer klarer: Online-Lehre bedeutet nicht einfach, Vorlesungen online abzuhalten. Man muss die Formate anpassen.“ Außerdem habe sie eine „ErstSemesterBude“ auf Moodle erstellt, in der sich die Studierenden treffen können, arbeiten, Links austauschen, chatten, etc. „Architektur lernen bedeutet sich auszutauschen, Argumente zu schärfen und sich im Diskussionsfeld zu positionieren,“ sagt sie. „Das fällt derzeit leider weitgehend weg. Und mir wird klar, wieviel Lernen im Regelsemester auch jenseits der Vorlesungen, im Austausch der Studierenden untereinander stattfindet.“

    Alles in allem kann sowohl seitens der Lehrenden als auch der Studierenden ein erstes positives Fazit gezogen werden. Der digitale Semesterstart ist weitgehend gut gelungen, für die kommenden Wochen braucht es von beiden Seiten weiterhin viel Flexibilität und Kreativität. Und auch in diesem Punkt herrscht Einigkeit: alle freuen sich, hoffentlich bald schon wieder persönlich an die Hochschule zurück kehren zu können.

    Herzlichen Dank an das 1. Semester BAR für die zahlreichen Bilder, die wir hier veröffentlichen durften.

    Text: Conny Lurz