Architektur

    Bachelor und Master

    Dekoratives grafisches Element

    Mit der menschlich-emotionalen Komponente in der Auseinandersetzung mit der Stadt befasste sich Professor Leonhard Schenk vom Fachgebiet Städtebau und Entwerfen während seines Fortbildungssemesters. Er untersuchte dabei Schilderungen aus 4000 Jahren menschlicher Stadterfahrung, von der vorchristlichen Beschreibung der Stadt Uruk im Gilgamesch-Epos bis hin zu Eindrücken aus dem Tokio Ende des letzten Jahrtausends.

    Fündig geworden war er vor allem in Reiseberichten, denn Reisende in früheren Zeiten zeichnete Neugier, eine gewisse Distanz zu den Stationen ihrer Reise und oftmals ein starker Mitteilungsdrang aus. So sind ihre Schilderungen prädestiniert als Quellen für eine Analyse des Stadterlebens, ebenso die der jungen Adligen und gehobenen Bürgerssöhne, die meist als Abschluss ihrer Erziehung eine „Grand Tour“ durch Mittel- und Südeuropa unternahmen. Auch die Reiseerzählungen von Schriftstellern und schließlich Architekten griff Schenk auf, um historische Eindrücke der Stadt zu erhalten.

    Besonders interessant waren Schilderungen, die fast zeitgleich, aber aus unterschiedlichen Blickwinkeln entstanden waren. New York in den „Roaring Twenties“ aus der Sicht eines frisch angekommenen, überwältigten Europäers unterscheidet sich deutlich von der desillusionierten Beschreibung eines von der Weltwirtschaftskrise gebeutelten Amerikaners nur wenige Jahre später. Auch wird Berlin komplett anders erlebt von einem, der die Arbeiterquartiere kennt, die Hinterhöfe und die drangvolle Enge in den Häusern, als vom Flaneur, der auf dem Ku’damm die Zeit verbummelt und neue Facetten des Zeitvertreibs genießt, die durch Glas und künstliches Licht ermöglicht werden.

    Neue Materialien, technischer Fortschritt und gesellschaftliche Veränderungen schlagen sich natürlich stets auch in den Städten nieder. Die Industrialisierung mit den oftmals prekären Lebenswelten der Arbeiter, der beginnende Massentourismus, Krisen und Kriegen beeinflussen das Stadterlebnis ebenso wie z. B. die filigrane Leichtigkeit, die Stahl- und Glaskonstruktionen mit sich bringen.

    So kurzweilig und lebendig Schenk während seines Vortrages "Um uns die Stadt" die Einblicke in historisches Stadtempfinden vorträgt, präsentiert er dennoch kein Endergebnis, sondern macht klar, dass durch das Fortbildungssemester erst der Anfang gemacht sei, er das Stadterlebnis des Individuums weiter untersuchen werde. Die Schilderungen der weiteren Reisestationen und Veröffentlichungen während der professoralen Auszeit lassen vermuten, dass er seine Zeit gut zu nutzen weiß und die Zuhörerschaft also auf weitere Einsichten gespannt bleiben darf.