Revolution auf der Baustelle
08.05.2018
Absolventinnen und Absolventen der HTWG arbeiten bei der Digitalisierung der Baubranche vorne mit
Die Digitalisierung krempelt – wie viele andere Branchen - auch die Baubranche um. BIM heißt der Code, der die Zukunft im Bauwesen beschreibt: Building Information Modeling. Diese drei Wörter stehen für eine Methode, die Bauwerke über ihren gesamten Lebenszyklus Planen, Bauen und Betreiben digital abbildet. Für Bauingenieure heißt das, dass sie von Anfang an nicht nur dreidimensional planen, sondern auch weitere Variablen wie Bauzeit und -kosten integrieren. „Bauvorhaben werden virtuell abgebildet und vorab simuliert. Das Modell beinhaltet wichtige Informationen, die für die verschiedenen nachlaufenden Prozesse in der Planung, Ausführung und Bewirtschaftung aus dem Modell abgeleitet werden können. So kann das Modell für die Mengenermittlung der Baustoffe, für Produktionsinformationen oder zum Beispiel für die Darstellung des Bauablaufs und für Koordinationszwecke verwendet werden“, erläutert HTWG-Absolventin Dunja Sahrak. Das ist eine Revolution für das Bauwesen. Sie wird gerade gestaltet. Mit dabei sind Absolventinnen und Absolventen der HTWG.
„Ziel war es von Anfang an, in der Lehre nicht nur die übliche Vorgehensweise in Standard-Projekten abzubilden. Vielmehr sollte auch den Entwicklungen Raum gegeben werden, die im internationalen Vergleich richtungsweisend bei Vorzeige-Projekten sind."
Prof. Dr. Uwe Rickers, Professor für Baubetrieb an der Fakultät Bauingenieurwesen
Die HTWG war die erste Hochschule für angewandte Wissenschaften bundesweit, die BIM mit einer eigenen vollständigen Vorlesung in das Curriculum der Bauingenieure im Bereich Baubetrieb aufgenommen hat. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es in der Bauwirtschaft nur durch eine kooperative Zusammenarbeit der Projektbeteiligten und durch einen Innovationsschub möglich sein wird, die zunehmend komplexer werdenden Bauvorhaben wirtschaftlich erfolgreich durchzuführen. BIM ist hierfür ein wichtiger Baustein. Diese innovativen und zukunftsorientierten Ansätze wollte ich aber schon frühzeitig unseren Studierenden mit auf ihren Weg geben, damit sich solches Gedankengut in der Praxis weiterverbreiten und weiter entwickeln können. Abwarten, bis sich eine digital basierte Projektabwicklung vollständig in der Praxis etabliert hat, wollte ich dagegen nicht “, sagt Prof. Dr. Uwe Rickers, Professor für Baubetrieb an der Fakultät Bauingenieurwesen.
Wegeweisend für die Karriere
Für einige seiner Studierenden war die Neuerung wegweisend für ihre Karriere. Philipp Kümmerle war sich zu Beginn seines Studiums noch sicher, dass er in die Bauleitung gehen möchte. Es kam anders: „Nach Abschluss meiner Masterarbeit war es für mich klar, dass ich mich in Richtung BIM spezialisieren möchte.“ Absolvent Benjamin Hahn sagt: „Die Einführung der BIM-Module in die Studienstruktur sehe ich rückblickend als fundamental und zukunftsorientiert – hiermit wurde ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gegangen.“ Beide arbeiten nun bei der Ed. Züblin AG, die seit fast 120 Jahren Bauprojekte im In- und Ausland realisiert und eine jährliche Bauleistung von zirka 3,4 Mrd. Euro im Hoch- und Ingenieurbau vorzuweisen hat. Seit 2005 gehört ZÜBLIN zur österreichischen STRABAG SE. Zusammen verfügen sie über einen eigenständigen BIM-Bereich mit rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der immer mehr Projekte nach dieser Arbeitsmethode ausführt.
BIM-Entwicklung im Bauwesen
Nach einer Vorbereitungs- und Pilotphase laut Stufenplan des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) soll das digitale Planen und Bauen mit BIM bei großen und öffentlichen Verkehrsinfrastrukturprojekten des Bundes ab 2020 Standard sein. Darauf müssen sich nun die Bauunternehmen vorbereiten. Eine spannende Zeit für BIM-Experten. HTWG-Absolvent Philipp Kümmerle freut sich, die Entwicklung mitgestalten zu können: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es in Deutschland kaum Standards. Dies bietet sehr gute Möglichkeiten, eigene Ideen einzubringen und auch umzusetzen.“
Für Ines Bauer ist „es spannend und herausfordernd, an der Entwicklung mitarbeiten zu können." Besonders der Austausch mit Kollegen anderer Fachbereiche sei sehr wichtig, um die Schnittstellen und Abhängigkeiten zu definieren um die Entwicklung der Vorlagen so zu erstellen, dass sie für alle Fachbereiche zu verwenden sind. Für die BIM-Entwicklung und BIM-Standardisierung sei es von Vorteil, wenn diese anhand von aktuellen Projekten durchgeführt werden und entsprechend Erfahrungen gesammelt werden könnten. "Nur was zum Beispiel bei den Bauleitern und Polieren Zuspruch findet, kann später auch von ihnen effektiv und erfolgreich eingesetzt werden“, betont Ines Bauer.
Building Information Modeling
Mit der Methode Building Information Modeling werden Bauvorhaben virtuell abgebildet und vorab simuliert. Das Modell beinhaltet wichtige Informationen, die für die verschiedenen nachlaufenden Prozesse in der Planung, Ausführung und Bewirtschaftung aus dem Modell abgeleitet werden können. So kann das Modell für die Mengenermittlung der Baustoffe, für Produktionsinformationen oder zum Beispiel für die Darstellung des Bauablaufs und für Koordinationszwecke von Lieferanten und verschiedener Gewerke verwendet werden.
