Kommunikationsdesign

    Bachelorstudiengang

    Dekoratives grafisches Element

    Koloniale Spurensuche

    Die Ausstellung »Stoff. Blut. Gold.« im Richental-Saal des Kulturzentrums am Münster

    Eine Geschichte, die so bislang noch nicht erzählt worden ist: Die Ausstellung »Stoff. Blut. Gold.« im Richental-Saal des Kulturzentrums am Münster macht sich auf die »Spuren der Konstanzer Kolonialzeit«. 40 Studierende der Fachbereiche Geschichte, Literaturwissenschaft, Kulturelle Grundlagen Europas, Globale Europastudien, Kommunikationsdesign und Innenarchitektur, angesiedelt an drei Hochschulen, haben dafür zusammengearbeitet. Zu sehen war die Ausstellung von Juli bis Oktober 2021.

    Sie hatten Geld und Einfluss. Und sie haben ihre Geschäfte bis an die Grenzen der damals bekannten Welt betrieben: Die Konstanzer Familie Ehinger war verwickelt in die Kolonialgeschichte des 16. Jahrhunderts, gehörte zu den Geldgebern des spanischen Kaisers Karl V und erhielt im Gegenzug unter anderem die Lizenz zur Verschiffung von Tausenden von Sklaven aus Afrika in die neuen Kolonien. Im Konstanzer Richental-Saal werden die Geschichte dieser Familie und die geschichtlichen Verwicklungen ihrer Aktivitäten nun erstmals erzählt.

    Überraschende Funde
    Berichte über den Forschungsstand waren so auch Teil der Eröffnungsveranstaltung: Kirsten Mahlke, Professorin für Kulturtheorie und kulturwissenschaftliche Methoden an der Universität Konstanz und Initiatorin der Ausstellung, fasst für das Publikum in Kürze zusammen, was sich vor 500 Jahren in Südamerika abgespielt hat: der Fall der mexikanischen Stadt Tenochtitlan im Jahr 1521, das Massensterben unter der indigenen Bevölkerung durch die von Europäern eingeschleppten Viren, der Handel mit Sklaven aus Afrika – und sie berichtet von den mannigfachen Unterschriften von Mitgliedern der Konstanzer Familie Ehinger unter kolonialen Verträgen. Ein Forschungsergebnis, das die Forschenden zum Teil selbst überraschte. Die Historikerin und Hispanistin Hannah Alejandra Beck stößt so bei ihrer Recherche in spanischen Archiven auf eine große Anzahl von Dokumenten, in denen die Ehingers erwähnt werden, und findet letztlich über Verbindungen nach Polen auch einen persönlichen Briefwechsel. »Material für mehrere Dissertationen«, fasst sie zusammen.

    Monopol-Lizenzen des Kaisers
    Die »Beweislast« der Recherche ist in der Tat umfangreich: Zahlreiche Schriftstücke aus dem 16. Jahrhundert – unter anderem Verträge, Briefe, Testamente, Inventarlisten – bezeugen die transatlantischen Handelsaktivitäten der Konstanzer Ehinger im Rahmen der Welser-Kolonie Venezuela und anderer kolonialer Unternehmungen. Worum es dabei geht: Ulrich Ehinger hatte zusammen mit Geschäftspartnern von Kaiser Karl V Monopol-Lizenzen erhalten, um Tausende von Menschen aus Afrika nach Südamerika zu verkaufen. Die Sklaverei sicherte andere koloniale Risikogeschäfte ab: Den Anbau von Safran und Indigo in Mexiko oder die Spekulation auf Goldminen-Funde in den Anden. Der Wohlstand der Ehinger ist zu einem bedeutenden Teil auf Kosten der Versklavten erwirtschaftet worden.

    Menschen wie Ware gehandelt
    Die Info-Banner im Richental-Saal fassen die Dokumente zusammen, zeigen Reproduktionen von Verträgen und Gemälden, bündeln Zeitzeugenberichte, ziehen auf Infografiken Querverbindungen zwischen den einzelnen Akteuren, erläutern die komplexen Verwicklungen. Im Zentrum des Raums zieht ein nachempfundener Schiffsrumpf die Blicke auf sich. Silhouetten von Körpern liegen eng an eng – eine Reminiszenz an die Bedingungen, die auch auf den Schiffen der Ehinger geherrscht haben müssen. Ganz genau hatte man jeden Zentimeter dieser Schiffe verplant, Handelsware und Menschenware eingepasst, Verluste im Voraus einkalkuliert. Die historische Quelle eines Plans aus dem 18. Jahrhundert hängt gleich nebenan. Und via Beamer wird jener Vertrag an die Wand geworfen, der prominent für das Vorgehen der Ehingers steht: Der »Asiento de negros« regelt die Verschiffung von 4000 Sklaven. Unterzeichnet haben ihn Karl V, Enrique Ehinger und Hieronymus Sailer am 12. Februar 1528 im spanischen Burgos.

    Verantwortung übernehmen
    Dass die Gewalttaten gegenüber diesen Sklaven bereits von Zeitzeugen angeprangert wurden, schildert Mark Häberlein, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bamberg, in seinem Fachvortrag zur Eröffnung. Der Fachmann beschreibt das »etablierte Geschäftsfeld« der damaligen Menschenhändler. Dass es an uns liegt, dieser Geschichte Rechnung zu tragen und Verantwortung zu übernehmen, dafür plädieren der Leiter der Stabsstelle »Konstanz international« David Tchakoura und Kirsten Mahlke in ihren Ansprachen: »Wir stehen auf den Schultern dieser Menschen«, so die Professorin.

    Beteiligte Dozierende:
    Kirsten Mahlke, Professorin für Kulturtheorie und kulturwissenschaftliche Methoden an der Universität Konstanz, forscht bereits seit vielen Jahren zum Thema der lateinamerikanischen Kolonialgeschichte. Hannah Beck, Doktorandin in ihrer Arbeitsgruppe, forscht zu lokalen Akteuren (aus Lindau, Ulm, Konstanz, Augsburg und St. Gallen) der Venezuela-Eroberung. Sie hat die Archivalien der Ausstellung gesammelt und mit Studierenden aufbereitet. Die Ausstellungsgestaltung haben Kommunikationsdesignstudierende der HTWG mit Professorin Eva-Maria Heinrich übernommen – in Zusammenarbeit mit Studierenden des Fachbereichs Innenarchitektur der Fachhochschule Kaiserslautern mit dem Dozenten Frank Forell.

    Stadtrundgang:
    Mit der Ausstellung wurde die App »Konstanz de-kolonial« frei geschaltet, die Besucherinnen und Besucher an elf kolonialgeschichtliche Gedächtnisorte in Konstanz führt.

    Publikation:
    Es ist eine Begleitpublikation zur Ausstellung erschienen: Beck, Hannah Alejandra; Mahlke, Kirsten: Stoff. Blut. Gold. Auf den Spuren der Konstanzer Kolonialzeit. Stadler Verlag. Konstanz 2021.