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HTWG-Solarboot zieht in die Hauptstadt um

03.11.2021

Vor 35 Jahren wurde in Konstanz die KORONA als erstes Boot weltweit mit Solarantrieb entwickelt. Nun hat sie ihre letzte Fahrt ins Deutsche Technikmuseum in Berlin unternommen – und aktuell im Depot angelegt.

Sie sorgte in den 1980er Jahren weltweit für Schlagzeilen: Als die KORONA (mit K!) 1988 am Konstanzer Seerhein zu Wasser gelassen wurde, war sie das erste Boot, dessen System vollständig mit Solarenergie angetrieben und ingenieursmäßig optimiert wurde. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ kam zu einer Rundfahrt mit ihr an die Hochschule, internationale Presse berichtete, ihr „Vater“ Prof. Dr. Christian Schaffrin stellte sie 1989 auf dem Welt-Solarkongress in Japan vor. Das Boot hat Geschichte geschrieben. In Zukunft soll diese Geschichte im Deutschen Technikmuseum in Berlin präsentiert werden. Die KORONA hat dort ihren Altersruhesitz gefunden.

 

Prof. Dr. Christian Schaffrin freut sich sehr darüber, dass die Option besteht, das 7,2 Meter lange und 2,2 Meter breite Boot den Besucher*innen des Museums eines Tages in voller Größe präsentieren zu können. Die Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin vereint mit dem Deutschen Technikmuseum und dem Science Center Spectrum zwei herausragende technikgeschichtliche Einrichtungen in der Hauptstadt. Das Museum und das Spectrum haben zusammen jährlich über 600.000 Besucher*innen. „Das Museum ist absolut sehenswert, es verfügt über die größte Schiffssammlung, die ich je gesehen habe“, schwärmt Schaffrin. Sie zeige die Entwicklung des Schiffbaus vom Einbaum ab in Modellen und realen Fahrzeugen. Besonders gefällt ihm der Ansatz des Museums, die Ausstellungsgegenstände im Gebrauchszustand zu zeigen, „und auch die KORONA ist ja ein Ausstellungsstück, das noch lebt“, erläutert Schaffrin.

Denn fahrtüchtig ist die KORONA mit ihren neun Quadratmetern Solarzellen weiterhin. Das bewies sie direkt nach ihrer Ankunft in der Hauptstadt. HTWG-Laboringenieur Peter Rasch und Thomas Strobel vom Gebäudemanagement haben den Trailer mit dem Boot nach Berlin gefahren. Auf dem Tegeler See starteten sie mit Vertreter*innen des Deutschen Technikmuseums zur Rundfahrt. Prof Schaffrin hatte zum Einzug der KORONA in Berlin auch diejenigen eingeladen, die einst als Studierende den Impuls zur Entwicklung des Bootes gegeben und der KORONA so zum Leben verholfen haben.

Was macht die KORONA museumswürdig? „Die KORONA zeigt, wie Technik zur entscheidenden Triebkraft für den Umweltschutz werden kann. Sie ist eine Pionierin der Nutzung von Solarenergie in der Schifffahrt und damit ein wertvoller Neuzugang für unsere Sammlung. In Zukunft wollen wir uns im Deutschen Technikmuseum noch stärker den drängenden Zukunftsthemen wie Umweltschutz, Klimawandel, Energiewende und nachhaltige Mobilität widmen – und der Rolle, die Technik dabei spielt. Die KORONA ist daher bei uns genau richtig aufgehoben“, sagt Joachim Breuninger, Direktor des Museums. Er selbst ist übrigens x Mal an der KORONA vorbeigeradelt. Während seines Studiums in Konstanz hat er in der Rheingutstraße gewohnt.

Der Name KORONA

Der Name KORONA wurde aus zwei Gründen ausgewählt: KORONA bezeichnet die Zone der Sonne, von der die Strahlung ausgeht und in den Weltraum abgeht. Und der zweite Grund: KORONA enthält die beiden Buchstaben KN - nicht nur bei Autos, sondern auch bei Schiffen das Kürzel für den Herkunftsort.

„Wir konnten mit dem Boot die Idee der nachhaltigen Energieversorgung von Fahrzeugen anstoßen und über den Bootsbetrieb hinaus forcieren“, sagt Schaffrin im Rückblick. Auf zahlreichen Bootsmessen war die KORONA ein Hingucker. An der HTWG selbst wurde das Konzept stetig weiterentwickelt und optimiert. Schließlich gäbe es auch das Hybridboot Solgenia, das sowohl mit Solarenergie wie Methanol-Brennstoffzellen angetrieben wird und als schwimmendes Labor u.a. für autonome Navigation dient, nicht.

