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Blick auf Verantwortung in der Modewelt

03.12.2021

Carla Zachmann hat für ihre Masterarbeit bei einem Modeunternehmen über die Sorgfaltspflicht in globalen Lieferketten geforscht. Ihre Arbeit erhielt eine Auszeichnung von Compliance Managern.

Vielen Kund*innen bleibt beim Shoppen ein bitterer Beigeschmack. Unter welchen Bedingungen wurde wohl das neue Smartphone produziert? Waren gar Kinder beim Schürfen seltener Erden beteiligt? Welche Auswirkungen auf die Umwelt hatte die Färbung des schicken Oberteils? Wurden die Näher*innen angemessen bezahlt? Und wie lange ist wohl ihr Arbeitstag?

Diese Fragen beschäftigen auch die Politik. „Ich finde die aktuellen Entwicklungen rund um das Thema Nachhaltigkeit und Verantwortung von Unternehmen sehr spannend“, sagt HTWG-Absolventin Carla Zachmann und führt aus: „Vieles ist gerade im Aufbau und wird kontrovers diskutiert, wie zum Beispiel das deutsche Lieferkettengesetz, welches 2023 in Kraft tritt. Aber auch die EU plant die Einführung eines Sorgfaltspflichtengesetzes.“

Nachwuchsförderpreis des Bundesverbands der Compliance-Manager

Carla Zachmann weiß, wovon sie spricht. Sie hat ihre Masterarbeit zum Thema „Unternehmerische Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten – Analyse der menschenrechtlichen und ökologischen Risiken am Beispiel des Bekleidungsherstellers Holy Fashion Group“ verfasst. Und zwar in so bemerkenswerter Weise, dass sie beim jüngsten Bundeskongress Compliance des Berufsverbands der Compliance-Manager in der Preiskategorie „Beste Bachelor-/Masterarbeit“ den Nachwuchsförderpreis für ihre Arbeit verliehen bekam.

 

„In ihrer Arbeit setzt sich Carla Zachmann in anspruchsvoller theoretischer und gleichzeitig praxisnaher Weise mit einem für die Corporate Governance und Compliance aktuellen und äußerst relevanten Thema auseinander“, heißt es in der Pressemitteilung des Berufsverbands der Compliance Manager. Die Ehrung freut auch Prof. Dr. Stephan Grüninger, der die Arbeit betreut hat. Der Direktor des Konstanz Instituts für Corporate Governance und Vorsitzende des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik (DNWE) sagt: „Carla Zachmann hat eine ganz hervorragende Arbeit zu einem hochaktuellen Thema vorgelegt. Die menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflichten von Unternehmen in globalen Lieferketten werden derzeit gesellschaftlich und politisch intensiv und kontrovers diskutiert. Frau Zachmann ist es gelungen, dieses theoretisch als auch praktisch sehr komplexe Thema für die Holy Fashion Group aufzuarbeiten und praktische Handlungsempfehlungen abzuleiten. Ich freue mich sehr für Frau Zachmann.“

Was versteht man unter "Compliance"?

Im Unternehmens- und Organisationsbereich bedeutet Compliance die Befolgung der Gesetze und regulatorischen Anforderungen, der Organisationsgrundsätze, interner Kodizes und Richtlinien, der Prinzipien einer guten Unternehmens- bzw. Organisationsführung (Good Governance) sowie allgemein akzeptierter ethischer Normen (Grüninger, 2014) Weitere Informationen zu Compliance und Compliance-Management-Systemen bietet das Handbuch Compliance Management, das 2020 in dritter Auflage erschienen ist.

Die HTWG hat als eine der ersten Hochschulen für angewandte Wissenschaften 1995 - damals als Fachhochschule - das Thema Wirtschaftsethik in das BWL-Studium integriert. Über viele Jahre war das noch recht exotisch. Lehrende und Mitarbeiter*innen haben das Thema konsequent verfolgt, viele Absolvent*innen haben zu wirtschaftsethischen Fragestellungen promoviert, einige lehren bereits selbst Wirtschaftsethik als Professorinnen (Prof. Dr. Maud Schmiedeknecht, Prof. Dr. Lisa Schöttl). Prof. Dr. Stephan Grüninger, selbst Absolvent der Hochschule Konstanz, ist unter anderem wissenschaftlicher Direktor des Konstanz Institut für Corporate Governance und Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik. Im Interview spricht er über den wachsenden Stellenwert von Unternehmensverantwortung.

Der Schwerpunkt „Corporate Governance & Compliance“ im Master Unternehmensführung an der HTWG war es, der Carla Zachmann zum Studium nach Konstanz geführt hat. Schon während ihres Bachelorstudiums Internationale Betriebswirtschaft an der Hochschule Aalen empfand sie die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Recht reizvoll. Während ihres Studiums an der HTWG war sie unter anderem auch beim Konstanz Institut für Corporate Governance KICG tätig.

„Ich wollte von Anfang an meine Masterarbeit gerne im Bereich Compliance schreiben“, betont sie. Auf der connect Messe im Dezember 2019 an der HTWG kam sie mit Vertreterinnen der Holy Fashion Group in Kontakt und erfuhr, dass der Bereich Nachhaltigkeit & Compliance ausgebaut werden soll. Da passte der Schlüssel zum Schloss, schließlich konnte sie sich schon immer für Mode begeistern und wollte zudem gerne in einem internationalen Arbeitsumfeld arbeiten. Die Chance ließ sie sich also nicht entgehen. „Daraufhin habe ich mich einfach initiativ beworben für ein Praktikum mit anschließender Masterarbeit und es hat geklappt“, erzählt sie rückblickend.

