Kommunikationsdesign

    Masterstudiengang

    Dekoratives grafisches Element

    Der Kick des realen Projekts

    Prof. Eberhard Schlag über die Kunst interdisziplinär an großen Ausstellungen zu arbeiten

    Warum sollten sich Designer*innen mit Raum beschäftigen?
    Ganzheitliche Kommunikation ist schon lange keine reine 2D-Kommunikation mehr. Die Aufgaben sind eben auch dreidimensional, und schlicht deswegen müssen sich Designer*innen mit Raum auseinandersetzen. Außerdem: Über lange Jahre haben Architekten den Raum für sich beansprucht. Mittlerweile ist aber klar, dass die Aufgaben, die heute an die Gestaltung von Raum gestellt werden, so komplex sind, dass sie von Architekt*innen alleine gar nicht mehr bewältigt werden können, sondern dass immer eine Vielzahl von Expert*innen notwendig ist, um diese Komplexität zu bewältigen. Dazu können Kommunikationsdesigner*innen einen wesentlichen Beitrag leisten.

    Im Masterstudium hier finden regelmäßig Design-und-Raum-Projekte statt. Können Sie kurz beschreiben, wie die ablaufen?
    Das Besondere an diesen Projekten ist, dass dort immer Architekt*innen und Kommunikationsdesigner*innen interdisziplinär in Gruppen zusammenarbeiten. Das ist die Grundregel. Und die Aufgaben sind so gestellt, dass ihre Bearbeitung immer beide Disziplinen erfordert, um zu sinnvollen Ergebnissen zu kommen.

    Wie sieht das dann im Semesterverlauf aus?
    Wichtig ist uns, dass die Konzepte gemeinschaftlich interdisziplinär erarbeitet werden. Es findet also bewusst keine Arbeitsteilung der unterschiedlichen Disziplinen statt. Nur dann entsteht diese besondere, ganzheitliche Qualität der Arbeiten. Diese Zusammenarbeit zieht sich weit in das Semester hinein, dazu gibt es wöchentliche Projektbesprechungen, und die Projekte werden dabei immer von zwei Professor*innen betreut, also auch hier ist Interdisziplinarität gewährleistet.

    Bei jahrelanger Erfahrung: Wo liegen die Fallstricke bei der Interdisziplinarität?
    Die Fallstricke sind zunächst einmal, dass unterschiedliche Kulturen und unterschiedliche Arbeitsweisen aufeinandertreffen, was erstmal ungewohnt ist und möglicherweise zu Missverständnissen führt. Aber das ist genau das Interessante an dieser Zusammenarbeit, und wenn man sich darauf einlässt, dann stellt man fest, dass es andere Arbeitsweisen gibt, andere Methoden und möglicherweise entsteht dann auch die Erkenntnis, dass die ein oder andere Methodik vielleicht gar nicht so schlecht ist und man sie auch auf die eigene Arbeit übertragen kann. Wenn man unterschiedliche Perspektiven auf eine Aufgabe richtet, dann kommt ein komplett anderes Ergebnis heraus und in der Regel ein besseres. Diese Erkenntnis ist der eigentliche Gewinn.

    Was können Lehrende tun, um diesen Prozess zu unterstützen? Gibt es einen didaktischen Trick?
    Am Anfang bin ich da recht unbedarft reingegangen und habe erwartet, dass es funktioniert. Letztlich hat es das auch meistens. Es treffen aber unterschiedliche Menschen aufeinander, und die größere Herausforderung ist da eher, dass es Charaktere gibt, die besser zusammenarbeiten können als andere. Das hat aber wenig mit der jeweiligen Disziplin zu tun.

    Im Lehrschwerpunkt »Mediale Ausstellungsgestaltung« gemeinsam mit der Universität Konstanz kommen zu Designer*innen und Architekt*innen auch noch die Fachbereiche Geschichte und Informatik hinzu, seit einigen Semestern auch der Bereich Sounddesign von der Musikhochschule Trossingen. Wie funktioniert das da?
    Architekt*innen und Kommunikationsdesigner*innen haben ja beide einen gestalterischen Ansatz, da ist grundsätzlich eine große Schnittmenge vorhanden, die Vieles einfach macht in der Zusammenarbeit. Die Prozesse sind auch oft ganz ähnlich. Aber bei diesem Projekt ist die interdisziplinäre Erfahrung deutlich extremer. Ich habe da tatsächlich zu Beginn einen extremen »Clash of Cultures« empfunden. Mittlerweile weisen wir deshalb am Anfang des Kurses auf diesen möglichen Konflikt hin. Wir versuchen zu beschreiben, wie unterschiedlich die einzelnen Denkweisen unserer Wahrnehmung nach sind, und dass man sich darauf einstellen muss. Eine Idee dieser Kurse ist es zu lernen, mit diesen komplett anderen Denkweisen umzugehen, weil man das später, im beruflichen Leben, eben auch tun muss. Es ist ein Riesengewinn, wenn man das im Studium schon einmal kennengelernt hat, wenn man weiß, dass eigentlich das eine das andere bedingt, dass man immer unterschiedliche Perspektiven benötigt und dass man nur zusammen zu einem guten Ergebnis kommt.

