Fakultät Informatik

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    Promotion aus der Informatik zum Thema Stress

    Portraitfoto

    Promovend Wilhelm Daniel Scherz

    Stress? Stress! Ein Thema, das fast alle kennen und schon mal davon betroffen waren. In seiner Promotion hat Wilhelm Daniel Scherz sich diesem Phänomen aus informationstechnischer Sicht angenähert und dazu geforscht.

    In seiner Dissertation definiert Wilhelm Daniel Scherz Stress als körperliche Reaktion auf einen Stressor. Auf der einen Seite können diese dem Menschen helfen, Herausforderungen zu meistern, auf der anderen Seite können sie auch Körperfunktionen unterschiedlichster Art verändern und negativ beeinflussen. Auch wenn Stress subjektiv unterschiedlich wahrgenommen wird, fest steht, dass Stress den Körper beeinflusst. Daher ist Stressbewältigung ein wichtiges gesellschaftliches und gesundheitsrelevantes Thema.

    Laufbahn
    Wilhelm Daniel Scherz hat an der Hochschule Konstanz den Bachelorstudiengang Technische Informatik (B. Sc.) belegt und entschied sich danach für den Masterstudiengang Business Information Technology (M. Sc.). Durch das technische Wahlfach Mobile Computing lernte er Informatikprofessor Dr. Ralf Seepold kennen. Die Forschungsinteressen von Herrn Seepold begeisterten auch ihn, so dass er eine Stelle als Laboringenieur im Studiengang Angewandte Informatik annahm und parallel dazu begann bei Herrn Seepold zu promovieren.

    Thema
    Besonders das Thema Stress hatte Wilhelm Daniel in seinen Bann gezogen und die Vielfältigkeit dieses Themas fasziniert ihn seit je her. Somit nahm er die Forschung zum Thema „Advanced Stress Management: Integration of Physiological Signals and Personal Characteristics to Prevent and Manage Stress” auf. In seiner Promotion hat sich Wilhelm Daniel Scherz diesem Thema über Fragebögen und Herzfrequenzdaten genähert, um ein Ausgangsniveau von Stress zu bestimmen, Stress mit körperlicher Aktivität zu vergleichen und die Beziehung zwischen Stress, Persönlichkeitsmerkmalen und demografischen Faktoren zu untersuchen.
    Während seiner Promotionszeit betreute er zahlreiche Projekte und Kooperationen, aus denen neue Projektideen und internationale Partnerschaften erwuchsen. Seine Promotion wurde kooperativ von Juan Antonio Ortega der Universidad de Sevilla, Spanien, und Prof. Dr. Ralf Seepold aus der Fakultät Informatik der HTWG Konstanz betreut. Nun konnte er diese mit der Note 1,0 (Nota 10) abschließen.


    Foto: Prof. Dr. Juan Antonio Ortega der Universidad de Sevilla, Spanien, Promovend Wilhelm Daniel Scherz von der Hochschule Konstanz sowie HTWG-Professor Dr. Ralf Seepold nach der erfolgreichen Verteidigung der Dissertation (v.l.n.r.)


    Ein persönlicher Bericht

    Während der Entwicklung eines Prototyps für eine Laboraufgabe im Masterstudiengang Business Information Technology im Wahlfach Mobile Computing entstand mein Interesse an einer Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Ralf Seepold. Aus einem kleinen ferngesteuerten Roboter entwickelte sich eine langjährige Zusammenarbeit, die zuerst im Container begann, in dem zwischenzeitlich einige Forschungsprojekte der HTWG untergebracht waren, und später in Gebäude F der HTWG weitergeführt wurde. Das Thema Stress ergab sich aus der Fortführung der Arbeiten des damaligen Doktoranden Javier Martinez und wuchs zu einem eigenständigen Forschungsschwerpunkt heran. Heute führen daraus entstandene Kooperationen zu neuen Projektideen und internationalen Partnerschaften, die mehrere Länder und Universitäten verbinden.

