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Inspiration auf Knopfdruck: KI-Sprachmodelle im Bildungsbereich

Porträt Prof. Dr. Doris Weßels

In einem Online-Gastvortrag hat die Kieler Expertin Prof. Dr. Doris Weßels an der Hochschule Konstanz Potenziale und Herausforderungen für die Hochschullehre vorgestellt.

Innovation nutzen und gestalten, darum ging es im Kern bei dem Vortrag von Prof. Dr. Doris Weßels von der Fachhochschule Kiel. Auf Einladung der HTWG Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung diskutierte sie unter dem Titel »Von GPT-1 bis GPT-4: Einblicke in die Entwicklung und Anwendung generativer KI-Modelle aus der Perspektive von Hochschulen« die Auswirkungen von KI-Sprachmodellen auf Bildungseinrichtungen, insbesondere Hochschulen. Die Professorin lehrt Wirtschaftsinformatik mit den Schwerpunkten Projektmanagement und Natural Language und ist Mitgründerin und im Leitungsteam des Virtuellen Kompetenzzentrums »Schreiben lehren und lernen mit Künstlicher Intelligenz – Tools und Techniken für Bildung und Wissenschaft«.

Der Schalter ist umgelegt: Millionen nutzen KI-Sprachmodelle

Die HTWG wolle sich den aktuellen Entwicklungen aktiv stellen und sie positiv nutzen, hatte Prof. Dr. Thomas Birkhölzer, Vizepräsident Lehre, Qualität und digitale Transformation, vor der Veranstaltung angekündigt. Anders geht es auch nicht, machte Prof. Dr. Weßels in ihrem Vortrag klar. Zwar fühlten sich aktuell viele wie in einem Science-Fiction-Film und niemand sei gefragt worden, ob er das wolle, aber der Schalter sei umgelegt, sagte die Kielerin, die derzeit eine der gefragtesten Experten auf dem Gebiet KI und deren Auswirkungen auf Hochschulen ist.

Ihre Präsentation zeigte die Dynamik der aktuellen Entwicklungen eindrücklich: ChatGPT, das KI-Sprachmodell des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI, hat innerhalb von nur zwei Monaten 100 Millionen Nutzer erreicht. Das schaffte beispielsweise Instagram erst nach etwas mehr als zwei Jahren. Und fast täglich kommen neue Erweiterungen, Schnittstellen und Plugins dazu.

Viele empfinden generative KI-Modelle als Bedrohung. Kein Wunder: Was hinter den Benutzeroberflächen der Softwarelösungen passiere, sei wie eine „Black Box“ und so komplex, dass wir es im Detail nicht nachvollziehen könnten, sagte die Expertin. Die Textgenerierung durch KI-Sprachmodelle gleiche einem Würfeln mit Wortsilben – allerdings im Sinne eines „gezinkten“ Würfels, der für statistische Plausibilität mit Kontextbezug sorgt.

Innovation gestalten: Regulierung und kreative Nutzung von KI in der Lehre

Sie plädiert aber dafür, zu Gestaltern der Entwicklung zu werden. Eine Kennzeichnungspflicht beim Gebrauch, zum Beispiel für wissenschaftliche Arbeiten, sei notwendig, man müsse aber das richtige Mittelmaß finden zwischen Regulierung und Fortschritt, betonte die Professorin. Für Bildungseinrichtungen heißt das: Es braucht neue Bewertungsansätze. Zuverlässige KI-Detektoren seien ihr nicht bekannt und man könne die Studierenden nicht unter Generalverdacht stellen, so die Professorin. Ein Beispiel für einen Bewertungsansatz, bei dem nicht mehr nur das schriftliche Produkt, beispielsweise einer Abschlussarbeit, sondern auch der methodische und technische Design-Ansatz für den Schreibprozess inklusive des möglichen zielgerichteten Einsatzes KI-gestützter Werkzeuge bewertet werden, stellte sie vor.

Ganz praktisch demonstrierte sie Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT in der Lehre. Unter anderem zeigte sie dabei, wie Lernende ChatGPT als Vokabeltrainer nutzen könnten oder wie Bild- oder Videogenerierung kreative Lernmöglichkeiten eröffnen. Die Software könne aber auch dabei helfen, neue Perspektiven auf ein Thema zu eröffnen. Auf Wunsch liefere sie „Inspiration auf Knopfdruck“. Ein weiterer Vorschlag der Expertin für die Nutzung von KI in der Lehre: Die KI-generierten Texte aus dem virtuellen Chat mit historisch relevanten Personen aus der Vergangenheit könnten als Diskussionsgrundlage im Unterricht verwendet werden. Man könne beispielsweise über die Plausibilität der Software-Aussagen in Anbetracht realer geschichtlicher Hintergründe sprechen.

Mit Vorsicht zu genießen ist, dass bisher nur etwa 70 Prozent der generierten Inhalte tatsächlich faktisch richtig sind. Häufig „halluziniert“ das System auch nur, das heißt es erzeugt plausibel und überzeugend klingende, aber frei erfundene und damit falsche Antworten.

Sorge macht der Expertin auch, dass privatwirtschaftliche Unternehmen bei der Entwicklung von KI-Sprachmodellen öffentlichen Einrichtungen weit voraus sind. Das bedeute unter anderem, dass die KI-Modelle über die Trainingsdaten und nachfolgende Sekundärsysteme (z.B. Filterfunktionen) das Wertesystem der Entwicklerfirmen widerspiegelten. Diese würden somit darüber entscheiden, was als politisch nicht korrekt herausgefiltert werde und was nicht. Zudem gebe es in Deutschland mit Aleph Alpha aktuell nur einen einzigen erfolgreichen Akteur bei der Entwicklung generativer KI-Modelle. „Wir müssen unsere Aktivitäten drastisch erhöhen, um nicht vollkommen abgehängt zu werden“, plädierte sie.

Einsatz von KI in der Lehre: Programm-Reihe an der HTWG

„Die große Zuhörerzahl beim Vortrag von Prof. Dr. Weßels zeigt, wie intensiv wir uns an der Hochschule alle mit diesem Thema beschäftigen. Dies macht mir Mut, dass es uns gelingen wird, die Herausforderung anzunehmen und die Potenziale, die KI bietet, für uns in Lehre und Lernen zu nutzen“, fasst Prof. Dr. Thomas Birkhölzer seine Eindrücke und seinen Dank an Prof. Dr. Doris Weßels zusammen.

Der Vortrag war entsprechend Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen und Diskussionsforen an der HTWG zum Einsatz von KI in der Lehre. Am 17. April folgt eine Diskussionsrunde zum Thema »KI und unser Leitbild – Wie sieht die Zukunft des Lernens aus?« und am 27. April geht es dann um das Thema »Ganz konkret - welche Vorlagen, Formulierungen, Regelungen brauchen wir neu/anders für den Lehr- und Prüfungsbetrieb?« Am 26. Mai lädt zudem der Studiengang Wirtschaftsrecht im Rahmen des Konstanz Legal Tech Day zum Workshop »ChatGPT im Recht« ein.

Alle Infos auf der Website www.htwg-konstanz.de/hochschule/einrichtungen/open-teaching-lab/open-program

Titelbild: Prof. Dr. Doris Weßels von der FH Kiel. (Foto: Fachhochschule Kiel/Andreas Diekötter)