Kommunikationsdesign

    Masterstudiengang

    Dekoratives grafisches Element

    »Kreativität zielgenau einsetzen«

    Prof. Dr. Volker Friedrich darüber, was antike Theorien für Gestaltung von heute bringen

    Gestalter sind kreative Menschen. Warum sollten sie sich mit Theorie beschäftigen?
    Es gibt zwei schöne Zitate von einem relativ bekannten Designer: »Stets muss die Praxis auf guter Theorie beruhen.« Und: »Diejenigen, welche an der Praxis ohne Wissenschaft gefallen finden, sind wie Schiffer, die ohne Steuer und Kompass fahren.« Dieser Designer heißt Leonardo da Vinci. Theorie hilft uns, uns zu verorten. Es gibt im Grunde keinen einzigen Beruf, den man einigermaßen elaboriert ausüben kann ohne Theorie. Auch Handwerker haben eine Theorie. Und immer dann, wenn Design akademisch vermittelt wird, was an einer Hochschule ja geschieht, dann muss man sich auch den Ansprüchen des Akademischen ein wenig stellen. Das hat bisher auch noch keiner Disziplin geschadet. Was den Designer im Einzelnen betrifft: Theorie hilft, die eigene Kreativität zielgenau einzusetzen, um sein Ziel zu erreichen.

    Welches Ziel?
    Im Design immer die Wirkung, die man erzielen möchte.

    Welche Perspektive könnten Designer im akademischen Betrieb denn haben?
    Wenn man das abgleicht mit der aktuellen Situation, dann sind das Gebiete, die nicht so viele Arbeitsplätze spiegeln wie die Agenturwelt. Wenn man allerdings bedenkt, dass wahrscheinlich durch Automatisierungsprozesse auch bei den Agenturen die Welt bald anders aussieht und es weniger Arbeitsplätze gibt, dann muss man sich schon fragen, ob es nicht klug ist, den Studenten noch etwas anderes ins Gepäck zu legen, was ihnen hilft, vielleicht auch noch andere Bereiche zu erschließen. Das können sein: Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Unternehmen. Oder Designgeschichtliches. Wenn man sich zum Beispiel die promovierte Designerin Julia Meer anschaut: Sie leitet heute die Design- und Fotografieabteilung des Kunstgewerbemuseums in Hamburg. Und das Dritte sind interdisziplinäre Forschungsgruppen, in denen Designer etwas einbringen können. Das aber wird nur wertgeschätzt, wenn sie auch über eine wissenschaftliche Qualifikation verfügen.

    Sie selbst sind Spezialist für Rhetorik. Warum ist gerade diese Disziplin gewinnbringend für Designer?
    Die erste Assoziation bei Rhetorik ist natürlich, dass jemand gut reden kann. Das ist ein netter Nebeneffekt, aber darum geht es hier im Masterstudium nicht primär. Die drei Bereiche, die ich eben angesprochen habe, setzen alle voraus, dass man theoretisches Wissen hat. Die älteste Kommunikationswissenschaft und Argumentationstheorie, die sich mit Gestaltungsprozessen immer schon befasst hat, ist die Rhetorik. Der Umgang mit Bildern, mit Zeichen wird in der Rhetorik über ihre ganze Geschichte, die 2500 bis 3000 Jahre währt, immer betrieben. Es geht immer um die gleiche Frage: Wie kann man mit kommunikativen Mitteln überzeugend gestalten. Die Mittel sind letztendlich egal – ob das Verbalsprache ist oder ob das Bilder sind, Zeichen oder eine Mischung. Die Rhetorik bietet uns eine Theorie an, die aus der Gestaltungspraxis entstanden ist, deswegen halte ich sie für die Theorie, die sich der Designer erobern kann mit viel geringerem Aufwand als die meisten anderen Designtheorien, die in der Kunsttheorie wurzeln oder in der Semiotik.

