Ein virtueller Freund für Kinder in Not

Ein ganzes Set begleitet die kleinen Patient*innen: Juri gibt es nicht nur virtuell, sondern auch als Kuscheltier, Tagebuch-Begleiter, Sticker etc.
Eine Masterarbeit gegen den Schmerz haben Natalie Betsch und Anna-Lena Böttcher im Studiengang Kommunikationsdesign der HTWG Konstanz entwickelt. Die Idee: Kindern mithilfe einer spielerischen Virtual-Reality-Anwendung schmerzhafte Verbandswechsel zu erleichtern.
Verbrennungen gehören zu den eher häufigen Verletzungen von kleinen Kindern. Schnell ist auf eine Herdplatte gefasst oder ein Wasserkocher vom Tisch gezogen – und was nach einer solchen Situation kommt, ist dann oft für eine lange Zeit quälend. Denn die Behandlung von Verbrennungen ist je nach Schweregrad aufwändig und mit Hauttransplantationen verbunden. Besonders gefürchtet sind dabei die regelmäßigen, oft sehr schmerzhaften Verbandswechsel.
Hier setzt das Konzept der beiden Master-Absolventinnen an, deren Thema in voller Länge folgendermaßen lautet: „Kura – Gestaltung und Konzeption eines ganzheitlichen VR- und Begleitkonzepts für brandverletzte Kinder“. Was das mit Design zu tun hat? Jede Menge: Schließlich sollte es um ein visuelles Gesamtkonzept gehen, das Kinder als attraktiv empfinden, das auch Eltern und Pflegenden einen Zugang ermöglicht, und das dabei hilft, eine schwere Zeit leichter zu machen. Erfahrung mit der nötigen Technik konnten die beiden bereits in einem Studienprojekt sammeln, ergänzt haben sie dieses Knowhow um jede Menge interdisziplinäres Wissen aus Medizin und Psychologie.
Eintauchen in die Welt von Koala-Bär Juri
So kam Juri in die Welt. Juri ist ein freundlicher Koala-Bär, der im Weltall zu Hause ist und sich dort um verloren gegangene Sternbilder kümmert. Dabei braucht er Hilfe. Bei den beiden Kommunikationsdesignerinnen gibt es den Bär als Kuscheltier in einem Juri-Beutel, zusammen mit Tagebuch, Stoff-Patches für die Kompressionskleidung, Stickern und mehr – und es gibt als zentrales Element die Juri-Brille. Idee ist, dass die Kinder diese VR-Brille immer dann aufsetzen, wenn ein Verbandswechsel ansteht. Dann begrüßt Juri seinen verletzten Freund in der virtuellen Welt mit einem Ritual und startet kleine Spiele, die sukzessive aufeinander aufbauen. Das Ziel: Ablenkung vom Schmerz durch eine gezielte Aufmerksamkeitsumlenkung.
Koala Juri begrüßt Patienten in seinem virtuellen Weltraum
Gerade bei Verbrennungen, so haben die Designerinnen bei einer umfangreichen Recherche und zahlreichen Experten-Interviews gelernt, prägt sich der Schmerz traumatisch ein. Ein Trauma, das bei jedem Verbandswechsel reaktiviert wird. Bereits jetzt ist es üblich, Kinder dabei beispielsweise durch Filme abzulenken. Eine viel größere Ablenkung allerdings verspricht das Eintauchen in eine virtuelle, immersive Welt, begleitet von einer etablierten Figur, die als freundlicher Begleiter immer wieder auftaucht.
Denn das ist Anna-Lena Böttcher und Natalie Betsch besonders wichtig: Sie wollten nicht ein singuläres Ablenkungs-Spiel gestalten, sondern ein Gesamtkonzept entwickeln, das zur „seelischen Heilung“ beiträgt. Die Kinder können Juri mit ins Bett nehmen, ihm in einem Schmerztagebuch anvertrauen, wie es ihnen geht, und nach jeder Behandlung einen Stern auf das Juri-Weltallplakat kleben. Eltern und Krankenhauspersonal sind durch eine App einbezogen.
Ein ganzes Set begleitet die kleinen Patienten: Juri gibt es nicht nur virtuell, sondern auch als Kuscheltier, Tagebuch-Begleiter, Sticker etc.
Auszeichnung mit dem Konstanzer Designpreis
Ob Juri je den Weg in den klinischen Alltag findet, ist ungewiss: Bis zur Produktreife wären noch viele Schritte nötig und für die Absolventinnen steht nun zunächst der Start ins Berufsleben auf dem Programm. Getestet wurde die Anwendung so bislang ausschließlich an gesunden Kindern. Die allerdings seien begeistert gewesen. „Das war schon Belohnung genug“, sagt Anna-Lena Böttcher. Noch mehr gefreut haben sie sich allerdings über eine ganz offizielle Auszeichnung: Die Jury der „Konstanzer Designpreise“, mit dem in den Studiengängen zu jedem Semesterende die besten Abschlussarbeiten ausgezeichnet werden, hat für diese Arbeit einen ersten Preis vergeben.
Sie wollen virtuelle Realität für Ablenkung vom Schmerz nutzen: Natalie Betsch (l.) und Anna-Lena Böttcher haben ihre Masterarbeit im Studiengang Kommunikationsdesign der HTWG einem medizinischen Thema gewidmet
Fotos: Natalie Betsch und Anna-Lena Böttcher