Das Modell kann auch zur Visualisierung genutzt werden, so dass auch nicht-Techniker die Möglichkeit haben, Baumaßnahmen besser zu verstehen. Das hilft zum Beispiel bei Bürgerbeteiligungen. BIM ermöglicht und erfordert zudem, dass die Projektbeteiligten miteinander vernetzt sind. BIM fördert die partnerschaftliche Zusammenarbeit und ermöglicht gelungene Abstimmungsprozesse. Das Modell kann somit als Informationsplattform verstanden und im Rahmen der Gesamtkoordination genutzt werden. BIM ermöglicht also eine bessere Planungsqualität, eine höhere Termin- und Kostensicherheit sowie durch die Visualisierung eine höhere Akzeptanz.
"Bei BIM wird das i, die Informationen, bzw. das Informationsmanagement, neben der Visualisierung immer wichtiger“, sagt Dunja Sahrak. Es werde mittlerweile erkannt, dass Vernetzung und gemeinschaftliche Entwicklungen zum Erfolg digitaler Anwendungen beitragen. „Als Entwicklerin und Bauingenieurin kann ich mich bei der Standardisierung mehr als nur miteinbringen, darf den Fortschritt nicht nur technologisch, sondern eben auch kulturell mitgestalten“, freut sich Dunja Sahrak. Neben technischen gebe es schließlich immer mehr kulturelle Fragestellungen zu klären. Wie verändert sich zum Beispiel die Arbeitswelt für den Einzelnen und die Gemeinschaft durch BIM?
"Die Technologien verändern sich aktuell viel schneller als die Menschen"
Johannes Schulte-Kemna gibt zu bedenken: „Die Technologien verändern sich aktuell viel schneller als es die Menschen tun. Aus diesem Grund ist die aktive Gestaltung dieser Transformation mit den Betroffenen die wichtigste Dimension.“ Das heißt: Für die erfolgreiche Etablierung von BIM ist Offenheit, Kommunikations- und Teamfähigkeit unabdingbar. Egal in welchem Bereich sei es wichtig, die Kollegen für das Thema BIM zu mobilisieren und mitzunehmen, ihnen einen Überblick zu geben und sie Stück für Stück in das Thema einzuweisen und zu schulen, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, erläutert HTWG-Absolventin Ines Bauer. Besonders auf der Baustelle konnte sie die Erfahrung machen, wie sich die Einstellungen zum Thema BIM verändert haben, wie die Beteiligten mehr und mehr mobilisiert wurden und Begeisterung gezeigt haben.
Hervorragende Karriereperspektiven
Die Arbeit mit BIM ist also ausgesprochen vielseitig – und bietet hervorragende Karriereperspektiven. Prof. Dr. Uwe Rickers sagt: „Unsere Absolventen des Baubetriebs mit ihren BIM-Kenntnissen aus der Lehre sind für den aktuellen Arbeitsmarkt hervorragend ausgebildet. Dort ist derzeit die Nachfrage seitens der Bauwirtschaft, auf der Bauherrenseite und auch bei Software-Unternehmen nach Nachwuchs-Ingenieuren mit BIM-Kompetenz deutlich größer als der Output der Hochschulen. Mit dem zu erwartenden wachsenden Grad an Digitalisierung im Bauwesen stehen unseren Absolventen somit aber auch mittelfristig sehr gute Zeiten bevor. Wir werden deren individuelle Entwicklung mit großem Interesse verfolgen.“
Was sollte man bei der Spezialisierung für BIM mitbringen?
HTWG-Absolvent Marc Stephan betont: „Neben der IT-Affinität ist es als BIM-Manager in operativen Projekten wichtig, Spaß und in gewisser Weise auch Mut zu haben, sich auf Themen einzulassen, die bisher noch nicht bei einer Vielzahl von Bauvorhaben nach demselben Muster abgewickelt wurden.“ Außerdem brauche es Offenheit für neue Technologien und Arbeitsweisen, die Fähigkeit, vorhandene Prozesse zu hinterfragen und diese stetig zu optimieren, ergänzt Philipp Kümmerle und sagt: „Zum Arbeitsalltag gehört es auch, den Mut zu haben, erfahrene Bauleiter und Poliere von BIM zu überzeugen und zu begeistern.“
Trotz aller Affinität gegenüber Innovationen sind Fachkenntnisse des Bauingenieurwesens weiterhin notwendig: „BIM ist ein Werkzeug, mit dem Bauprozesse optimiert und digital abgewickelt werden können. Die baulichen Fachkenntnisse und Erfahrungen sind jedoch weiterhin genauso wichtig und müssen verstanden sein, um diese dann mit BIM optimiert anwenden zu können“, stellt Ines Bauer heraus.
Die 5D-Konferenz
Bei der diesjährigen 5D Konferenz wird der HTWG-Absolvent Marc Stephan mit weiteren internationalen Referenten über sein aktuelles Projekt bei der Ed. Züblin AG berichten. Zum fünften Mal organisiert die HTWG die Lake Constance 5D-Conference, die die neuesten Entwicklungen rund um das Building Information Modeling (BIM) in den Fokus stellt. Während der Konferenz am 14. und 15.Mai 2018 werden rund 250 Teilnehmer aus allen Bereichen der Fachwelt für digital basiertes Bauen im Konzilgebäude in Konstanz erwartet. Die Konferenz steht in diesem Jahr unter dem Motto „Durch Kooperation zum Erfolg – Realisierung von BIM-basierten Vorzeigeprojekten.“
Weitere Informationen zur Lake Constance 5D-Conference auf der Konferenz-Website