Fakultät Informatik

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    Länderübergreifendes Forschungsprojekt: KI-basierter Sturzsensor für die Pflege

    Es gibt immer mehr ältere Menschen und der Pflegebedarf steigt. Dieser Projektansatz nutzt KI-basierter Sturzsensoren, analysiert Langzeitdaten und hat die Entlastung der Fachkräfte sowie die Lebensqualität der Betroffenen im Blick.

    Im Fokus: Lebensqualität & Entlastung
    Das Kooperationsprojekt mit sechs Partnern unter Leitung von der novoviam GmbH, Schweiz, fördert die Einführung intelligenter digitaler Sensortechnologien in Kliniken und Pflegeeinrichtungen im Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein-Raum (ABH-Raum). Im Fokus steht die Frage, wie durch die Erkennung von Ereignissen und der Analyse des Langzeitverhalten in einem Zimmer die Lebensqualität, Sicherheit und Freiheit der Bewohnerinnen und Bewohner gesteigert werden kann bei gleichzeitiger Entlastung der Fachkräfte von Kontroll- und Administrativ-Tätigkeiten. Das dazugehörige länderübergreifende Forschungsprojekt heißt „CareVolutionAI - KI-basierter Sturzsensor für die Pflege als Entlastung für Fachkräfte und PatientInnen im ABH-Raum“.

    Technik & KI
    Im Projekt CareVolutionAI wird eine fortschrittliche Kombination aus 3D-Sensortechnologie und Künstlicher Intelligenz eingesetzt, die speziell für die Anforderungen in Pflegeeinrichtungen entwickelt wurde. Herzstück der Technik ist ein raumbasierter 3D-Sensor, der kontaktlos Bewegungen und Verhaltensmuster im Bewohnerzimmer erfasst. Dabei werden keine personenbezogenen Bilddaten, sondern lediglich datenschutzkonforme 3D-Punktwolken verarbeitet. Die gesamte Analyse erfolgt direkt im Sensor selbst (Edge-Computing), wodurch weder Rohdaten noch sensible Informationen das Zimmer verlassen. Diese Architektur erfüllt höchste Anforderungen an die Datensicherheit und den Schutz der Privatsphäre. Die Künstliche Intelligenz basiert auf Deep-Learning-Algorithmen, die verschiedene pflegerelevante Ereignisse automatisch erkennen können, darunter Stürze, nächtliches Aufstehen, Unruhe oder Immobilität im Bett. Ziel ist es, kritische Situationen frühzeitig zu erfassen und das Pflegepersonal gezielt zu unterstützen. Zusätzlich werden Bewegungs- und Verhaltensdaten über längere Zeiträume analysiert, um Langzeittrends wie erhöhte Sturzgefahr, beginnende kognitive Störungen oder Dekubitus-Risiken (Druckgeschwüre) zu identifizieren. Die gewonnenen Informationen werden über ein interaktives Dashboard (eine visuelle Übersicht wichtiger Daten und Kennzahlen) visualisiert, das nicht nur die Pflegekräfte, sondern auch die Leitungsebene und regionale Entscheidungsträger adressiert. Dieses Pflegecockpit bereitet die KI-Ergebnisse so auf, dass sie sowohl für die tägliche Versorgung als auch für strategische Entscheidungen genutzt werden können. Dank Over-the-Air-Updates können neue KI-Module wie Deliriumerkennung (Verwirrtheit) oder Schlafverhaltensanalyse unkompliziert nachgerüstet werden, was das System flexibel und zukunftsfähig macht. Insgesamt ermöglicht dieser technologische Ansatz eine präzise, kontinuierliche und zugleich unaufdringliche Unterstützung der Pflege.