    Gerade in diesen Projekten entstehen regelmäßig große, tolle, oft preisgekrönte Ausstellungen. Wie kann das gelingen?
    Insgesamt sind fünf Studiengänge und 60 bis 80 Studierende beteiligt. Und die zentrale Frage ist hier natürlich, wie man die alle auf eine Aufgabe fokussieren kann. Wir beginnen daher nicht im großen Team, sondern in kleinen Gruppen, die alle interdisziplinär besetzt sind. Wir machen dann zunächst über vier bis fünf Wochen eine Wettbewerbsphase, in der alternative Konzepte entstehen. Dann gibt es eine Präsentation, den Pitch sozusagen, und im Anschluss wird ein Konzept ausgewählt. Der Schlüssel, dass es so gut funktioniert, ist hierbei, dass nicht die Professor*innen die Auswahl treffen, sondern dass alle gleichberechtigt abstimmen, Profs und Studierende. Interessant war bislang bei allen Projekten, dass dieses Votum sehr eindeutig war. Wenn jede Gruppe sich selbst wählen würde, würde am Ende ja ein Patt entstehen. Aber es wurde bisher immer sachlich und objektiv auf die Konzepte geschaut, und so hatte man am Ende immer einen klaren Gewinner. Das trägt enorm dazu bei, dass es mit dem ausgewählten Projekt dann eine Identifikation gibt. Und dieses Projekt wird dann zusammen weiterentwickelt und im folgenden Semester gemeinsam umgesetzt.

    Am Ende sind das auch riesige Kraftakte. Woher kommt dieses Adrenalin?
    Das liegt vor allem daran, dass es real wird. Es wird öffentlich. Dadurch ist ein ganz anderer Drive dahinter, nicht nur, weil der Druck größer ist, sondern weil es richtig toll ist zu sehen, dass das, was man sich selbst ausgedacht hat, was man selbst entwickelt und entworfen hat, dass das auf einmal da ist. Diesem Sog und dieser Motivation kann sich am Ende keiner entziehen.

    Zuletzt wurde im Jahr 2021 die Ausstellung »Stayin alive – mit Seuchen leben« eröffnet. Eine Ausstellung über Seuchen, mitten in der Coronapandemie. Inwiefern war das etwas Besonderes?
    Abgesehen davon, dass ich kein Ranking der bisherigen Ausstellungen bilden würde, denn jede war für sich etwas Besonderes, war die Seuchen-Ausstellung natürlich speziell, weil sie sich mit einem Thema auseinandergesetzt hat, das auch hier bei uns in Deutschland, hier in Konstanz, total präsent war. Das ging sogar so weit, dass wir bis zuletzt gar nicht wussten, ob wir die Ausstellung überhaupt jemals öffentlich zugänglich machen können.

    Die Themen der Ausstellungen sind inhaltlich sehr weit gefasst, das reicht von syrischer Kulturgeschichte bis zur Künstlichen Intelligenz. Was sind die Auswahl-Kriterien?
    Wir versuchen Themen aufzugreifen, die eine Relevanz haben, und zwar eine aktuelle gesellschaftliche Relevanz. Das interessiert uns. Wir wollen nicht Momente in der Geschichte herausgreifen, die vielleicht für einzelne Gruppen oder Spezialisten interessant sind, sondern ganz niederschwellig Themen bearbeiten, die auch hier vor Ort eine Bedeutung für die Menschen haben.

    Was kommt als Nächstes?
    Wir werden uns mit »Stadt« auseinandersetzen, ab dem Wintersemester 2022.

    Für Studierende, die hier ihren Design-Master machen und dabei feststellen, genau dieser Bereich »Design und Raum« ist mein Ding«: Wie ist die Markt-Lage? Kann man zu diesem Schwerpunkt raten?
    Absolut. Es gibt im kulturellen Bereich nach wie vor einen unheimlichen Bedarf. Hier in Zentraleuropa gibt es natürlich eine extrem hohe Dichte an Museen, die super ausgestattet sind. Aber diese Museen haben festgestellt, dass Dauerausstellungen alleine nicht reichen, sondern dass man immer wieder neue Besuchsanreize schaffen muss mit Wechselausstellungen. Und international ist es hochinteressant, weil drei Viertel der Welt eben noch nicht mit hochklassigen Museen ausgestattet sind. Auch dort hat man aber erkannt, dass Kultur mittlerweile ein ganz wichtiger Faktor in der Entwicklung ist, sowohl im Sinne der Bildung für die eigene Bevölkerung, als auch für die Entwicklung eines Landes als (Tourismus-)Destination. Das stellen wir z. B. schon länger fest im arabischen Raum. Und neu hinzu kommen Länder, die jetzt an der Schwelle stehen. Mit meiner Agentur machen wir gerade zum Beispiel ein Museum in Usbekistan. Im kommerziellen Bereich gab es durch die Pandemie durchaus einen Dämpfer, viele Events und Messen wurden abgesagt. Aber ich bin mir ganz sicher, dass das wieder kommt, sicher auch in neuer Form, denn wir haben viel gelernt während der Pandemie, z. B. spezielle hybride Formate entwickelt. Auch dazu braucht es Gestalter*innen, die solche Formate entwickeln. Auch ein hybrider oder ein virtueller Raum ist ein Raum, der gestaltet werden muss.

    Was würden Sie sich von Studienbewerber*innen wünschen?
    Offenheit. Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Dingen, auch anderen Menschen und Denkweisen gegenüber. Die Zeiten der großen Gestalterpersönlichkeit, die alles weiß und alles alleine macht, sind vorbei.

    Was bekommen die Studierenden zurück?
    Eine sehr weitreichende und fundierte Ausbildung, in allem, was »Kommunikation im Raum« ausmacht, und zwar sehr, sehr breit aufgestellt. Wir machen ja nicht nur Ausstellungen, sondern auch Installationen im Stadtraum, wir gestalten öffentlichen Raum, wir entwickeln Kommunikationskonzepte. Das Angebot ist hier ungeheuer vielschichtig.