Liegeplatz per App
08.04.2019
Hafenverwaltung mit Papier und Stift? Das könnte bald Vergangenheit sein. Zwei Studenten haben eine App für das digitale Hafenmanagement programmiert.
Noch geht nichts in den meisten Hafenverwaltungen am Bodensee ohne Papier und Stift. Das könnte sich beim SV Dingelsdorf schon in dieser Saison ändern. Till Reitlinger und Elias Greve, Studenten des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen Elektrotechnik und Informationstechnik, haben eine App für Tablets programmiert, die auch unerfahrenen Nutzern das digitale Hafenmanagement ermöglicht. Prof. Dr. Wolf-Stephan Wilke, selbst Mitglied im SV Dingelsdorf und Wirtschaftsingenieurwesen-Professor an der HTWG Hochschule Konstanz, hat die Entwicklung der App als Thema für ihre Bachelorarbeit vorgeschlagen. Über ein Semester lang haben sich die beiden Studenten mit Fragestellungen des Hafenmanagements beschäftigt, die Anforderungen an eine solche Anwendung bei Vereinsmitgliedern abgefragt und nach möglichen Lösungswegen für eine zuverlässige IT-Architektur gesucht, die den komplexen Ansprüchen genüge tut. Eine wichtige Anforderung war, die Bedienung so einfach wie nur möglich zu machen. Das Ergebnis ist eine sehr übersichtlich gestaltete Programmoberfläche, die es erlaubt, mit nur wenigen Klicks Liegeplätze freizugeben, zu belegen, neue Daten einzupflegen und Abrechnungen vorzunehmen.
„Es macht einfach Spaß, für eine reale Fragestellung eine Lösung zu erarbeiten“, sagt Till Reitlinger, der aus Wertheim am Main für das Studium an den See gekommen war. Auch Elias Greve, selbst Windsurfer und damit weniger mit dem Ringen um einen Liegeplatz vertraut, hat sich gerne der Herausforderung gestellt: „Ein anderes Thema wäre sicher mit weniger Aufwand verbunden gewesen, aber man lernt auch viel mehr, wenn man ein solch komplexes Projekt bearbeitet.“
Unterstützung für den Hafenmeister
Von Montag bis Freitag erfüllt beim SV Dingelsdorf ein Hafenmeister den Dienst im Hafen, am Wochenende übernehmen Mitglieder aus dem Verein seine Aufgaben, die für sie nicht ganz so alltäglich sind. Ziel für beide Anwendergruppen war, ihnen Arbeit abzunehmen, damit sie sich auf eigentliche Arbeiten fokussieren können. Dazu tragen nun die einfache Bedienung und die Automatisierung sich wiederholender Aufgaben bei. So berücksichtigt beispielsweise die App immer den tagesaktuellen Pegelstand. Er ist die Grundlage für die Berechnung der Wassertiefe, um einfahrenden Booten den für sie passenden Liegeplatz zuweisen zu können. Bisher mussten diese Daten immer wieder neu berechnet werden.
Viele Informationen auf einen Blick
Per Farbcodierung der einzelnen Liegeplätze ist eine schnelle Übersicht über freie Plätze bzw. über die Belegung durch Gastanlieger und Festanlieger möglich. Bei einem Fingertippen auf einen Liegeplatz sind dann dessen individuelle Maße und sein Status ersichtlich, so zum Beispiel auch die Kalenderdaten, bis oder ab wann ein Platz wieder frei ist. Mit verschiedenen Filterfunktionen können sich Nutzer schnell auch zu anderen Fragen einen Überblick verschaffen – zum Beispiel über säumige Zahler.
Eine weitere Voraussetzung für die Nutzung der App: Stets sollte eine reibungslose Übergabe ohne Datenverluste inklusive der zuverlässigen Sicherung der Daten und der Einhaltung der Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung gewährleistet sein. Auch diese Anforderung erfüllt die App, nachdem vor der Erstellung auch die Bedingungen des Datenschutzbeauftragten des Vereins aufgenommen worden waren.
Agile Entwicklung
Besonders war die Vorgehensweise der Studenten auf Basis einer „agilen Entwicklung“. Das bedeutet, dass die Anforderungen an das Produkt nicht vollständig im Voraus festgelegt sind, sondern in regelmäßigen Gesprächen zwischen Kunde und Entwickler gefunden werden. „Dabei ist es wichtig, dass zu jedem Treffen ein neues Ergebnis oder ein neuer Prototyp vorliegt, so dass die umgesetzten Anforderungen direkt begutachtet werden können. Der Vorteil ist, dass der Nutzer in die Entwicklung mitinvolviert ist und daher Missverständnisse und fehlende Anforderungen sehr früh aufgedeckt werden können“, erläutert Elias Greve. Till Reitlinger fügt hinzu: „Bei unserer App haben wir genau diese Projektidee verwendet und haben regelmäßig in ein bis zwei Wochen Abstand Treffen mit den Professoren und dem Anwender, also dem Hafenmeister, vorbereitet.“ Auf diese Weise konnten die Studenten wichtige, noch unbekannte Anforderungen aufdecken und einbauen, was im Vergleich zu einer nachträglichen Implementierung Entwicklungsressourcen schonte und ebenfalls die Nutzerzufriedenheit erhöhte.
Neben Prof. Dr. Wolf-Stephan Wilke war auch Prof. Dr. Burkhard Lehner involviert, der einen besonderen Blick auf die technischen Lösungen geworfen hatte. „Die Professoren hatten immer ein offenes Ohr für uns, das hat bei der Umsetzung sehr geholfen“, sagt Till Reitlinger. Beide Studenten möchten auch nach dem Abschluss des Bachelor-Studiums in Konstanz bleiben und an der HTWG das Masterstudium anschließen. Sie könnten so die Entwicklung der App weiterhin begleiten.
Sukzessive Erweiterung zum Liegeplatzmanagement am Bodensee
Günther Brugger, Vorsitzender des SV Dingelsdorf, lobte die Arbeit der Studenten. Während der Präsentation vor dem Vorstand entstanden spontan noch weitere Ideen für die Ergänzung der App. So könnten zum Beispiel Daten direkt ins Kassenbuch des Vereins übertragen werden. Innerhalb des Vorstands werde nun entschieden, ob die App eingesetzt werde.
Die Hafenmanagement-App ist der erste Teil eines geplanten umfassenden Systems, das die beiden Professoren der HTWG sukzessive mit Partnern zum Liegeplatzmanagement auf dem Bodensee aufbauen möchten. Das System könnte dann auch Bootskapitänen eine Hilfe sein: Schon auf dem See könnten sie einsehen, in welchem Hafen noch ein für ihr Boot geeigneter Liegeplatz frei ist.
Fotoquelle Titelbild: Pixabay / Lars_Nissen_Photoart