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Wissensmanagement: Gemeinsam wissen wir mehr

21.02.2023

Lösungen für die Arbeit von morgen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in der Investitionsgüterindustrie, hat das Forschungsprojekt "SerWiss" der HTWG zusammen mit fünf weiteren Partnern entwickelt. Optimales Wissensmanagement soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

An der HTWG werden hochqualifizierte Fachkräfte von morgen ausgebildet. Das Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt, wird den bereits bestehenden Mangel an Fachkräften zukünftig aber noch verschärfen, insbesondere zum Beispiel in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Investitionsgüterservice.

Wissensmanagementlösungen für die Arbeit von morgen in KMU

Denn obwohl die Investitionsgüterindustrie in Deutschland sehr stark von KMU geprägt ist, ziehen vor allem große Unternehmen mit bekannten Namen Fachkräfte an. KMU, besonders in ländlichen Regionen, sind in der Folge bereits jetzt häufig chronisch unterbesetzt.  

Mit dem Forschungsprojekt „SerWiss“ hat die HTWG gemeinsam mit der Ruhr-Universität Bochum, der Unternehmensberatung pro accessio, dem Softwareentwickler TeamViewer sowie den Anlagen- und Maschinenbauunternehmen acp systems und Automatic-Systeme Dreher in den vergangenen drei Jahren Lösungen für die wissenszentrierte Arbeitsgestaltung von morgen entwickelt. Es wurde im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut.

Präsentation der Ergebnisse

In einer Abschlusspräsentation werden die beteiligten Projektpartner am Montag, 27. Februar 2023, die Ergebnisse von „SerWiss“ vorstellen. Ziel der Veranstaltung im „Zentrum für das Engineering Smarter Produkt-Service Systeme“ (ZESS) in Bochum ist es, die Teilnehmenden dazu zu inspirieren, durchgängige Wissensmanagementsysteme einzuführen und mögliche Geschäftsmodelle, genauso wie Fallstricke vorzustellen. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei.

Mehr Informationen zum Projekt und zur Veranstaltung:

serwiss.htwg-konstanz.de

Digitales Wissensmanagement macht den Beruf von Servicetechniker*innen attraktiver

Die Beteiligten an „SerWiss“ haben sich zum Beispiel damit beschäftigt, wie KMU in der Investitionsgüterindustrie mit Hilfe von digitalem Wissensmanagement Arbeitskräfte als Servicemitarbeiter*innen einsetzen können, die bisher nicht für den Beruf in Frage kamen oder für die der Beruf bisher unattraktiv war.

„Fachkräfte im Investitionsgüterservice haben aufgrund der Komplexität der Dienstleistung lange Anlernphasen, bevor sie produktiv im Unternehmen wirken können“, erklärt Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Stefan Schweiger aus der Fakultät Wirtschafts-, Kultur- und Rechtswissenschaften der HTWG.

Auch CO2 soll das digitale Wissensmanagement sparen

Hinzu kommt, dass der Beruf von Servicetechniker*innen in der Investitionsgüterindustrie sich nur schwer mit einem Familienleben mit Kindern vereinbaren lässt und ihn bisher vor allem junge, körperlich fitte Mitarbeitende erledigen können. „Es kommt regelmäßig vor, dass die Techniker*innen einen Anruf zu einem Maschinenstillstand erhalten und am nächsten Tag sitzen sie bereits im Flugzeug zum Kunden“, erklärt Projektmitarbeiter Maximilian de Geus.

Die Lösung des Projektteams: Wissen, das während einzelner Serviceeinsätze entsteht, soll in den KMU mit Hilfe digitaler Lösungen besser dokumentiert und so erneut anwendbar werden. „So wäre es bei einfacheren Instandhaltungen beispielsweise möglich, Kunden per Anleitung selbst in die Lage zu versetzen, eine Maschine zu reparieren, falls es sich um ein Problem handelt, das einem bereits gelösten ähnlich ist“, erläutert Projektmitarbeiterin Gloria Bohn. Die Anreise fällt weg, das Unternehmen spart Arbeitszeit und CO2 und die Servicetechniker:innen können deutlich effizienter eingesetzt werden.

Wissen recyceln

Dieser Ansatz stammt ursprünglich aus der IT-Branche und nennt sich „Knowledge-Centered Service“ (KCS). Er basiert darauf, viele sich wiederholende Fälle abzuspeichern, um sie schnell wieder abrufen zu können. Weil Maschinen in der Investitionsgüterindustrie besonders im Sondermaschinenbau aber sehr individuell sein können, ist die Methode nur bedingt übertragbar.

Das Projektteam kombiniert die KCS-Methodik deshalb mit „Intelligent Swarming“, einem Ansatz, der sich damit befasst, die richtigen Fachkräfte zum richtigen Thema möglichst schnell zusammenzubringen. Auf der Grundlage dieser beiden Ansätze testete das Projektteam gemeinsam mit zwei KMU-Partnern digitale Anwendungen zweier Entwicklungspartner, um das Wissensmanagement zu optimieren.

Zukünftig können Datenbrillen das Wissensmanagement unterstützen

Dabei kamen unter anderem Foto- und Speech-to-text-Anwendungen auf Smartphones und Tablets zum Einsatz. „Sie ermöglichen es den Servicemitarbeitenden neu gewonnenes Wissen im Arbeitsprozess auch dann zu dokumentieren, wenn sie mit beiden Händen gerade in einer Maschine stecken“, erklärt Gloria Bohn.

Um die Erfassung weiter zu optimieren, könnten zukünftig auch Augmented Reality und Datenbrillen zum Einsatz kommen, so das Projektteam. Mit ihnen könnten Servicemitarbeitende per Sprachsteuerung zum Beispiel Fotos machen, ohne dafür ein Gerät in die Hand nehmen zu müssen.

Neue Geschäftsmodelle: Wissen verkaufen

Nah an der Alltagsrealität der KMU-Partner arbeitete das Team im aktuellen Projekt aber noch mit Smartphones und Tablets, da diese bereits von allen Mitarbeitenden genutzt werden. Allgemein wurde während der Projektarbeit großen Wert auf die Einbindung der Mitarbeitenden gelegt, da bei dieser Art von Neugestaltung der Servicearbeit ein ausgeprägtes Change Management mit Fokus auf Kommunikation und Unternehmenskultur notwendig ist.

Neben der internen Prozessoptimierung entwickelten die Forschungspartner zudem Geschäftsmodelle, die es KMU ermöglichen sollen, das gesammelte Wissen als Wert zu verkaufen.

Titelbild: Projektmitarbeiter Maximilian de Geus bei Versuchen mit einer Datenbrille.