    Zum Forschungsthema
    Stressbewältigung gewinnt in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Stress – ob subjektiv oder physiologisch gemessen – beeinträchtigt die Entscheidungsfähigkeit und hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden jeder einzelnen Person sowie auf die private und öffentliche Wirtschaft.
    Technologische Fortschritte mögen zwar unseren Alltag erleichtern, doch machen die individuelle Wahrnehmung von Stress, kulturelle Unterschiede und Persönlichkeitsmerkmale die Bewältigung von Stress zu einer immer größeren Herausforderung. Die Notwendigkeit, schnell auf Herausforderungen am Arbeitsplatz zu reagieren, die Hektik des Alltags und der Wunsch, mehr zu erreichen, führen zu vermehrtem chronischen Stress. Dadurch wird es immer wichtiger, Stress besser zu verstehen, zu messen und vorherzusagen.
    In meiner Promotion definiere ich Stress als körperliche Reaktion auf einen Stressor. Stressoren können kurz- oder langfristig wirken und den Körper dazu bringen, anders zu funktionieren. Sie können jedoch auch dabei helfen, auf Herausforderungen zu reagieren und sie zu bewältigen.
    Es gibt zwei gängige Methoden, um Stress zu messen: klassische Fragebögen oder Interviews und die Analyse physiologischer Signale. In meiner durchgeführten Studie haben wir Fragebögen und Herzfrequenzdaten verwendet, um ein Ausgangsniveau von Stress zu bestimmen, Stress mit körperlicher Aktivität zu vergleichen und die Beziehung zwischen Stress, Persönlichkeitsmerkmalen und demografischen Faktoren der Teilnehmenden zu untersuchen.
    Dabei ist wichtig zu betonen, dass Stress nicht vollständig vermieden werden kann. Er optimiert die Körperfunktionen und hilft, gefährliche oder anspruchsvolle Situationen zu bewältigen. Dennoch ist es möglich, ein System zu entwickeln, das Stress besser erkennt und hilft, riskante Situationen zu vermeiden. Dies könnte signifikante Verbesserungen in Bereichen bringen, in denen Fehler besonders kostspielig oder gesundheitsschädlich sein können, und langfristig die negativen Auswirkungen von Stress reduzieren.
    Schon früh zeigte sich, dass Stress ein vielschichtiges und multidisziplinäres Thema ist. Obwohl ich mich schon seit Jahren mit dem Thema intensiv beschäftige, habe ich noch immer das Gefühl, viele weitere Kenntnisse darüber gewinnen zu wollen. Eines der wichtigsten Ergebnisse für mich ist, dass Menschen sehr unterschiedlich auf Stress reagieren. Diese Individualität lässt sich durch verschiedene Methoden darstellen und daraus ableiten.

    Vision und nächste Schritte
    Zukünftige Forschungen könnten physiologische Daten während des Fahrens erfassen, Persönlichkeitsmerkmale und Stresslevel analysieren und dabei den Revised Eysenck Personality Questionnaire-Short (EPQR-S) Fragebogen durch das Fünf-Faktoren-Modell (FFM) der Persönlichkeit ersetzen. Das FFM umfasst fünf Dimensionen (Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus) im Vergleich zu den vier des EPQR-S Fragebogen (Extraversion, Neurotizismus, Psychotizismus und Lügen). Das FFM legt besonderen Fokus auf soziale und verhaltensbezogene Aspekte der Persönlichkeit, die in Kombination mit kulturellen Merkmalen helfen könnten, Stress präziser zu identifizieren und zu analysieren.
    Ein zusätzlicher zukünftiger Schritt wäre der Einsatz von Deep Learning und unüberwachten maschinellen Lernverfahren zur Erkennung von Stress über Signale wie Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität und Fahrverhalten. Das gleiche Konzept könnte auch auf Daten von Smartwatches und anderen tragbaren Geräten angewendet werden.
    Darüber hinaus fließen die Ergebnisse meiner Forschung aktuell in das neue Projekt ImpuLS-AI ein, das Stress und Schlafqualität bei Kindern untersucht. Mit nicht-invasiven mobilen Systemen wird ein Protokoll verwendet, das emotionale und perspektivische Aspekte bei Kindern mit Verhaltensstörungen anspricht. Ziel dieses Projekts ist es, Zusammenhänge zwischen Stresssignalen, Schlafmustern und Impulskontrollstörungen (gemäß der ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems), einer medizinischen Klassifikationsliste der Weltgesundheitsorganisation (WHO)) aufzuzeigen. Eine Studie für 2024 und 2025 soll das Verhalten von 200 Kindern hinsichtlich Stress und Verhaltensproblemen analysieren, wobei Stressverhalten, Schlaf- und Sprachmuster untersucht werden. Das ImpuLS-AI-Projekt zielt darauf ab, eine kostengünstige Methodik zur Diagnoseunterstützung bei ICD anzubieten. Darauf aufbauend sollen KI-gestützte Werkzeuge zur Therapieunterstützung entwickelt werden.
    Die Ergebnisse könnten zudem durch Cortisoltests von Speichelproben vertieft werden, um genauere Zusammenhänge zwischen Stressfaktoren und Persönlichkeitsmerkmalen aufzuzeigen.

    Danksagung
    Besonders danken möchte ich meiner Frau Diana Scherz für ihre bedingungslose Unterstützung, Dr. Maksym Gaiduk für seine Zusammenarbeit und Freundschaft sowie meinen Doktorvätern Ralf Seepold und Juan Antonio Ortega. Ein herzlicher Dank geht auch an Informatikprofessor Dr. Dirk Staehle und die Fakultät Informatik.

    Fotos: Wilhelm Daniel Scherz