    Wie läuft ein Designrhetorik-Projekt hier im Konstanzer Masterstudiengang ab?
    Seit annähernd zehn Jahren wirken Masterstudenten am E-Journal »Sprache für die Form« mit (Anmerkg. der Redaktion: Prof. Friedrich gibt das Journal »Sprache für die Form – Forum für Design und Rhetorik« seit 2012 als regelmäßig erscheinende Online-Publikation heraus), zum einen in theoretischen Grundlagenfächern und zum anderen im Projekt selbst, in dem die Kenntnisse zur Anwendung gebracht werden. Das geschieht zum Beispiel, indem sie Interviews führen mit Persönlichkeiten aus dem Design, der Wissenschaft, aus der Kunst, aus der Philosophie oder Literatur. Bei diesen Interviews entstehen in der Regel Hördateien, und in diesem Zuge werden mehrere Dinge gründlich vermittelt: Wie führe ich überhaupt ein Gespräch? Und wie kann ich das mit der Audiotechnik gut hinbekommen? Aufnahmegeräte, Bearbeitung im Tonstudio, Schnittprogramme, der ganze Prozess von der Aufnahme bis zur Freigabe wird da durchlaufen. Außerdem erhöhen die Studenten ihre Schreibkompetenz, indem sie Rezensionen für das Journal schreiben oder freiere Formen.

    Gibt es studentische Arbeiten, die Ihnen in besonderer Erinnerung sind?
    Es gibt immer wieder tolle Interviews oder Studenten, bei denen ich in einem Semester, was ihre Ausdrucksfähigkeit angeht, wirklich enorme Fortschritte sehe. Da kommen manchmal Texte zustande, bei denen auch mir nicht einfällt, was man da noch besser machen könnte. Dann gibt es natürlich Masterarbeiten oder Independent Studies, die mich dazu bringen etwas zu machen, was ich nicht oft mache: die beste Note zu geben. Und manchmal ergibt sich ein tolles Zusammenspiel: Eine Absolventin aus dem letzten Semester hat für das E-Journal ein Interview geführt, dadurch hat sich ein Kontakt ergeben und mittlerweile arbeitet sie in der Agentur des Interviewpartners. Solche Entwicklungen möchte man natürlich auch mit provozieren.

    Warum ist es gut, wenn man gerade im Masterstudium noch mehr als im Bachelor den Blick von der Ausbildung zur Bildung weitet?
    Im Bachelor kann das leider kaum passieren, weil die Bachelorstudiengänge unterdessen sehr komprimiert sind. Der Master kann das ein bisschen ausgleichen. Und genau dazu, zu Fragen der Bildung, tausche ich mich mit Studenten sehr viel aus, weil ich merke, dass sie da oft selbst eine Sehnsucht haben und wissen, dass sie da nicht so gut aufgestellt sind. Was bringt Bildung? Einmal abgesehen davon, dass es einem das Leben vielleicht ein bisschen versüßen kann und helfen kann Orientierungswissen zu entwickeln, um überhaupt ein gutes Leben zu führen. Auch abgesehen davon, dass Bildung die Genussfähigkeit erhöht. Wenn man es unter einem reinen Aspekt des Nutzens anschauen mag: Ein Designer, der breit aufgestellt ist, ist anschlussfähiger in der Kommunikation mit vielen unterschiedlichen Menschen. Und Designer arbeiten nun mal nicht für Designer, sondern für sehr unterschiedliche Auftraggeber. Wenn man selber breite Interessen entwickelt hat, dann kann man einfach mit mehr Leuten interessante Gespräche führen. Und Leute, mit denen man leichter redet und angenehmer redet, mit denen kann man wahrscheinlich auch besser zusammenarbeiten und besser Geschäfte machen.

    Was wünschen Sie sich für die Masterstudierenden?
    Dass sie durch unser Masterstudium in seiner Breite und Vielfalt genau das mitbekommen: Breite und Vielfalt im Denken, in der Wahrnehmung.

    Und was sollen sie wiederum mitbringen?
    Bequemlichkeit und Trägheit soll man zu Hause lassen. Ich erwarte Neugier, Lust sich zu vertiefen und Lust auf Ästhetisierung, also Verfeinerung des Denkens, des Empfindens, des Wahrnehmens.