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Premiere: HTWG verleiht Lehrpreis

24.11.2022

Studierende haben 19 Professor*innen der HTWG und deren Lehrprojekte für den ersten Lehrpreis Blended Learning vorgeschlagen. Die Jury hat sich für die Informatik-Professoren Dr. Ralf Schimkat und Dr. Rainer Mueller als die diesjährigen Preisträger entschieden. Mit ihrem Konzept „PIPE – Projekt-im-Projekt-Erfahrung“ gewinnen Studierende einen realitätsnahen Eindruck von „new work“.

Lernen, um am Ende des Semesters in einer Klausur eine gute Note zu schreiben? Das funktioniert bei der Veranstaltung AUME (agile und mobile Entwicklung) von Prof. Dr. Rainer Mueller und Prof. Dr. Ralf Schimkat in der Fakultät Informatik nicht. Hier ist Mitarbeit auf einem durchgehend hohen Niveau gefordert. Dass die Studierenden sich den Anforderungen gerne stellen, beweisen sie nicht nur mit ihrem großen Engagement in jedem Semester aufs Neue. Nun schlugen sie das Professorenteam auch noch als Preisträger für den erstmals verliehenen Lehrpreis Blended Learning an der HTWG vor. Und: Auch die Jury aus externen Expert*innen, Studierenden und Professor*innen honorierte das Konzept PIPE (Projekt-im-Projekt-Erfahrung). Im Rahmen der jüngsten Akademischen Jahrfeier wurden die beiden Informatik-Professoren mit dem mit 5000 Euro dotierten Lehrpreis ausgezeichnet.

Die Leidenschaft für die Lehre begeistert

Die Entscheidung war der Jury nicht leichtgefallen, hatte sie doch die schwere Aufgabe, unter 19 Nominierungen auszuwählen. „Die eingereichten Lehrkonzepte haben uns alle beeindruckt. Auch wenn wir schon bisher von der guten Lehre an der HTWG überzeugt waren, hat uns die Kreativität und der enorme Einsatz der Lehrenden für die Studierenden begeistert. Alle Nominierten hätten eine Auszeichnung verdient. Sie alle und ihre Studierenden sind Gewinner.“, sagt Prof. Dr. Thomas Birkhölzer, der sich als Vizepräsident Lehre, Qualität und digitale Transformation besonders darüber freut, dass durch den Lehrpreis die hervorragende Lehre an der HTWG exemplarisch sichtbar gemacht werden kann. Jurymitglied Thomas Regele, Geschäftsführer der Sybit GmbH und Mitglied des Hochschulrats der HTWG ergänzt: „Die Professorinnen und Professoren beeindrucken mit ihrem Engagement, immer wieder aufs Neue ihre Lehre zu hinterfragen, Interaktionen zwischen allen Beteiligten zu fördern und aktuellen Entwicklungen entsprechend anzupassen, um ihre Studierenden bestmöglich für die Arbeitswelt der Zukunft zu befähigen.“

Anwendung von Knowhow und Training von Arbeitsmodellen

„New work“ ist das Stichwort, das die Professoren Rainer Mueller und Ralf Schimkat in ihrer Veranstaltung leben. Und zwar wie folgt: Die in PIPE obligatorischen Unternehmenspartner liefern eine reale Zielsetzung für ein Projekt, für die die Studierenden über das Semester hinweg im Austausch mit den Professoren und dem Unternehmenspartner eine Lösung entwickeln. Die Art der Zusammenarbeit der Studierenden, des Unternehmenspartners und der beiden Professoren erfolgt dabei über unterschiedliche Rollen und Kommunikationskanäle – digital und in Präsenz. Somit erreicht die Veranstaltung gleich zwei große Ziele: Die Studierenden trainieren die projektartige Kollaboration sowie die Anwendung ihrer fachlichen Fähigkeiten. Das Lernen erfolgt folglich in zwei zeitlich und inhaltlich synchronisierten Projekten: dem Anwendungs- und dem Trainingsprojekt (daher PIPE: Projekt-im-Projekt-Erfahrung).

