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Herzenssache: Training am virtuellen Patienten

19.01.2022

Untersuchung am virtuellen Patienten: Kommunikationsdesigner der HTWG forschen im Interreg-Verbund an VR-Anwendungen für die Ausbildung von Pfleger*innen.

Pflege lernen mit Hilfe einer VR-Brille – geht das? Im Interreg-Verbund ist die HTWG seit über einem Jahr Teil einer Arbeitsgruppe, die Lehrinhalte für die Ausbildung von Pfleger*innen in den virtuellen Raum holt. Der Professor für Interface Design Jo Wickert und die beiden Design-Masterabsolventen Julian Ehrenstrasser und Eduard Schmidt haben seither viel über den menschlichen Herzschlag gelernt.

Ein kurzer Film zeigt, worum es geht. Und da sieht man es im 3D-Modell eines Torsos schlagen: das virtuelle Herz, um das sich derzeit Vieles in Julian Ehrenstrassers und Eduard Schmidts Leben dreht. Die Design-Masterabsolventen arbeiten an einer virtuellen Umgebung, die jungen Pfleger*innen beibringen soll, wie man einen Menschen korrekt mit dem Stethoskop abhört. Das geschieht – wer je beim Arzt war, erinnert sich – niemals an nur einer Stelle des menschlichen Körpers. Vielmehr gilt es, die Patient*innen an unterschiedlichen Punkten zu untersuchen, weil man dann unterschiedliche Probleme erkennen kann, von Unregelmäßigkeiten an der Herzkammer bis zur Herzrhythmusstörung. Die virtuelle Umgebung markiert diese Untersuchungspunkte genau und gibt via Assistentin »Vero« zusätzliche Hinweise und Tipps.

 

Für Auszubildende in Pflegeberufen hat eine solche Simulation unschätzbare Vorteile: Denn dank des transparenten Torsos in der Applikation können sie gleichzeitig sehen, was sie hören. Die Darstellung ist auf das Notwendige beschränkt und mit Abbildungen in medizinischen Lehrbüchern vergleichbar. Das Skelett ist sichtbar, Venen und Arterien, das Herz und die Messpunkte. Doch nicht nur die Transparenz erleichtert die Lehr-Situation. Nutzer*innen können im virtuellen Raum viel ungenierter und häufiger üben als es am Menschen möglich wäre, und sie können unterschiedliche Krankheiten und Notfälle in kurzer Zeit simulieren und den Umgang mit einer solchen Situation trainieren.

Allerdings sind Spezialisten aus ganz unterschiedlichen Disziplinen nötig, um eine solche virtuelle Umgebung zu schaffen. Studierende und Lehrende aus den Bereichen Design, Informatik und Gesundheit erarbeiten so im von der EU geförderten »Caretrain«-Forschungsprojekt solche digitalen Ausbildungssituationen. Mehrere Hochschulen und Ausbildungsstätten sind beteiligt: Die Fachhochschule Vorarlberg als Lead-Partner, zudem die FH St. Gallen, das Careum Zürich (Bildungszentrum für Pflegeberufe) und die HTWG Konstanz. Ziel ist es, mit Hilfe moderner Technik einen Transfer theoretischen Wissens in die Praxis zu erbringen. Dabei verfolgen die unterschiedlichen Forschungsgruppen durchaus auch unterschiedliche Ansätze, so Ehrenstrasser. Während an der FH Vorarlberg die Augmented Reality im Vordergrund stehe, stehe bei seiner Arbeit die Virtual Reality im Vordergrund. Sprich: Alles spielt sich letztlich in der Welt der Brille ab.

Im Test des Studiengangs »Gesundheits- und Krankenpflege« an der FH Vorarlberg herrschte angesichts der neuen digitalen Möglichkeiten schon bei den ersten Versuchen Begeisterung. Auch die Pflegerinnen am Careum Zürich waren von einer ersten Präsentation sehr angetan. Ziel innerhalb des zweijährigen Projektrahmens ist nun die Fertigstellung eines Prototyps, ergänzt durch Evaluation und Dokumentation.

Ehrenstrasser selbst hatte durch seine Zivildienstzeit beim Roten Kreuz bereits Einblicke in die Welt der Medizin, unterdessen kann er durchaus fachkundig über das menschliche Herz und dessen Untersuchung Auskunft geben. Doch auch über das aktuelle Projekt hinaus, bietet die virtuelle Realität für ihn ein enormes Potenzial: »Menschen empfinden es als normal und natürlich, Informationen im dreidimensionalen Raum zu erfassen«, sagt er. Personen aus unterschiedlichen Städten via VR in einen Raum zu bringen, der auch als solcher erlebt wird, sei so gerade in Zeiten zweidimensionaler Videokonferenzen eine enorme Bereicherung.

Das EU-Programm "Interreg"

Das EU-Programm »Interreg« fördert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit an den Binnen- und Außengrenzen der Europäischen Union. Die Fördergelder werden vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung zur Verfügung gestellt. Im Programmgebiet »Interreg Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein« besteht die Besonderheit, dass mit der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein auch Nicht-EU-Staaten am Programm beteiligt sind und Fördergelder einbringen.