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Das Bodensee Racing Team

27.04.2018

Adrenalin, Beschleunigung, Gänsehaut. Wie Studierende ihren Traum vom selbst konstruierten Rennwagen erleben.

Das hohe Maß an Professionalität fällt auf im Gespräch mit den Mitgliedern des Bodensee Racing Teams. Eine Professionalität, die sich auf alle Bereiche erstreckt: Von der Organisation der Sponsoren-Events über das Marketing bis zur technischen Detailtiefe. Dabei ist die organisatorische Leiterin des Teams, Johanna Merkel, gerade mal 19 Jahre alt, ihr Kollege Milan Kaiser, der bei der Technischen Leitung die Fäden in der Hand hat, ist 20 und auch die anderen Teammitglieder sind nicht wesentlich älter.

Man spürt die Begeisterung, wenn sie über das Bodensee Racing Team sprechen. Kaum verwunderlich, denn hier haben Studierende eine echte Chance, ein Konstruktionsprojekt von der Pike auf selbst umzusetzen – Vermarktung und Wettbewerb inklusive. Und diese Chance nutzen sie! „Das Projekt ist tatsächlich ein Kleinunternehmen“, sagt Kaiser. „Wir haben in Prof. Deißer zwar einen Faculty Adviser, aber der hält sich zurück. Das Bodensee Racing Team liegt komplett in Studentenhand, wir machen unser Ding. Und das macht es aus.“

Über die Formula Student

Das Bodensee-Racing-Team ist ein Formula Student Projekt, das jedes Jahr ein einsitziges Rennauto mit Verbrennungsmotor baut, mit dem es im Wettbewerb gegen die studentische Konkurrenz antritt. Ins Leben gerufen wurde die Formula Student 1981 in den USA, in Deutschland gibt es sie seit 2006. Also noch gar nicht besonders lange, doch es scheint, als hätten die Studierenden nur auf diese Initialzündung gewartet: 550 Teams konkurrieren weltweit inzwischen um die beste Platzierung – kaum noch findet sich eine deutsche Hochschule mit technisch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung ohne Formula Student-Team. Das deutsche Rennen, das jährlich mit über 100 Teams in Hockenheim stattfindet, ist inzwischen weltweit das renommierteste. Was mit ein Grund sein dürfte, warum es bundesweit so viele Teams gibt.

Das Bodensee-Racing-Team, in dem Studierende von HTWG und Uni Konstanz zusammenarbeiten, besteht seit 2006. Seit damals heißt der Rennwagen, mit dem die Konstanzer in die Wettbewerbe gehen, ILTIS – in diesem Jahr also ILTIS18. Weil er als Verbrenner stinkt wie, na eben wie ein Iltis? Oder ist es doch das Kürzel für “Intelligente Leute Tun Intelligente Sachen”? Die Teamleiter antworten mit einem Augenzwinkern: „In jedem Fall führen wir eine Tradition fort.”

Wettbewerb in acht Disziplinen

Der Wettbewerb selbst stellt konkrete Herausforderungen an die studentischen Teams: Sie müssen in acht statischen und dynamischen Disziplinen vor einer hochkarätigen Jury bestehen. Präsentationsgeschick und ein cleverer Businessplan sind also ebenso gefragt wie technisches Wissen und ein kunstfertiges Händchen für Konstruktion und Design. „In den Jurys sitzen Leute aus der Automobilindustrie, die tief in der Materie sind”, erzählt Milan Kaiser. „Bei der Präsentation des Engineering Designs zum Beispiel kann es sein, dass man dem Chefentwickler von Bugatti eine Stunde Rede und Antwort steht über die verschiedenen Komponenten. Darüber, wie wir vorgegangen sind bei der Konstruktion, was wir uns dabei gedacht haben, was das Ziel war.” Gerade einem kleinen Team, in Konstanz sind es aktuell nicht mehr als 40 Studierende, verlangt das einiges ab.

"Es ist stressig und man steckt sich jedes Jahr ein sehr hohes Ziel. Aber wenn man es am Ende erreicht hat und der Wagen fertig vor einem steht, ist jeder im Team über sich selbst hinausgewachen. Und unser Auto ist natürlich das geilste der Welt!"

Milan Kaiser, Team Captain Technics

Die Königsdisziplin ist das Endurance

Beim Endurance wird über 22 Kilometer ein Handlingkurs gefahren. Das bedeutet 18 Runden inklusiver Fahrerwechsel nach der Hälfte, für das die Teams drei bis fünf Minuten Zeit haben. Hier zählen Geschick und Schnelligkeit, dem Fahrer kommt also eine Schlüsselposition zu. Er muss das Auto noch bei Vollgas kontrollieren können, aber auch an die Grenzen gehen, um mit einem gut entwickelten Fahrzeug eine Top-Platzierung herauszufahren. „Es ist wichtig, dass im Auto jemand sitzt, der zum einen auf das Auto achtet, weil da ja wirklich viel Arbeit drinsteckt, zum anderen aber aus dem Auto rausholt, was geht”, betont Johanna Merkel. In der Regel wird der Handlingkurs mit 70 km/h gefahren, maximal erreicht der ILTIS eine Geschwindigkeit von 120 km/h.

In den vergangenen Jahren stand das Bodensee Racing Team mehrere Male bei den statischen Disziplinen Business Plan und Cost Report auf dem Siegertreppchen und auch die Gesamtplatzierung kann sich sehen lassen. In den dynamischen Disziplinen gibt es allerdings noch Luft nach oben. Aber auch damit geht das Konstanzer Team sehr professionell um: Für die bevorstehende Saison hat man sich sehr individuelle Ziele gesetzt und strategisch einzelne Kategorien in den Fokus genommen. Langfristig heißt das Ziel und die Motivation jedes Teammitglieds natürlich zu siegen, denn die „Gaudi, das Ding“ ist: Am Ende des Events für die Siegerehrung auf der Bühne zu stehen.