Analyse und Handlungsempfehlungen entlang der Wertschöpfungskette

Zum Hintergrund ihrer Arbeit erläutert sie: „In den letzten Jahren wurden einige Fälle von Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen, sowie Umweltverschmutzungen bei der Produktion von Bekleidung dokumentiert. Die Verantwortung für diese sozialen und ökologischen Missstände in globalen Lieferketten wird zunehmend den multinationalen Unternehmen zugerechnet. Diese sind deshalb aufgefordert, ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht wahrzunehmen.“ Konkret bedeute dies, dass Unternehmen über geeignete Verfahren verfügen müssen, um ihre Auswirkungen auf Menschenrechte zu ermitteln, zu verhüten und zu mildern sowie Rechenschaft darüber abzulegen, wie sie diesen Auswirkungen begegnen.

Genau dieser Herausforderung stehe auch die Holy Fashion Group gegenüber. „In meiner Masterarbeit habe ich deshalb die menschenrechtlichen und ökologischen Risiken entlang der Wertschöpfungskette systematisch analysiert und daran anknüpfend Handlungsempfehlungen gegeben.“ „Die Studie zum Lieferkettenprofil und den unternehmensspezifischen Risiken ist hochinteressant. Die abgeleiteten Handlungsempfehlungen sind für das Unternehmen von unmittelbarer praktischer Relevanz“, ist auch Prof. Dr. Stephan Grüninger überzeugt.  

Ergebnisse ihrer Arbeit kann sie direkt umsetzen

Mit ihrer Arbeit hat Carla Zachmann nicht nur die Preisjury des BCM überzeugt. Seit Abgabe ihrer Masterarbeit ist sie weiterhin bei der Holy Fashion Group beschäftigt, in der Position als Junior Social Compliance & Sustainability Managerin. Nun kann sie Ergebnisse ihrer Arbeit anwenden, „denn die Risikoanalyse meiner Masterarbeit ist nicht nur eine Anforderung aus den UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD Leitsätzen für multinationale Unternehmen, sondern auch vom Gesetzgeber“, erläutert die Preisträgerin.

Diskussion zu „Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in Unternehmen“

Am 10. Dezember 2021 findet eine Kooperationsveranstaltung des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik (DNWE) mit dem Deutschen Institut für Compliance Officer (DICO) zum Thema „Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in Unternehmen – was ist jetzt konkret zu tun?“ statt.
Prof. Dr. Stephan Grüninger, Professor an der HTWG und Wissenschaftlicher Direktor des Konstanz Instituts für Corporate Governance sowie Vorstandsvorsitzender des DNWE und Wissenschaftlicher Beirat des Deutschen Instituts für Compliance DICO, führt dabei unter anderem ein Dialoggespräch zum Thema Unternehmensverantwortung mit Alfred T. Ritter, Beiratsvorsitzender und Gesellschafter der Alfred Ritter GmbH & Co.KG (Ritter Sport).
Das kostenlose Online-Format thematisiert die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Lichte des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) sowie einer zukünftigen europäischen Regelung und richtet sich an Unternehmer*innen, Geschäftsführer*innen, Compliance- und CSR-Verantwortliche in Unternehmen, NGOs, Rechtsanwält*innen, Wirtschaftsprüfer*innen, Unternehmensberater*nnen und Interessierte aus der Zivilgesellschaft sowie Studierende.
Weitere Informationen zur Veranstaltung und Anmeldung auf den Seiten des DNWE.

Weitere HTWG-Absolventin wird ausgezeichnet

Fast zeitgleich mit Carla Zachmann ist eine weitere Absolventin des Masterstudiengangs Unternehmensführung ebenfalls für ihre Arbeit zu Nachhaltigkeit in der Textilbranche ausgezeichnet worden. Dr. Julia Grimm hat den Wolfang-Ritter-Preis erhalten. Julia Grimm hat nach dem Bachelorstudium im Fach Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Augsburg den Masterstudiengang Unternehmensführung an der HTWG absolviert. Im Anschluss begann sie ihre Promotion an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit war sie Teil des Doktorandenkollegs „Ethik und gute Unternehmensführung“ am Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik, einem unabhängigen und internationalen Forschungsinstitut. Heute ist sie Assistenzprofessorin an der Jönköping University in Schweden.

Der Nachwuchsförderpreis des BCM

Mit dem Nachwuchsförderpreis des Berufsverbands der Compliance-Manager werden jährlich herausragende Abschlussarbeiten, die durch einen Mehrwert für die Compliance-Praxis überzeugen, ausgezeichnet. Die Laudatio des Nachwuchsförderpreis 2021 wurde beim Bundeskongress Compliance von Dr. Lars Röh, Partner bei lindenpartners, gehalten, die den mit jeweils 1.000€ dotierten Preis zum wiederholten Mal unterstützt haben. Die Jury bestand in diesem Jahr aus Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats, des BCM-Präsidiums und Funktionsträgern. Vorsitzende der Jury war Prof. Dr. Julia Redenius-Hövermann, Professorin für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht an der Frankfurt School of Finance and Management, die gleichzeitig auch die Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats des BCM ist.