Kommunikationsdesign

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    Dekoratives grafisches Element

    »Notfalls das Konzept überdenken«

    Prof. Dr. Volker Friedrich gibt internationales Rhetorik-Jahrbuch heraus

    Die Fachpublikation »Rhetorik. Ein Internationales Jahrbuch« ist ein Standardwerk in Deutschland, wenn es um Fragen der Rhetorik geht. 1980 erstmals erschienen gehörten auch Rhetorik-Koriphäen wie Walter Jens und Gert Ueding zu den Herausgebern des Magazins. Die aktuelle 41. Ausgabe wurde nun vom Konstanzer Professor für Schreiben und Rhetorik, Dr. Volker Friedrich, herausgegeben. Sie widmet sich der »Angewandten Rhetorik«. Einblicke lohnen sich auch für Laien.
     
    Mit den Wörtern ist es wie mit dem Fußball: Am Ende zählt das Ergebnis. Bleibt etwas hängen? Hat man überzeugt? Oder sind Leser und Zuhörer einfach nur froh, wenn der Schlusspfiff ertönt. Insofern kann bezüglich der Rhetorik auch eine Fußball-Weisheit abgewandelt herhalten: Die Wahrheit liegt auf dem Blatt. Und dann je nach Medium natürlich auch noch in der Stimme, der Mimik, Gestik, der Erscheinung. Seit der Antike sind es die Rhetoriker, die sich in Theorie und Praxis darüber auslassen, wie all jene Dinge einzusetzen sind und wie man die Wörter auf dem Blatt so gruppiert, dass sie die gewünschte Wirkung haben. Doch die beiden Parteien – Theoretiker und Praktiker – sind, so der Hochschulprofessor Volker Friedrich in seinem Vorwort zum Rhetorik-Jahrbuch, im Lauf der Jahrhunderte ein wenig auseinandergedriftet.
     
    Hier eine Annäherung zu schaffen ist eines der Anliegen der Publikation, die sich der »Angewandten Rhetorik« widmet und ganz unterschiedliche Schlaglichter wirft auf rhetorisches Handeln. Zumindest in der Lehre tätige Menschen dürften gleich in mehreren Kapiteln auf interessante Aspekte treffen. Von der Schreibdidaktik an Hochschulen bis zur Rhetorik in Videokonferenzen, von den »Frames« in der Berichterstattung über Künstliche Intelligenz bis zur Moderation von Kulturveranstaltungen: Es geht hier vorwiegend um Sprech- und Schreibanlässe, die vielen Menschen vertraut sind. Matthias Bernstorfs Aufsatz über »Die Trauerrede in öffentlichen Deutungsmachtkonflikten« bildet da fast eine »klassische« Ausnahme.
     
    Und es geht ums Gefühl: Bernd Steinbrink holt das Rhetorik-Handwerk in Anlehnung an den amerikanischen Psychologen Robert Cialdini aus dem Rationalen und zeigt, welche emotionalen Mechanismen wirksam werden – gerade auch, um den eventuellen Missbrauch erkennen zu können: »Nur die Reflektion und Analyse kann davor schützen« (S. 4).
     
    Helmut Eberl nimmt sich in dem Text »Über Gefahren der Ausdruckslosigkeit und den schönen Schein« die Antrittsrede des aktuellen Bundespräsidenten Steinmeier analytisch zur Brust – und fällt ein recht kritisches Urteil zur dort gezeigten Überzeugungskraft des Staatsoberhaupts.
     
    Wie wir Videokonferenzen rhetorisch überzeugender und kurzweiliger gestalten können, ist Anliegen von Jürg Häusermann in »Online-Rhetorik«, und wer den Text gelesen hat wird sich beim digitalen Meeting nicht mehr naiv vor eine x-beliebige Kulisse setzen. Ebenso aktuell ist die Untersuchung von Alicia Sommerfeld. Sie offenbart, welche Narrative rund um das Thema »KI Made in Europe« die Medienberichterstattung bestimmen.
     
    Viktoria Kirjuchina und Thomas Grundnigg zeigen im Beitrag »Visuelle Rhetorik zwischen Theorie und Praxis«, wie die bewusste Anwendung rhetorischer Methoden Designern auf die Sprünge helfen kann – oder besser könnte, wenn sich die Designtheorie stärker auf die Rhetorik besinnen würde. In der Trennung von »Argument« und »Ausdruck« sehen die Autoren ein entscheidendes Moment, und mit dem Begriff »Überzeugungsnarrativ« schlagen sie eine überzeugende Brücke zum »visual storytelling«.
     
    Monika Oertner schildert in ihrem Text »Ignorantia doctorum – Hochschulschreibdidaktik und die Rhetoriktradition«, wie die Schreibberatungen an Hochschulen von rhetorischen Modellen profitieren können und was die Rhetorik zur Schreibdidaktik beitragen kann. In einer mündlichen Hochschultradition stehen die zahlreichen Debattierclubs, die es unterdessen gibt. Elisa Schwarz und Daniil Pakhomenko zeigen in »Wir müssen reden«, dass dort noch nicht alle Potenziale ausgeschöpft werden und mit Hilfe eines rhetorischen Unterbaus bessere Ergebnisse erzielt werden könnten.
     
    Am Ende des Bandes steht ein Interview, das der Herausgeber mit Olga Mannheimer geführt hat „Über die Moderation von Kulturveranstaltungen“. Mannheimer ist Übersetzerin, Lektorin, Literaturexpertin und erfahrene Moderatorin. Ihre Ratschläge sind kurzweilig und hilfreich. Abgesehen von der Uhr als wichtigstem Werkzeug eines Moderators empfiehlt sie: „ {…} flexibel bleiben und notfalls das Konzept überdenken“ – ein Ratschlag, den man gerne mit ins restliche Leben nimmt.
     
    Ergänzt werden die Beiträge um Rezensionen aktueller Fachliteratur.

    Friedrich, Volker (Hg.): Angewandte Rhetorik. In: Allerkamp, Andrea; Hetzel, Andreas; Mülke, Markus; Ueding, Gert; Vidal, Francesca (Hgg.): Rhetorik. Ein internationales Jahrbuch. Bd. 41. Berlin/Boston 2022.