Großes Vertrauen unter allen Teilnehmenden

Eine große Rolle spielt für die beiden Professoren während des Semesters das multidirektionale Feedback zwischen allen Teilnehmer*innen. Um Lehren aus der jeweils bisherigen Zusammenarbeit zu ziehen und evtl. neue Vorgehensweisen umzusetzen, haben sie die 15 Wochen des Semesters in mindestens drei Zeitabschnitte geteilt, sogenannten Sprints. Jeder Sprint beginnt mit Theorieinput, der im Anschluss direkt umgesetzt werden kann. Insbesondere am Ende jedes solchen „Lernsprints“, aber prinzipiell zu jeder Zeit, ist ein gegenseitiger Austausch mit konstruktiver Kritik eingefordert – von allen drei teilnehmenden Gruppen, also Studierenden, Professoren und Industriepartner.
„Ganz wichtig ist für das Gelingen der Veranstaltung deshalb Vertrauen“, betont Rainer Mueller. Vertrauen ist auch für die in der Veranstaltung gelebte Fehlerkultur nötig. „Wir haben hier ein extrem komplexes Lernumfeld, in dem man ausprobieren darf, ja ausprobieren soll“, betont Prof. Dr. Rainer Mueller. Und sein Kollege ergänzt: „Die Hochschule bietet für die Studierenden ein Experimentierfeld. Hier können sie Fehler machen, ohne die Auswirkungen, die Fehler im Job hätten.“

Die Professoren sind auch mal „die Bösen“

Fehler würden allerdings die Studierenden selbst am allermeisten ärgern. Die Veranstaltung sei eine Art Rollenspiel, bei dem man manchmal vergisst, dass das Setting nur sehr realitätsnah, aber eben keine Realität ist. Real ist allerdings der Industriepartner. Er ist der Chief Product Owner und integraler Bestandteil des Projekts. Die Professoren haben die Rolle von Coaches. Und auch innerhalb der heterogen zusammengestellten Studierendenteams werden Rollen zugewiesen. „Mancher fremdelt zu Beginn des Semesters noch mit seiner Rolle, wächst dann aber sehr überzeugend hinein“, hat Ralf Schimkat beobachtet. Es geht also auch um das Trainieren von (sozialer) Interaktion, Rollenverständnis und Verantwortlichkeiten.
Die Professoren sehen sich als Regisseure, die für die Choreografie Stellschrauben drehen. Sie sind dann auch mal „der Böse“, um einen situativ anspruchsvollen Kontext zu bewahren. „Es entsteht keine Routine, die Arbeit bleibt durchgehend herausfordernd“, erläutert Schimkat.

Lernorte können (fast) überall sein

Zur Beibehaltung der hohen Anforderungen an die Agilität der Studierenden tragen auch die unterschiedlichen Lernorte bei – mal im virtuellen Raum, mal im PC-Pool im O-Gebäude, mal im Unternehmen. Die Studierenden erproben ihr anvisiertes Tätigkeitsfeld anhand geographisch verteilter Teams im Unternehmenskontext. Die Beteiligten kennen die Vorgehensweisen und Werkzeuge, so dass die Umplanung eines Trainings von der Vor-Ort- auf die Online-Variante nur eine geringe Umstellung bedeutet. Deshalb waren die Professoren mit der Veranstaltung bereits vor der Verbreitung des Corona-Virus bestens auf eine Pandemie vorbereitet.

 

„Die Studierenden sollen können, nicht nur wissen“, betont Prof. Dr. Rainer Mueller. In projektbasierter Arbeit seien Sozial- und insbesondere Kommunikationskompetenz die alles entscheidenden Erfolgsfaktoren, die allein in Theorie oder einer realitätsfernen Ausbildung nicht erlern- bzw. erfahrbar sind. Die Lücke zwischen der Theorie (in der Ausbildung) und der praktischen Anwendung (im Unternehmen) sei aus diesem Grund in kaum einer anderen Disziplin erfolgskritischer als in projektbasierter Arbeit. Dies werde durch die Zusatzanforderung der geographischen Verteilung der Teams noch einmal deutlich verstärkt. Das Ziel von PIPE ist die Überwindung der grundsätzlich verschiedenen beiden Brüche (engl. seams) zwischen Theorie und Praxis einerseits und Hochschule (oder allgemein Ausbildungsinstitution) und Unternehmen andererseits – also ein seamless learning.

Hohe Identifikation mit der Aufgabe

Im letzten Sprint wechseln die Studierenden teils in die Räumlichkeiten des Unternehmenspartners. „Dabei fühlen sie sich dann schon fast als echte Mitarbeiter“, sagt Schimkat schmunzelnd. Dies sei der „Königslernsprint“. Die Identifikation mit dem Projekt wachse im Laufe des Semesters so stark, dass mancher zum Workaholic werde. „Das gemeinsame Wachsen an dem Projekt entwickelt einen Sog“, erläutert Prof. Mueller.