Ohne Sponsoring keine Rennen

Die Teamleiterin für Organisation, Johanna Merkel, ist eine der wenigen Frauen, die beim Racing Team mitmachen und auch ihr Studienfach ist eher ungewöhnlich: Sie studiert an der Universität Konstanz Geschichte im zweiten Semester. Mitmachen kann aber jeder, der sich für das Konstruieren eines Rennwagens interessiert. Die Untergliederung in unterschiedliche Baugruppen wie Aerodynamik, Elektronik, Antriebsstrang etc. garantiert eine umfassende Wissensvermittlung und Einarbeitung. Milan Kaiser betont: „Das ist der größte Fehler, dass die Leute denken, sie müssen schon viele Kenntnisse mitbringen. Ich werde oft gefragt: Ich bin jetzt im ersten Semester, das bringt doch noch gar nichts? Ich kann ja dem Team noch gar nicht helfen. Das ist aber nicht so! Es reicht wirklich, wenn man motiviert ist und Zeit und Interesse mitbringt, dann schafft man das. Denn auch jemand aus dem 6. Semester muss sich in Aufgaben einarbeiten, die er noch nie gemacht hat.“  

Zum Beispiel Sponsoren für das Team gewinnen. Wie bei der Formel 1 prangen auch auf dem ILTIS die Logos vieler Sponsoren. Ohne die Unterstützung von Sponsoren gäbe es die Formula Student nicht, dafür ist die Konstruktion eines Rennwagens einfach zu teuer. Das Konstanzer Team hat viele Partner in der Industrie, so werden die meisten Bauteile extern durch Fertigungssponsoren geliefert – nach den Wünschen der Studierenden. Die Sponsoren unterstützen das Team aber auch mit Werkzeug, Geldspenden oder Workshops. Durch die Einwerbung von Sponsoren und die Zusammenarbeit mit ihnen lernen die Teammitglieder nicht nur, ihre Sache in der Berufswelt zu vertreten und zu bewerben, sondern man knüpft so möglicherweise gleich die ersten Kontakte zu einem späteren Arbeitgeber. Aber die Zusammenarbeit lohnt sich für beide Seiten. Denn ein guter Wagen bedeutet günstige Werbung für die Sponsoren. Und wenn die Saison vorbei ist, können sie auf eigens organisierten Veranstaltungen auch mal selbst eine Runde mit dem ILTIS drehen.

"Das ganze Projekt an sich ist einfach spannend. Es gibt nichts Vergleichbares, bei dem man so einen Teamzusammenhalt hat, so viele Möglichkeiten sich auszuprobieren und man letztendlich so ein Ergebnis hat."

Johanna Merkel, Team Captain Organisation

Rollout am 7. Mai

Das bevorstehende Rollout am ist der erste Höhepunkt der Saison für Team, Sponsoren und Fans. Hier wird das diesjährige Rennauto vorgestellt. Nomen est omen: Stilecht wird das Ereignis auf einer Fähre auf dem Bodensee mit einer großen Party gefeiert. Es sind alle eingeladen mitzufeiern, aber wer dabei sein will, sollte sich beeilen, die Karten sind meist innerhalb weniger Tage ausverkauft. Vom 16-18. Mai findet dann bereits das erste Trainingscamp statt, das ZF Race Camp in Friedrichshafen, bevor es Anfang August am Hockenheimring ernst wird. 

Zu guter Letzt: Der ein oder andere mag sich fragen, warum man im 21. Jahrhundert noch Verbrenner konstruiert. Liegt die Zukunft der Formula Student nicht vielmehr bei den Elektromotoren? Denn schließlich gibt es bereits eine Formula Student für Elektro-Rennwagen. „Ein Verbrenner macht einfach mehr Spaß – wegen des Sounds“, sagt Johanna Merkel lachend. „Es ist unvergleichlich, wenn der Motor hochdreht und die Ohren mit schönem Motorensound beschallt.“ Doch trotz aller Liebe zum Verbrenner geht das Bodensee-Racing-Team selbstverständlich mit der Zeit, schließlich steht die HTWG mit ihrer Studentenschaft für Innovation. Nicht zuletzt deshalb, weil auch die Industrie immer mehr auf Elektromobilität setzt. „ Wir sind an einem Umstieg auf E-Antrieb interessiert“, erklärt Merkel. „ Im Team gibt es schon erste Überlegungen, wie man den Umstieg gestalten kann. Über motivierte Studenten und Professoren, die uns dabei unterstützen wollen, freuen wir uns.“

Interesse mitzumachen?

Jeder ist willkommen mitzumachen, egal in welchem Semester oder Studiengang. Ein gewisses Maß an Zuverlässigkeit, Verantwortungsgefühl, Teamgeist und dass du Zeit mitbringst für deine Aufgaben, wird allerdings vorausgesetzt. Über das Bewerbungsformular auf der Webseite des Bodensee Racing Teams kannst du dir die Baugruppe aussuchen, bei der du am liebsten mitmachen willst. Dann wirst du zu einem Kennenlerngespräch eingeladen und kannst direkt mit den Teammitgliedern Fragen und Erwartungen abklären. Du kannst die Baugruppe auch wechseln, wenn du merkst, dass deine Talente und Fähigkeiten woanders liegen.

Weitere Informationen über das Bodensee Racing Team:

http://homepage.brt-konstanz.de/

https://www.facebook.com/BRTKonstanz/