    Abläufe, Daten & Befinden des Pflegepersonals
    Die Pflegekräfte in Einrichtungen der Altenpflege sehen sich zunehmend mit komplexen Herausforderungen konfrontiert: Personalmangel, nicht planbare Kontrollaufgaben, hohe physische und psychische Belastungen sowie ein wachsender Dokumentationsaufwand. Diese Situation beeinträchtigt nicht nur die Qualität der Versorgung, sondern auch das Wohlbefinden des Pflegepersonals selbst. CareVolutionAI begegnet dieser Problematik durch einen ganzheitlichen Ansatz, der technologische Innovation mit einem tiefen Verständnis für die Arbeitsrealität des Pflegepersonals verbindet. Zentrales Element des Projekts ist die Einführung von intelligenten 3D-Sensoren, die mit eingebetteter KI-Verarbeitung in der Lage sind, pflegerelevante Aktivitäten und kritische Ereignisse direkt im Bewohnerzimmer zu erfassen. Durch diese Echtzeit-Datenverarbeitung entstehen neue Abläufe in der Pflege: statt regelmäßiger, routinemäßiger Kontrollgänge können Pflegekräfte gezielt auf tatsächlich relevante Ereignisse reagieren. Dadurch werden zeitliche und personelle Ressourcen effizienter eingesetzt. Ein besonderer Fokus liegt auf der Frage, wie sich diese Digitalisierung auf das Befinden und die Arbeitszufriedenheit des Pflegepersonals auswirkt. In einer wissenschaftlich begleiteten Studie mit Pflegekräften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz werden Veränderungen in der Arbeitsbelastung, im Stressniveau und im subjektiven Wohlbefinden erfasst. Ergänzend werden Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators, kurz KPIs) wie die Anzahl vermeidbarer Kontrollgänge, Reaktionszeiten bei Notfällen oder dokumentationsrelevante Ereignisse systematisch erhoben. Die Daten, die durch die Sensoren generiert werden, liefern nicht nur wertvolle Informationen zur Patientensicherheit und -versorgung, sondern ermöglichen zugleich eine datenbasierte Pflegeplanung und Personalallokation. Langzeittrends – etwa zur nächtlichen Unruhe, Sturzrisiken oder Bettmobilität – können visualisiert und mit administrativen Daten kombiniert werden, um Pflegeprozesse gezielt zu verbessern. Dabei wird streng auf die Wahrung des Datenschutzes und die Anonymität der Beschäftigten geachtet. Durch diese intelligenten Assistenzsysteme kann das Pflegepersonal spürbar entlastet werden. Mehr Zeit für zwischenmenschliche Zuwendung, reduzierte psychische Belastung durch weniger Fehlalarme und planbare Aufgabenverteilung führen zu einer nachhaltigeren Arbeitsumgebung. CareVolutionAI leistet so einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Resilienz des Pflegepersonals und zur Attraktivität des Berufsbildes in der Langzeitpflege – ein essenzieller Baustein für die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitswesens im ABH-Raum.

    Demographische Entwicklung & berufliche Herausforderungen
    Angesichts der alternden Bevölkerung, des Personalmangels und steigender Kosten steigt die Nachfrage nach effizienten Lösungen zur Unterstützung der Pflegekräfte. Pflegekräfte stehen vor einer Vielzahl von Kontrollherausforderungen, abhängig vom Grad der Pflegeintensität, wie Sturzhilfe, Unterstützung bei täglichen Aktivitäten, Umlagerung, Protokollierung der Tätigkeiten und Aufsicht bei neurodegenerativen Erkrankungen. Diese Aufgaben sind oft nicht planbar und führen zu erheblichem Stress. 

    Das Besondere des Projektansatzes
    Das Projekt CareVolutionAI verfolgt einen innovativen und ganzheitlichen Ansatz zur Digitalisierung der Pflege, der sich deutlich von bisherigen Lösungen abhebt. Im Zentrum steht ein KI-gestützter 3D-Sensor, der mit nur einem Gerät pro Zimmer sämtliche pflegerelevanten Aktivitäten datenschutzkonform erfasst und analysiert. Dadurch werden sowohl Bewohnerverhalten als auch potenzielle Risikosituationen wie Stürze oder Unruhezustände in Echtzeit erkannt. Besonders ist, dass nicht nur einzelne Ereignisse, sondern umfassende Verhaltensmuster kontinuierlich ausgewertet und auf verschiedenen Ebenen – vom Einzelzimmer bis zur Region – aggregiert werden. Dies ermöglicht erstmals fundierte Entscheidungen auf Pflege-, Management- und politischer Ebene. Das Projekt bindet Akteure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ein und berücksichtigt länderspezifische Bedingungen bereits in der Designphase. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist der Fokus auf das Pflegepersonal: CareVolutionAI untersucht wissenschaftlich die Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsbelastung, Stress und Zufriedenheit der Pflegekräfte. Damit wird die Technologie nicht nur zum Instrument für eine bessere Versorgung, sondern auch zur konkreten Entlastung und Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs. Durch den bereits etablierten Stand der eingesetzten Technik wird zudem ein schneller Nutzen im Praxisalltag ermöglicht, während die modulare Erweiterbarkeit eine nachhaltige Weiterentwicklung sicherstellt. CareVolutionAI vereint somit technologische, soziale und organisatorische Innovation in einem zukunftsweisenden Projektansatz für die Pflege im gesamten ABH-Raum.

    Projektdetails
    Das Forschungsprojekt wird durch die Interreg VI Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein über eine Laufzeit von 27 Monaten gefördert. Projektleiter ist Informatikprofessor Dr. Ralf Seepold der HTWG Konstanz. Die Gesamtprojektsumme beträgt € 1,24 Mio, die Mittel öffentlicher und privater Dritter beläuft sich auf € 540078,- und die Fördersumme für HTWG beträgt € 246723,-.

    Das Projekt CareVolutionAI wird durch das Interreg Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein Programm (www.interreg.org) unter der Nummer ABH036 gefördert.


    Text: Prof. Dr. Ralf Seepold