 „Praxistaugliche Lösungen für eine nachhaltige und emissionsarme Zukunft sind heute mehr denn je gefragt. Die wird derzeit auch bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow sehr deutlich. Die HTWG Konstanz beschäftigt sich schon seit mehr als 30 Jahren mit regenerativen Energiesystemen, wie man an der Geschichte der Korona eindrucksvoll sieht. Wir sehen uns gerade als Hochschule für angewandte Wissenschaften besonders stark in der Verantwortung, bei Studierenden, in der Hochschule, in der Region und darüber hinaus nachhaltige Entwicklungen zu fördern und zu stärken. Deshalb ist Nachhaltigkeit in all seinen Facetten bei uns an der HTWG ein zentrales Thema der Lehre und der Forschung. Als Hochschule für angewandte Wissenschaften steht dabei auch immer der Praxis- und Anwendungsbezug im Vordergrund“, sagt Prof. Dr. Gunnar Schubert, Vizepräsident Forschung, Transfer und Nachhaltigkeit der HTWG.

Rund 40 studentische Studien- und Diplomarbeiten sind zur KORONA verfasst worden. Prof. Schaffrin hat diese sowie den kompletten Werdegang des Bootes von der Idee 1986 an dokumentiert. „Alle Protokolle sind vorhanden, alle Faxe, das meiste noch auf Papier“, sagt er schmunzelnd. Das umfassende Archiv war für das Deutsche Technikmuseum ein zusätzlicher Reiz, die KORONA in die Sammlung aufzunehmen.
Wann die KORONA tatsächlich ausgestellt sein wird, ist noch unklar. Zunächst bleibt sie im Depot, wo ihr Schimmelpilzbefall behandelt wird. Vielleicht wird ihr sogar die besondere Ehre zuteil, die Besucher*innen in unmittelbarer Nähe des Empfangs begrüßen zu können. Derzeit hat das Deutsche Technikmuseum einen Architektenwettbewerb für ein neues, zentrales Eingangsgebäudeausgeschrieben. Es bestünde daher die Möglichkeit, die KORONA als Blickfang im Eingangsbereich zu platzieren.

Wie empfinden die Wegbegleiter den Umzug ihres Schützlings? Prof. Schaffrin gönnt ihr den prominenten Altersruhesitz: „Ich weiß sie in guten Händen“, sagt er. Dennoch: Nicht alles, was an die KORONA erinnert, ist nach Berlin umgezogen: Die Vitrine mit den Siegerpokalen, die die KORONA bei Solarbootrennen eingefahren hat, ist an der Hochschule geblieben.
Weitere Informationen zur Entwicklungsgeschichte der KORONA

Bildquelle Titelbild: Suesun /Pixabay

Das Deutsche Technikmuseum

Das Deutsche Technikmuseum steht direkt am Gleisdreieck, dem Brennpunkt des Schienenverkehrs in Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Heute kreuzen sich hier sechs Verkehrsmittel und -wege: der Wasserweg auf dem Landwehrkanal, die Straße, die Schienen der Fernbahn, der S-Bahn und U-Bahn sowie die Überflugrouten der Flugzeuge.
Das Museum sammelt und bewahrt Objekte aus allen Bereichen der Kulturgeschichte der Technik. Dabei ist laut Website des Museums ein Schatz von etwa 150.000 Gegenständen zusammengekommen, der sich durch enorme Vielfältigkeit und Einmaligkeit auszeichnet. In den aktuellen Ausstellungen des Museums können Besucher*innen rund 4.000 Objekte sehen, etwa 500 Ausstellungsstücke sind an andere Museen verliehen. Der größte Teil der Sammlungen des Museums lagert jedoch in den Depots. Diese Objekte stehen nicht nur Wissenschaftler*innen für Forschungszwecke zur Verfügung, sie dienen auch als Fundus für die Konzeption neuer Ausstellungen. Darüber hinaus sei Ziel, alle Bestände Schritt für Schritt online zugänglich zu machen. Die technikhistorische Bibliothek und das Historische Archiv gehören zu den bedeutendsten ihrer Art.