 

Der Lehrpreis Blended Learning

Erstmals hat die HTWG herausragende und innovative Lehre ausgezeichnet. Alle Hochschulangehörige konnten Vorschläge einreichen. Vorgeschlagen werden konnten Professor*innen der Hochschule als Einzelpersonen oder in Teams mit anderen Angehörigen der Hochschule – für Lehrveranstaltungen, Tutorien, Unterstützungs- und Orientierungsveranstaltungen, Lehr-/Lernformate, Lehr-/Lernkonzepte, Projekte, Labore und/oder Lernmaterialien.

Die Auswahl erfolgte durch eine siebenköpfige Jury, die sich aus Studierenden, Lehrenden und externen Expert*innen zusammensetzte.

Der Lehrpreis wurde bei der Akademischen Jahrfeier verliehen. Der mit 5.000 Euro dotierte Lehrpreis wird von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert.

Bei der Bewertung orientierte sich die Jury am Leitbild Lehre. Dabei flossen Innovationsgrad und Übertragbarkeit des Preisobjekts ebenso in die Beurteilung mit ein wie Blended Learning- und Digitalisierungsaspekte. Auch die Beurteilung durch Studierende, Lernergebnis und -förderung sowie die Verzahnung und Einbettung in Studiengang und Hochschule spielten eine Rolle.

Eine Veranstaltung wie ein Rock’n’Roll-Konzert

Das Konzept der Professoren entwickelte sich fast so wie auch die Studierenden Semester für Semester ihre Projekte entwickeln: inkrementell. Das heißt: aufeinander aufbauend. Semester für Semester haben sie die Veranstaltung weiterentwickelt, aufbauend auf den vorangegangenen Erfahrungen. Vor acht Jahren hat die damalige „Büro-WG“ Mueller und Schimkat die Idee für die Veranstaltung entworfen.
Der eine lehrte „agile Vorgehensmodelle“, der andere „mobile Kommunikation und Kollaboration“. Nach viel konzeptioneller Arbeit haben sie die Veranstaltungen zusammengelegt zu „AUME“ (agile und mobile Entwicklung). Nach wie vor vertritt Prof. Schimkat den Part „agile Vorgehensweise“. Prof. Mueller gibt Input, beobachtet und beeinflusst die Kommunikation. Dabei folgt die Veranstaltung einerseits einem klaren Rahmenkonzept. Die Professoren haben sich über die Jahre seit dem ersten Testlauf einen Werkzeugkasten zurechtgelegt. Andererseits sei die studierendenzentrierte Veranstaltung unberechenbar, jedes Semester verlaufe anders. „Am Ende des Semesters fühlt man sich wie nach einem Rock’n’Roll-Konzert: man geht mit großer Vorfreude und bestimmten Erwartungen hin, man ist überrascht vom tatsächlichen Ablauf, aber letztlich beseelt und hatte viel Spaß“, sagte Prof. Dr. Ralf Schimkat während der Verleihung.

 

Und was sagen die Studierenden?

Jan Berchtold, MSI (Master Informatik), Teilnehmer von AUME sagte: „AUME widerspiegelt sehr viele realitätsnahe Szenarien wie kein anderes Fach. Durch die sich abwechselnde Rollenverteilung, konnte ich viel Erfahrung in Anbetracht verschiedener Perspektiven eines Projektes sammeln. Es hat sehr viel Spaß gemacht als Team eine gemeinsame Vision eines Projektes erfolgreich umzusetzen." Und Judith Ege aus dem Studiengang Business Information Technology (BIT) meint: „Die Lehrveranstaltung AUME ist eine einzigartige Möglichkeit die eigenen kommunikativen Fähigkeiten in einem praxisnahen Software-Entwicklungsprojekt mit Industriepartnern auszubauen. Durch die agile Entwicklung in heterogenen Teams kann die mobile Kommunikation unter realitätsnahen Bedingungen erlebt werden. Dies sind vor allem auch für BIT-Masterstudierende, den Quereinsteigern im Bereich der Informatik, sehr wertvolle Erfahrungen. Geschätzt habe ich das konstruktive Feedback während des gesamten Semesters."
„Ein sehr außergewöhnlicher Kurs mit Fokus auf die persönliche Weiterentwicklung durch individuelle Feedback-Sessions. Als Team arbeitet man an einem spannenden Projekt, welches anschließend auch tatsächlichen, praktischen Nutzen findet. Zur Seite stehen dabei großartige Industriepartner aus der Region“, resümiert Robin Genz aus dem Master Informatik.